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Werner Heisenberg.

© AFP

Wissenschaftsgeschichte: Physiker im Krieg

Zwei Briefeditionen werfen ein Licht auf Werner Heisenberg und Max von Laue während der Zeit des Nationalsozialismus.

Werner Heisenberg und Max von Laue gehören zu den bedeutenden Physikern des 20. Jahrhunderts. Heisenberg genießt wegen der von ihm entdeckten Unschärferelation sogar Kultstatus. Er leistete Pionierarbeiten zur Matrizenmechanik, die die Grundlage des heutigen quantenmechanischen Verständnisses der atomaren Welt bilden. Aber auch seine zentrale Rolle in der Physik und Wissenschaftspolitik der frühen Bundesrepublik ist von Bedeutung.

Zwei Briefeditionen werfen nun weniger ein Licht auf die Wissenschaftler als auf die Privatpersonen, indem sie die Korrespondenz zwischen den Eheleuten Heisenberg und zwischen Vater und Sohn Laue protokollieren. Da die Briefe aber vornehmlich in den Jahren des Dritten Reiches geschrieben wurden, sind sie alles andere als private Zeugnisse und vermitteln neben Einblicken in den Alltag von NS-Diktatur und Krieg auch Aufschlüsse über das politische Leben vermeintlich apolitischer Professoren.

Beispielsweise merkt man der Wortwahl der Briefe die allgemeine Repression der NS-Diktatur und die Atmosphäre des allgegenwärtigen Überwachungsstaates an – die Äußerungen über politische Zeitereignisse verbleiben im Unverbindlichen und Unverdächtigen oder werden höchstens angedeutet und zwischen den Zeilen verborgen. Deutlicher kann man allein werden, wenn man vom Ausland schreibt. So von Laue, wenn er seinem Sohn am 19. August 1939 aus der Schweiz unverblümt schreibt, dass „viele in Deutschland den Eindruck (haben), dass Hitler nur deswegen so viel Radau mache, weil er ohne weitere Erfolge sich nicht halten könne ... Ähnlich ist es ja schon vielen Tyrannen ergangen; und recht oft war das der Anfang ihres Sturzes ... nun, ich bin nicht so optimistisch“.

Auch Heisenberg teilte solchen Optimismus nicht, doch war er sehr viel stärker in das NS-System eingebunden als von Laue und sah in diesem auch einiges Positives. Heisenberg war im Zweiten Weltkrieg Leiter des deutschen Uranprojekts, bei dem es zwar nicht um die Atombombe, doch immerhin um die Entwicklung eines Atomreaktors ging. Über diese Arbeiten enthüllt der Briefwechsel zwar keine neuen oder gar sensationellen Geheimnisse, doch zeigt er, dass Heisenberg die Leitung des Projekts mehr und mehr als ungeliebtes Kind und zeitraubende Pflichtübung empfand, die ihn von den ihn eigentlich bewegenden physikalischen Fragen abhielt. Seinen Fluchtpunkt fand er in der Musik sowie in seiner „Privatphilosophie“, an der er während des Krieges arbeitet und die erst 1976 posthum unter dem Titel „Ordnung und Wirklichkeit“ publiziert wurde. Über diesen „Entwurf einer Weltanschauung“ erfährt man in den vorliegenden Briefen manches interessante Detail, doch zum Staunen wird der Leser durch eine Briefpassage Heisenbergs vom 14. Oktober 1943 über seinen Meisterschüler und Freund Carl Friedrich von Weizsäcker gebracht: „Ich verstehe mich im Grunde überhaupt nicht mit ihm; diese Art, alles prinzipiell zu nehmen und überall die ,letzte Entscheidung’ zu erzwingen, ist mir völlig fremd ... Mir ist dieser ewige Zirkel vom Glauben an die heiligsten Güter, die mit Feuer u. Schwert verteidigt werden müssen, ganz unerträglich.“

Da man bisher von einem Dissens zwischen Heisenberg und Weizsäcker nichts wusste, beider Verhältnis als harmonisch und freundschaftlich beschrieben wurde, zeigt sich hier eine ganz neue Facette ihrer Beziehung.

Werner Heisenberg, Elisabeth Heisenberg: „Meine liebe Li!“. Der Briefwechsel 1937 - 1946. Residenz Verlag St. Pölten 2011. 349 Seiten, 29,90 €.

Mein lieber Sohn!. Die Briefe von Max von Laue an seinen Sohn Theodor in den Vereinigten Staaten von Amerika 1937 bis 1946. ERS-Verlag Berlin, Liebenwalde 2011. 359 Seiten, 25,50 €.

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