zum Hauptinhalt
Durch die Massenverlagerung wandert die Rotationsachse um vier Zentimeter jährlich. 

© Getty Images/Moment RF

In nur zwei Jahrzehnten: Der Mensch hat die Achse der Erde verschoben

Es ist ein weiteres Beispiel dafür, welchen Einfluss menschliche Aktivitäten haben: Dem Planeten wurde so viel Grundwasser entzogen, dass die Rotationsachse wandert. Ist mit Folgen zu rechnen?

Die Drehung der Erde um ihre eigene Achse ist keineswegs konstant. Beim genauen Hinsehen verschiebt sie sich, und auch die Rotationsgeschwindigkeit variiert. Ursache dafür sind Massenverlagerungen, die beispielsweise durch Erdbeben oder gewaltige Luftmassenströmungen bedingt sind.

Die Grundwasserentnahme ist ebenso ein solcher Faktor, wie nun Forscher um Ki-Weon Seo von der Seoul National University berichten. Sie bewirke, dass sich die Rotationsachse der Erde jährlich um 4,36 Zentimeter bewege, etwa in Richtung der russischen Insel Nowaja Semlja, schreibt das Team in den „Geophysical Research Letters“

Dies bezieht sich aber nur auf den Mittelwert, tatsächlich ist die Position unstet. Den größeren Anteil haben Luftmassen, die sich je nach Wetter und Jahreszeit verlagern und so die Rotationsachse um einige Meter hin und her verschieben. Das lässt sich durchaus messen. Forscher nutzen dafür ferne Fixpunkte im All, sogenannte Quasare, und extrem genaue Atomuhren.

Das koreanische Forschungsteam wollte nun herausfinden, welchen Anteil Wasserbewegungen in Sachen Rotationsachse haben. Schon länger war bekannt, dass schmelzendes Eis von Gletschern und an den Polen eine Rolle spielen. Doch das allein konnte die Messungen nicht erklären. „Dann kam ich auf die Idee, dass wohl auch das Grundwasser einen Effekt haben könnte“, sagte Seo dem Fachmagazin „Nature“. In großer Menge wird es heraufgepumpt – für Industrie, Landwirtschaft und Konsumenten – und gelangt in die Meere.

Grundwasser stammt überwiegend aus Regenwasser, das durch den Boden und den Untergrund bis in die Grundwasserleiter sickert und zum Beispiel zum Bewässern genutzt wird.

© dpa/Julian Stratenschulte

Wie viel genau gefördert wird, ist aber schwer zu ermitteln. Erst in den vergangenen Jahren gelang das besser, etwa mit der Satellitenmission „Grace“. Sie vermisst das Schwerefeld der Erde und erfasst so, wie viel Wasser verlagert wird.

Modellrechnungen zufolge wurden von 1993 bis 2010 gut zwei Billionen Tonnen Grundwasser zutage gefördert und haben den Meeresspiegel um 6,24 Millimeter ansteigen lassen. Dass diese Zahlen belastbar sind, haben nun die Forscher um Seo bestätigt. Als das Team die abgeschätzten Daten zur Grundwasserentnahme in ihrem Modell hinzufügte, passte es auf einmal. Ihren Berechnungen zufolge verteilen sich die Wassermassen so, dass die Rotationsachse der Erde um 4,36 Zentimeter im Jahr verschoben wird. Spürbare Folgen hat es keine.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Erde drehte sich schneller

Mit solchen geodätischen Modellen lassen sich auch andere Effekte berechnen, beispielsweise den Einfluss von Gesteinspaketen, die bei Erdbeben kurzfristig tiefer ins Erdinnere gelangen. So wie eine Eiskunstläuferin mit angezogenen Armen schneller Pirouetten dreht, sollte auch die Erde schneller drehen. Der Nasa-Geophysiker Richard Gross hat für das schwere Tohoku-Beben vor Japan im März 2011 nachgerechnet: Demnach drehte sich daraufhin die Erde schneller, der Tag wurde um 1,8 Mikrosekunden verkürzt und die Rotationsachse um rund 15 Zentimeter verschoben.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Da ständig Massen bewegt werden und die Rotationsgeschwindigkeit beeinflussen, gleichen sich die Effekte unterm Strich aus und es kommt langfristig zur Verlangsamung.

Wobei es auch hier Ausnahmen gibt. Im vergangenen Jahr wurde bekannt, dass sich unser Planet seit 2016 schneller drehte. Ende Juni 2022 hatten die Tage rund 1,6 Millisekunden (Tausendstelsekunden) weniger als die durchschnittliche Tageslänge von 86.400 Sekunden. Über die Gründe dafür diskutieren die Forscher noch, das „Problem“ ist jedoch vorerst erledigt.

Seit dem Jahreswechsel werden die Tage wieder länger, teilt Christian Bizouard vom Observatoire de Paris mit, der zugleich das Earth Orientation Centre leitet. Diese Einrichtung liefert Daten zur Zeitbestimmung und legt Schaltsekunden fest. „Es sieht so aus, dass die Tageslänge nun langfristig wieder zunimmt.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
showPaywallPiano:
false