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Svend Hansen mit einem Pithos in Pietrele.

© Janine Martin

Schlüsselfunde der Berliner Archäologie: Ein Gefäß für 400 Liter Vorräte

Bis Svend Hansen und sein deutsch-rumänisches Team auf dem Siedlungshügel von Magura Gorgana fündig wurden, waren kaum Exemplare der über 6000 Jahre alten Vorratsgefäße bekannt.

Es waren die letzten Tage der Grabung 2009 am Siedlungshügel, dem Tell von Magura Gorgana bei dem rumänischen Dorf Pietrele, sieben Kilometer nördlich der unteren Donau. Die Grabungsteilnehmer waren in Gedanken schon fast wieder zu Hause, dann geschah plötzlich etwas Unerwartetes. In der Außensiedlung des Tells fanden die Archäologen in 1,80 Meter Tiefe einen Ofen mit zwei Mahlsteinen und einer Lehmbank, auf der noch das Unterteil eines großen Pithos, eines Vorratsgefäßes aus Keramik stand.

„Wir waren sehr überrascht, denn mit so großen Funden hätten wir in der Außensiedlung des Tells nicht gerechnet“, erzählt Svend Hansen, Direktor der Eurasienabteilung des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) mit Hauptsitz in Berlin, der zusammen mit Kolleg:innen des Instituts für Archäologie der Rumänischen Akademie sowie des Instituts für Physische Geographie der Universität Frankfurt a. M. seit 2004 am Tell gräbt und die dazugehörige Außensiedlung entdeckt hat.

Man weiß, dass es Pithoi in der Region zu der Zeit (4550-4250 vor Christus) gegeben hat. Im Museum von Konstanza sind zwei dieser Pithoi ausgestellt, das deutsch-rumänische Team fand in Magura Gorgana gleich drei in einem Haus. „Wir haben bisher so wenige Großgefäße aus der Zeit, wir mussten unseren Fund restaurieren, auch wenn es Kräfte band“, sagt Hansen.

Restaurierter Pithos aus der Tellsiedlung Magura Gorgana bei Pietrele in Rumänien.

© Svend Hansen/DAI

Sechs Wochen hat die Restaurierung des 1,20 Meter hohen Gefäßes mit einem Fassungsvermögen von 400 Litern gedauert. Zum Transport brauchte man vier starke Männer. Die beiden anderen Gefäße fassten zusammen 300 Liter. Der große Pithos war zu 60 Prozent erhalten, der Rest war der Erosion zum Opfer gefallen. Datiert wurde das Gefäß auf 4300 vor Christus. Insgesamt haben die Archäologen bisher 25 Pithoi gefunden, zehn davon wurden restauriert. In ihnen war Getreide aufbewahrt worden.

Für Hansen steht damit fest, dass es sich bei Pietrele um eine Siedlung von überregionaler Bedeutung gehandelt haben muss. Es war ein bedeutendes Wirtschaftszentrum, das schon sehr arbeitsteilig organisiert war. Ein Pithos wurde allmählich in Wulsttechnik aufgebaut, dazwischen musste der Ton immer wieder trocknen.

Zeichnung eines Pithos aus Pietrele (Rumänien).

© C. Georgescu

Das Brennen erfolgte in Einwegöfen und erforderte viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung, um die Temperatur steuern zu können. Pithoi-Töpfer waren also hochspezialisierte Handwerker. Noch weiß man nicht, ob sie umherzogen und ihre Dienste anboten oder ob es ein Werkstattdorf gab. Da das Rad noch nicht erfunden war, erfolgte der Transport mit Booten oder Flößen über den einst nahegelegenen großen See, durch den früher die Donau geflossen war.

Fischreichtum, gute Transportwege und riesige Vorräte

Ursprünglich war Hansen auf Pietrele gestoßen, weil er erforschen wollte, wann sich der Unterschied zwischen Arm und Reich herausgebildet hatte. Der Tell Margura Gorgana bei Pietrele fiel durch seine außergewöhnliche Höhe von elf Metern auf. Er lag im gleichen Siedlungsgebiet wie das 230 Kilometer entfernte Varna im heutigen Bulgarien, wo man 1972 den bisher ältesten Goldfund der Welt gemacht hatte. Allein in einem Grab fand man damals 1,5 Kilogramm Gold. Wie kam es zu diesem Reichtum?

In Magura Gorgana wohnten deutlich mehr als nur 80 wahrscheinlich privilegierte Menschen. Aber irgendwer musste ja all die dort gefundenen Gefäße für den Eigenbedarf produziert haben – die Archäologen fanden bisher über 1000 vollständige beziehungsweise rekonstruierbare Gefäße, insgesamt etwa 17 Tonnen Keramik.

Schon bei der geomagnetischen Prospektion war man auf eine bis dahin umfangreiche Außensiedlung gestoßen. Magura Gorgana muss ein bedeutender Knotenpunkt in einem Fernhandelsnetz gewesen sein. Neben den Pithoi wurden auch lange Feuersteinklingen aus Nordbulgarien sowie mit Graphit verzierte Keramik gefunden.

Die Lage an dem großen, heute ausgetrockneten See hat damals nicht nur die Versorgung mit eiweißreichen Muscheln und Fischen garantiert, sondern auch gute Transportmöglichkeiten für den Handel geboten. 4250 vor Christus ist die Siedlung wie auch weitere Orte an der Donau abgebrannt und wurde danach nicht mehr besiedelt. „Wir haben zwar mit unseren Gefäßen eine Lücke in der Forschung geschlossen“, sagt Hansen, „aber es sind noch viele Rätsel zu lösen.“

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