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Nach der Markierung wurden die Falter in Konstanz freigelassen und in einem Leichtflugzeug bis zu 80 Kilometer weit in die Alpen verfolgt.

© MPI f. Verhaltensbiologie/Christian Ziegler

Die Reisen der Totenkopfschwärmer: Nachtfalter nutzen hochentwickelte Flugstrategien

Fluginsekten wandern teils über weite Strecken. Nachtverfolgungen einer Falterart zeigen, wie sie auch bei widrigen Flugbedingungen auf Kurs bleibt.

Insekten sind die kleinsten fliegenden Wandertiere. Obwohl die Zahl der migrierenden Tiere weit höher ist als etwa die von Zugvögeln oder Fledermäusen ist das Wanderverhalten von Insekten deutlich weniger erforscht.

Eine Studie des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie und der Universität Konstanz zeigt nun, wie Totenkopfschwärmer (Acherontia atropos) selbst bei ungünstigen Windverhältnissen vollkommen gerade Flugbahnen einhalten. Die Studie belegt, dass auch Nachtfalter ausgeklügelte Flugstrategien anwenden.

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Streckenrekord für die Forschung

Wandernde Insekten sind normalerweise zu zahlreich, um sie zu markieren und wiederzufinden, und zu klein, um Ortungsgeräte zu tragen“, wird Myles Menz, Erstautor der im Fachmagazin „Science“ veröffentlichten Studie in einer Mitteilung des Max-Planck-Instituts zitiert.

Bisherige Erkenntnisse stammen meist aus Studien, bei denen die Insekten und ihre Standorte als Momentaufnahmen erfasst wurden, etwa per Radar oder durch direkte Beobachtung. „Zu verstehen, was individuelle Insekten während ihrer Wanderung tun und wie sie dabei auf das Wetter reagieren, ist eine der großen Herausforderungen für die Forschung zum Wanderverhalten von Tieren“, sagt Menz.

In der aktuellen Untersuchung verfolgten die Forschenden mit Funksendern ausgestattete Totenkopfschwärmer in einem Leichtflugzeug über bis zu 80 Kilometer. Das ist die bisher längste Strecke, über die die Flugbahnen von Insekten im Feld nachverfolgt werden konnten.

Niedrig und schnell bei Gegenwind

Totenkopfschwärmer sind mit einem Gewicht von bis zu 3,5 Gramm vergleichsweise große, nachtaktive Falter. Auf ihrer Wanderung zwischen Europa und Afrika legen sie jedes Jahr bis zu 4000 Kilometer zurück. Die Gesamtstrecke wird jedoch nicht von einzelnen Individuen, sondern generationsübergreifend zurückgelegt. Das bedeutet, dass kein Einzeltier die gesamte Route kennt.

Die Forschenden zogen Raupen im Labor auf. Geschlüpfte Falter wurden mit miniaturisierten Funksendern versehen, die 0,2 Gramm wiegen – weniger als 15 Prozent des Körpergewichts eines ausgewachsenen Totenkopfschwärmers. „Die Nahrung, die ein Falter jede Nacht aufnimmt, entspricht wahrscheinlich mehr als diesem Gewicht“, erklärt Menz. Als Fluggepäck waren die Sender also wahrscheinlich gut tragbar.

Die Falter sind mit einem Gewicht von bis zu 3,5 Gramm für fliegende Insekten extrem groß und wurden mit Funketiketten versehen, die 0,2 Gramm wiegen.

© MPI f. Verhaltensbiologie/Christian Ziegler

Die Falter wurden freigelassen und 14 Einzeltiere über bis zu vier Stunden und Strecken von bis zu 80 Kilometern verfolgt. Die Tiere flogen von Konstanz in süd-südwestlicher Richtung bis in die Alpen, was der Wanderroute in Richtung Mittelmeer und Nordwestafrika entspricht.

Die Nachtverfolgungen zeigen, dass sie über weite Strecken vollkommen gerade Flugbahnen einhielten. Dazu warteten sie nicht unbedingt auf Rückenwind, sondern setzten Flugstrategien ein, um ihren Kurs auch bei ungünstigeren Windverhältnissen die Nacht hindurch zu halten: Stand der Wind günstig, flogen sie hoch und langsam und ließen sich von der Luft tragen. Bei starkem Gegen- oder Seitenwind flogen sie dagegen niedrig und erhöhten ihre Geschwindigkeit, um die Kontrolle über den Kurs zu behalten.

„Jahrelang ging man davon aus, dass sich Insekten bei der Langstrecken-Wanderung hauptsächlich vom Wind treiben lassen“, sagt Menz. Die Studie zeige jedoch, dass die Navigation der Insekten der von Vögeln ebenbürtig ist.

In weiteren Untersuchungen will das Team der Frage nachgehen, wie die Totenkopfschwärmer die Richtung zu ihren Zielorten bestimmen, um diese geradlinig anzufliegen. „Ausgehend von früheren Laborarbeiten besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Insekten interne Kompasse verwenden, sowohl visuelle als auch magnetische, um ihre globalen Flugwege festzulegen“, sagt Menz.

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