zum Hauptinhalt
Annabella Rauscher-Scheibe, Präsidentin der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin.

© privat

„Die Politik muss endlich mehr für Studierende tun“: Neue HTW-Präsidentin über Hochschulstandort Berlin

Annabella Rauscher-Scheibe ist seit kurzem Präsidentin der Hochschule für Technik und Wirtschaft. Hier spricht sie über ihre Pläne, Gefahren für den Standort Berlin – und Studierende ohne Lobby.

Sie sind jetzt seit zwei Monaten Präsidentin der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW). Wie sind Sie im Amt angekommen?
Sehr gut, die Arbeit macht mir viel Spaß. Die Übergabe von meinem Vorgänger, Carsten Busch, war sehr kollegial. Die ersten Wochen musste ich allerdings überraschend oft auf Dienstreisen gehen, zu lange geplanten Terminen wie der Hochschulrektorenkonferenz. Da hätte ich mir noch mehr Zeit vor Ort gewünscht. Aber dass man eine so große, komplexe Hochschule nach zwei Monaten bereits bestens kennt, ist eine Illusion.

Was sind Ihre Pläne für die HTW?
Ein großes Ziel ist, die großen Herausforderungen unserer Zeit – Digitalisierung, Nachhaltigkeit – mit unserer Hochschule zu verknüpfen: Wie verbinden wir das mit unseren Studiengängen und unserer Forschung? Machen wir immer wieder eigene Studiengänge für diese Themen auf? Ich würde denken: Das sind Kompetenzen, die wir in jedem Studiengang mitdenken müssen. Es wird eine große Aufgabe zu sein, vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen vieles zu hinterfragen.

Berlin hat mehrere große Hochschulen für Angewandte Wissenschaften. Wo steht die HTW?
Ich will mir da nach so kurzer Zeit kein Urteil anmaßen. Wir sind auf jeden Fall ein wenig breiter aufgestellt, wir sind quirlig. Die HTW lebt von ihrer unglaublichen Breite im Fächerspektrum: von Design bis Technik. Die Frage ist auch, wie wir das mit der Wirtschaft verknüpfen, etwa in Wirtschaftsinformatik oder -mathematik.

Sie wurden nur mit hauchdünner Mehrheit gewählt, die Hochschule schien gespalten. Was machen Sie, um die Hochschule zu einen?
Ich habe überhaupt nicht das Gefühl, dass die Hochschule gespalten ist. Das knappe Ergebnis hat mich nicht verwundert. Ich komme von außen, bin quasi ein unbeschriebenes Blatt, das ist auch mutig, wenn die Hochschule einen dann wählt. Insofern sehe ich das gelassen. Wäre Herr Busch gewählt worden, hätte ich ihm genauso gratuliert und ein Glas Sekt mit ihm getrunken.

Studierende haben keine Lobby. Das merkt man beim Chaos um das Deutschlandticket und das Semesterticket.

Annabella Rauscher-Scheibe

Was wollen Sie für die Studierenden machen? Diese haben unter der Pandemie und den Folgen besonders gelitten, aber es scheint, dass sie in der Politik überhaupt keine Lobby haben.
Die haben sie tatsächlich nicht. Das merkt man gerade bei dem Chaos um das Deutschlandticket und das Semesterticket. Eine sehr große Gruppe, die zu großen Teilen im ÖPNV unterwegs ist, wurde einfach vergessen in ihren Bedürfnissen: Die müssen sich in der Stadt bewegen, etwa zur Hochschule fahren, aber auch außerhalb, zum Beispiel wenn die Eltern in Brandenburg wohnen. Hier muss die Politik schnell handeln – und insgesamt endlich mehr für Studierende tun. Denn das ist nur ein Aspekt.

Die HTW – hier der Campus in Oberschöneweide – lebt von der „unglaublichen Breite“ im Fächerspektrum, sagt die Präsidentin.

© ALEXANDER RENTSCH

Was sind weitere?
Das studentische Wohnen ist ein Problem für unsere Stadt und wird sich weiter verschärfen. Die Mieten gehen dermaßen hoch – das merken wir als Hochschule auch bei Bewerbungen, wenn Studierende hier doppelt so viel für ein Zimmer zahlen müssen als an anderen, kleineren Standorten. Da können wir noch so gute Programme anbieten.

Wer sich überlegt, in Berlin zwei Nebenjobs machen zu müssen und anderswo nur einen, wird sich nicht unbedingt für Berlin entscheiden.

Annabella Rauscher-Scheibe, HTW-Präsidentin

Wer sich überlegt, in Berlin zwei Nebenjobs machen zu müssen und anderswo nur einen, wird sich nicht unbedingt für Berlin entscheiden. Da müssen wir sehr aufpassen und als Hochschulen immer wieder darauf hinweisen. Die Studierenden müssen in Berlin auch leben können.

Noch hat die HTW mehrere Standorte, Ihr Vorgänger wollte die HTW am Campus in Oberschöneweide konzentrieren. Es heißt, Sie hätten das infrage gestellt. Wie sehen Sie die Zukunft der HTW bei dem Thema?
Von Außen gesehen ist es schon so: Ein Standort ist immer einfacher als zwei. Darüber braucht man nicht zu diskutieren. Die Frage ist doch, wie der Weg dahin verläuft: Welchen Mehrwert haben wir davon? Es wird auch eine Übergangsphase geben. Niemand wird uns genügend Flächen und Gebäude hinstellen, dass wir einmal ein Umzugsunternehmen bestellen, alles einpacken und wieder auspacken.

Das wird im Gegenteil eine ziemliche Hängepartie – wann kommen neue Gebäude, wer wird das finanzieren. Wir sind nicht die einzige Hochschule, die bauen will. Ich stelle das wie gesagt gar nicht infrage. Ich werde mir das in Ruhe ansehen und in vielen Runden diskutieren, was die Hochschule als Ganzes wirklich will und was städtebaulich realisierbar ist.

Sie müssen sofort die Hochschulverträge verhandeln. Was erwarten Sie von der neuen Wissenschaftssenatorin?
Ich bin sehr froh darüber, dass mit Ina Czyborra eine erfahrene Hochschulpolitikerin das Amt übernommen hat, die die Berliner Hochschulen und ihre Bedarfe sehr gut kennt. Ich hoffe deshalb auf Hochschulvertragsverhandlungen, die dazu beitragen, die starke Stellung unserer Hochschulen weiter auszubauen.

Sie waren vorher an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg. Was sind wissenschaftspolitisch die größten Unterschiede zwischen Hamburg und Berlin?
In Hamburg gibt es nur eine Hochschule für Angewandte Wissenschaften, da kämpft man politisch oft allein. In Berlin haben wir einen großen Verbund von HAWen, wir arbeiten und positionieren uns zusammen, das macht unsere Stimme stärker. Wir haben eigene Themen, wie das Promotionsrecht von HAWen, die Frage der erhöhten Lehrverpflichtung, die die Universitäten eben doch nicht interessieren. Und eine weitere Sache ist mir spontan aufgefallen.

Welche?
Der Frauentag wurde hier in Berlin mit einer eigenen großen Veranstaltung an der Hochschule gefeiert, mit 120 Frauen. Das ist ein wichtiger Tag, aber aus Hamburg kannte ich das so nicht. Und die Mitbestimmung an Berliner Hochschule ist definitiv größer als in Hamburg.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false