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Vor allem in Afrika ist die Jagd auf Wildtiere eine viel genutzte Protein- und Einkommensquelle, aber auch möglicher Ursprung für Zoonosen.

© AFP/JOHN WESSELS

„Es steht zu viel auf dem Spiel“: Mit fünf Strategien sollen künftige Pandemien verhindert werden

Ein internationales Team mit diversen Expertisen will wissenschaftliche Erkenntnisse zu einem Aktionsplan zusammenführen. Das Ziel: Übersprünge tierischer Viren auf Menschen unterbinden.

Die Dynamik für Covid-19 scheint sich zu verlangsamen, teilte das Robert Koch-Institut mit. Nach Einschätzung von Fachleuten gilt das aber nicht nur für das Infektionsgeschehen in der bislang größten Pandemie des 21. Jahrhunderts – sehr wahrscheinlich ausgelöst vom Übersprung eines tierischen Virus auf den Menschen – sondern auch für die Bereitschaft von Regierungen weltweit Vorsorge zu treffen.

„Vor dem Hintergrund dieser Vernachlässigung einer der größten Bedrohungen für die Menschheit“ berufen die medizinische Fachzeitschrift „The Lancet“ und die NGO-Vereinigung „Coalition for Preventing Pandemics at the Source“ jetzt eine Kommission ein, die Strategien analysieren soll.

Günstiger als Reaktionen

„Covid-19 hat uns gezeigt, wie anfällig die Menschheit für pandemische Zoonosen ist“, sagte Alexander Popp vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und der Universität Kassel, der zum Mitglied berufen wurde. Zoonosen sind Krankheiten, die irgendwo von einem Tier auf einen Menschen – Jäger, Schlachter, Halter – überspringen und dann als Pandemie um die Welt gehen können, mit weitreichenden gesundheitlichen sowie gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen.

„Während die meisten Anstrengungen zur Pandemiebekämpfung darauf abzielen, Ausbrüche einzudämmen, liegt der Schwerpunkt dieser Kommission darauf, Ausbrüche an der Basis zu verhindern“, sagt Popp.

Auftrag der Kommission ist unter anderem wissenschaftliche Erkenntnisse zu fünf Strategien zusammenzuführen und zu bewerten, die helfen sollen, Übersprünge zu verhindern:

  • Entwaldung und Waldschädigung eindämmen, insbesondere in tropischen und subtropischen Regionen
  • Gesundheit von Haustieren verbessern, tierärztliche Versorgung und biologische Sicherheit in der Haltung stärken
  • Risiken durch Handel und Verzehr von Wildtieren verringern
  • medizinische Grundversorgung und Lebensgrundlagen für Gemeinschaften verbessern, die in der Nähe von Wildtieren leben
  • Überwachung möglicher Zoonoseviren bei Mensch, Haus- und Wildtier verbessern

„Die Vorbeugung von Pandemien ist viel billiger als die Reaktion auf Pandemien und wird unzählige Leben retten“, sagt die Co-Vorsitzende der Kommission, Neil Vora von der Naturschutzorganisation Conservation International.

Die Prävention benötige dringend zweckgebundene Ressourcen, um ein Übergreifen von Krankheitserregern zu verhindern, etwa internationale Finanzierung für den Schutz der Tropenwälder. „Es steht zu viel auf dem Spiel, als dass die Welt noch mehr unvollständige Lösungen für Pandemien umsetzen könnte“, sagt Vora. „Wir müssen sowohl in Präventiv- als auch in Reaktionsmaßnahmen investieren.“

In Regenwaldgebieten dringt der Mensch mit illegalen Rodungen immer tiefer in das Ökosystem ein.
In Regenwaldgebieten dringt der Mensch mit illegalen Rodungen immer tiefer in das Ökosystem ein.

© AFP/MICHAEL DANTAS

Die Weltbank und die Weltgesundheitsorganisation gehen davon aus, dass Aufbau und Unterhalt eines wirksamen Präventionssystems jährlich knapp 42 Milliarden Dollar (etwa 40 Milliarden Euro) kosten würde. Es besteht großer Finanzierungsbedarf, allerdings belaufen sich Schätzungen der wirtschaftlichen Auswirkungen allein des ersten Jahres der Covid-19-Pandemie auf ein Vielfaches: rund zwei Billionen US-Dollar oder den Rückgang der weltweiten Wirtschaftsleistung um 3,4 Prozent.

Auftrag Aktionsplan

Die neue Kommission ist laut eigener Mitteilung das ehrgeizigste, vielfältigste und globalste Gremium, das sich mit dem wenig erforschten und unterfinanzierten Bereich befasst. „Unser Ziel ist es Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken, die Politik wissensbasiert zu beraten und bestenfalls entsprechende Maßnahmen einzuleiten“, sagt Popp.

Der Ansatz erfordere die Zusammenarbeit von Expertinnen und Experten auf unterschiedlichen Fachgebieten wie der Human- und Tiermedizin, den Sozialwissenschaften, der Ökologie und in Popps Fall der Klimaforschung. In zwei bis drei Jahren will die Kommission mit drei Ko-Vorsitzenden und 28 Mitgliedern einen Bericht vorlegen, der als Grundlage für einen globalen Aktionsplan gegen Pandemien dienen soll.

„Der Ursprung der jüngsten Epidemien ist klar: Sie gehen von Wildtieren aus“, sagt Raina Plowright von der Cornell University und Co-Vorsitzende der Kommission.

Dennoch sei die Prävention dieser Spillover-Epidemien ein Thema, das kaum verstanden und von den wichtigsten Institutionen im Bereich der öffentlichen Gesundheit kaum behandelt wird. „Unsere Kommission wird unser Verständnis von Krankheitsgefahren verbessern“, sagt Plowright. „Wir müssen dieses Problem in den Fokus rücken und dann eine Strategie zu seiner Lösung entwickeln.“

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