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Die fruchtbaren Böden in Flussdeltas wie hier am Mekong in Vietnam liefern ergiebige landwirtschaftliche Erträge.

© AFP/Nhac Nguyen

Überschwemmungen befürchtet: Flussdeltas drohen unter den Meeresspiegel zu sinken

Flussdeltas sind für Menschen besonders wichtig: Hier wohnen fast sechs Prozent der Erdbevölkerung, die fruchtbaren Böden ermöglichen der Landwirtschaft hohe Erträge. Doch viele Mündungsgebiete sinken ab.     

Von Stefan Parsch, dpa

Mündungsgebiete großer Flüsse weltweit sind in den nächsten Jahrzehnten wahrscheinlich besonders von Überschwemmungen bedroht. Weil Staudämme das natürliche Anschwemmen von Sedimenten einschränken und zudem viel Grundwasser für die Landwirtschaft abgepumpt wird, drohen die Landflächen in Flussdeltas abzusinken. Dadurch könnten schon im Jahr 2100 große Teile dieser Gebiete unter dem Meeresspiegel liegen.

„Globale Umweltumwälzungen verändern das menschliche Leben und die Ökosysteme in all ihren Bereichen dramatisch, aber nur wenige Umgebungen verkörpern die Folgen menschlicher Aktivitäten so drastisch wie Flussdeltas“, schreiben Rafael Schmitt von der kalifornischen Stanford University und Philip Minderhoud von der Universität Wageningen im Fachmagazin „One Earth“.

Dabei sind solche Mündungsgebiete für die Menschheit extrem bedeutsam: Mit 450 Millionen Menschen leben hier 5,6 Prozent der Weltbevölkerung und es werden etwa drei Prozent der weltweiten Ernten eingefahren. Obwohl die Flussdeltas nur 0,5 Prozent der Landfläche ausmachen, werden auf ihrem Gebiet 4,1 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet.

„Oft ist es nicht das Ansteigen der Meere, sondern das Absinken des Landes durch menschliche Aktivitäten, das die Küstenbevölkerung am meisten gefährdet“, wird Schmitt in einer Mitteilung seiner Universität zitiert. Zwar sei der Anstieg des Meeresspiegels infolge des Klimawandels eine große Gefahr, doch geschehe das Absinken des Landes schneller. So ergaben Satellitenmessungen, dass das Land in der Flussmündung des Mekong in Vietnam zwischen 2006 und 2010 pro Jahr um 10 bis 40 Millimeter abgesunken ist, zwischen 2014 und 2019 waren es sogar bis zu 60 Millimeter pro Jahr.

In einem naturbelassenen Flussdelta formen mitgeführte Sedimente, Abbrüche an Ufern und Überschwemmungen die Landschaft. Die Sedimente stammen zum Großteil aus den Gebirgen, wo Wind und Wetter für die Erosion des Gesteins sorgen. Doch inzwischen unterbrechen Staubecken, Dämme und Deiche den Transport des Materials. Zudem sind heutige Flussdeltas dicht besiedelt und enthalten viele Ackerflächen, weil das Schwemmland sehr fruchtbar ist. Ferner werden vielerorts Flusssedimente abgebaggert, weil sie als Bausand gefragt sind.

Wichtig für die Landabsenkung ist auch die Förderung von Grundwasser zur Bewässerung von Feldern. Nach Modellrechnungen trägt dies im Mekongdelta durchschnittlich 11 bis 16 Millimeter jährlich zur Absenkung bei. Auch die Förderung von Erdöl und Erdgas, wie etwa im Mississippidelta und im Nigerdelta trägt zur sinkenden Landoberfläche bei. Das Ausmaß der Absenkungen und deren Ursachen im Einzelfall sind jedoch kaum bekannt. „Unsere Forschungsarbeit zeigt, dass dieses relevante globale Risiko für alle Küstenregionen mit sehr wenigen Ausnahmen stark vernachlässigt worden ist.“

Die Autoren fordern die wissenschaftliche Gemeinschaft auf, sich mehr mit dem Thema zu beschäftigen, weltweit vergleichbare Datensätze zu erstellen und vorhandene Computermodelle zu verbessern. Dies sei die Grundlage für das Ergreifen von Gegenmaßnahmen. „Die Verringerung der Treibhausgas-Emissionen wird von entscheidender Bedeutung sein, ebenso wie die Begrenzung der Gewinnung fossiler Brennstoffe, die Vermeidung des Einschlusses von Sedimenten in Dämmen und Stauseen, die Verringerung übermäßiger Grundwasserentnahme und die Erhaltung oder Wiederherstellung der Küstenvegetation“, schreiben die Forscher.

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