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Trinkhörner von Gallehus: Sehr hübsch, aber eben nicht original.

© picture-alliance/ dpa/epa Scanpix Christian Ringbaek

Tagesrückspiegel – Heute vor 289 Jahren: Zum Dahinschmelzen: Die Goldhörner von Gallehus

Sie galten als die wichtigsten archäologischen Funde Dänemarks, von unschätzbarem Wert. Doch ihr Materialwert sollte ihnen zum Verhängnis werden.

Eine Kolumne von Richard Friebe

Møgeltønder ist ein hübsches kleines dänisches Dorf, ganz nah an der deutschen Grenze, eher Richtung Nordsee gelegen. Von 1867 bis 1920 gehörte es zu Preußen und Deutschland.

Dort leben derzeit laut offiziellen Angaben etwa 800 Menschen. Prinz Joachim von Dänemark gehört nicht mehr dazu. Er wohnte bis 2014 hier auf Schloss Schackenborg, zog dann aber mit Familie nach Kopenhagen.

Einen deutlich schmerzlicheren Verlust für die sich „Mögeltonderaner“ nennenden Einwohner hat ein anderer Kopenhagener zu verantworten. Der Goldschmied Niels Heidenreich schmolz im Jahre 1802 die beiden zu den wichtigsten archäologischen Funden der dänischen Geschichte gehörenden „Goldhörner von Gallehus“ ein. Die waren in der Gemarkung des Dorfes entdeckt worden, eines davon 1639, das andere heute vor 289 Jahren, am 21. April 1734, von einem ehrlichen Bauern namens Erik Lassen.

Falschmünzer in der Schatzkammer

Nicht ganz unschuldig am Verlust der Hörner war das damalige Oberhaupt des dänischen Königshauses. Das hieß Friedrich, hatte den eigenen Vater Christian VII wegen angeblicher Geistesgestörtheit entmachtet und regierte jetzt als Prinzregent.

Dass Friedrich einem Mann wie Heidenreich, der 1788 wegen Falschmünzerei zum Tode verurteilt worden, dann aber mit ein paar Jahren Haft davongekommen war, Zugang zur königlichen Kunstkammer gewährte, stellt wohl auch die Geisteskräfte des jungen Regenten infrage.

Heidenreich jedenfalls entwendete die dort aufbewahrten Goldhörner, schmolz sie ein, machte schon wieder falsche Münzen daraus, wurde 1803 gefasst, gestand und verbrachte fast die gesamte zweite Hälfte seines letztlich 83 Jahre währenden Lebens hinter Gittern und Festungsmauern.

Der Verlust der Hörner bedeutet bis heute auch, dass ihre Erforschung nur anhand von erhaltenen Zeichnungen möglich ist. Dazu gehört eine Runeninschrift, verfasst in der ältesten bekannten Form, dem so genannten „älteren Futhark“. Darstellungen von Tieren, manche davon eindeutig mediterran, waren auch eingraviert. Was sie bedeuten, ist nicht eindeutig geklärt, verschiedenste Interpretationen existieren.

Ole Worms fertigte 1641 diese Zeichnung des größeren der beiden Hörner an.

© Malene Thyssen/Malene Thyssen

Die Inschrift auf dem kürzeren Horn allerdings ist übersetzt. Viel sagt sie nicht, es ist schlicht eine Signatur: „Ich, Hlewagastiz Holtijaz“, steht dort, „machte das Horn“. Wer Hlewagastiz Holtijaz (was man als „berühmter Gast“ oder „Gastgeber berühmter Gäste“, „zu Holt gehörend“, übersetzen kann) war, weiß niemand, zu welchem Zweck die Trinkhörner gemacht wurden, und wann genau, auch nicht. Geschätzt wird, dass sie kultisch genutzt wurden und im 5. nachchristlichen Jahrhundert entstanden.

Da ist über den, der sie zerstörte, deutlich mehr bekannt. Niels Heidenreich versuchte sich in der Haft unter anderem lange Zeit an der Quadratur des Kreises. Die erwies sich als so unmöglich wie das Zurückbringen der Hörner – deren Kopien 1993 und 2007 gleichsam erneut aus dem Nationalmuseum in Jelling geklaut, aber jeweils wiedergefunden wurden.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der „Tagesrückspiegel“-Kolumne hier.

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