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Wählen durften 18-Jährige schon 1972, gewählt werden drei Jahre später.

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Tagesrückspiegel – Heute vor 49 Jahren: Die volle Geschäftsfähigkeit „ab 18“

In den 1974 Jahren setzte die Bundesregierung eine Altersgrenze herab. Wer am 1. Januar 1956 geboren war, gehörte 18 Jahre später zu den jüngsten offiziell Volljährigen in Deutschland.

Eine Kolumne von Patrick Eickemeier

Die wilden Sechziger waren vorbei, wirkten aber noch nach. Ein „Wandel in der Gesellschaft und Lebenswirklichkeit“ kam in der Gesetzgebung an: Am 22. März 1974 senkte der Deutsche Bundestag mit großer Mehrheit das Volljährigkeitsalter von 21 auf 18 Jahre.

Mit Beginn des Jahres 1975 trat das Gesetz in Kraft und über 2,5 Millionen Jugendliche wurden um Mitternacht voll geschäftsfähig. Sie konnten von da an auch ohne Zustimmung ihrer Eltern bestimmen, welche Ausbildung oder welchen Arbeitsplatz sie antreten und wo sie wohnen wollten. Heiratswillige 18-Jährige konnten nun auch das selbstbestimmt tun und Ehen schließen.

Breite Zustimmung im Bundestag

Zudem erhielten die jungen „Voll“-jährigen auch das passive Wahlrecht. Sie konnten damit zu Abgeordneten des Deutschen Bundestages gewählt werden. Geschafft hat das aber noch niemand. Anna Lührmann (Grüne) wurde 2002 als 19-Jährige in das Parlament gewählt. Sie ist die bislang jüngste Abgeordnete der Geschichte des Bundestags.

Das aktive Wahlrecht – selbst zu wählen – hatten 18-Jährige 1974 bereits. Der Bundestag hatte 1970 die Grundgesetzänderung beschlossen, es von 21 auf 18 Jahre herabzusetzen. Seit 1972 war Wählen schon „ab 18“.

Drei Jahre später wurden die weiteren Rechte erteilt. Das Parlament reagierte mit der Verjüngung der Volljährigen auf Entwicklungen, die bereits in den vorangegangenen Jahrzehnten begonnen hatten. Im geteilten Deutschland war es zudem lange unterschiedlich geregelt gewesen. In der DDR galt die Volljährigkeit mit 18 Jahren schon seit 1950.

Es gab kaum Gegenstimmen. Alle Abgeordneten der sozialliberalen Regierungskoalition und fast alle Abgeordneten der Opposition sprachen sich für die Herabsetzung des Volljährigkeitsalters aus, die Neuregelung der Volljährigkeit war von vielen Bürgern auch der älteren Generation bereits erwartet worden.

„Die Veränderung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung“ habe in der Praxis bereits dazu geführt, dass die 18- bis 21-Jährigen am Rechtsverkehr teilnahmen, sagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Günther Metzger. Das gelte für die Wahl von Beruf und Arbeitsplatz, wie sie ihr Arbeitseinkommen verwenden wollten „und zu einem großen Teil auch für die Geschäfte des täglichen Lebens“.

70 bis 80 Prozent der 18- bis 21-Jährigen hatten eigenes Erwerbseinkommen und bestimmten darüber auch weitgehend in eigener Verantwortung, sagte der Berichterstatter der Unionsfraktion, Anton Stark. Er verwies darauf, dass die 18- bis 21-Jährigen bereits „umfangreiche Pflichten und Verantwortlichkeiten“ wahrnahmen. So waren die jungen Männer etwa wehrpflichtig. (Die allgemeine Wehrpflicht wurde 2011 außer Kraft gesetzt.) Die Volljährigkeit bedeutete aber auch, dass 18-Jährige seitdem strafrechtlich als „Erwachsene“ zur Verantwortung gezogen werden können.

Einige Abgeordnete hielten den Abbau elterlicher Einflussmöglichkeiten in Zeiten zunehmender Generationenkonflikte für gefährlich. Der FDP-Abgeordnete Detlef Kleinert hielt dem entgegen, „dass mit der Herausforderung an die Verantwortung auch das Verantwortungsbewusstsein wächst“.

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