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Einen Wildfisch zu essen, entspricht dem einmonatigem Konsum von verseuchtem Wasser.

© picture alliance/Danny Lawson/PA Wire/dpa

Als tränke man verseuchtes Wasser: Fluss- und Seefische stark mit Chemikalien belastet

Forschende weisen die Übertragung polyfluorierter Chemikalien vom Speisefisch auf den Menschen nach. Einen Wildfisch zu essen, entspricht dem einmonatigen Konsum von verseuchtem Wasser.

Wer einen Süßwasserfisch isst, der in einem Fluss oder See in den USA gefangen wurde, nimmt einer Studie zufolge eine so große Menge langlebiger und potenziell gesundheitsschädlicher Chemikalien auf, als würde er einen Monat lang stark belastetes Wasser zu sich nehmen. Pro Kilogramm Wildfisch hätten sie im Durchschnitt 9,5 Mikrogramm per- und polyfluorierte Chemikalien (PFAS) gefunden, berichten die Wissenschaftler in der Zeitschrift „Environmental Research“.

PFAS kommen in vielen Produkten wie Shampoos oder Make-up, in Beschichtungen sowie in Verpackungen vor und zerfallen nur sehr langsam. Sie werden daher auch „ewige Chemikalien“ genannt, die sich seit Jahren in der Umwelt verbreiten und bei Messungen im Wasser und in der Luft nachgewiesen werden. Zur Gruppe der PFAS gehören Tausende Chemikalien.

Per- und polyfluorierte Chemikalien (PFAS) sind wahrscheinlich die größte chemische Bedrohung für die Menschheit im 21. Jahrhundert.

Patrick Byrne, Experte für Umweltverschmutzung an der John-Moores-Universität im britischen Liverpool

Die Chemikalien wurden in den 1940er Jahren entwickelt, um wasser- und hitzebeständig zu sein. Da sie sich so gut wie nicht zersetzen, sammeln sie sich im Laufe der Zeit in der Luft, im Boden, im Wasser von Seen und Flüssen, in der Nahrung sowie im Körper an. Sie werden mit einer Reihe ernster Gesundheitsprobleme in Verbindung gebracht, darunter Leberschäden, hohe Cholesterinspiegel, verminderte Immunreaktionen und verschiedene Arten von Krebs.

Grenzwert um das 2400-Fache überschritten

Für ihre Studie analysierten die Forschenden zwischen 2013 und 2015 rund 500 Proben von Fischen, die aus Seen und Flüssen gefangen worden waren. Sie stellten fest, dass diese 278 Mal mehr PFAS enthielten als kommerziell verkaufte Zuchtfische. Der Konsum eines einzigen Wildfischs entspricht demnach dem einmonatigen Konsum von Wasser, dessen Gehalt an PFAS den von der US-Umweltschutzbehörde empfohlenen Grenzwert um das 2400-Fache überschreitet.

„Ich kann keinen Fisch mehr sehen, ohne sofort an seine Belastung mit PFAS zu denken“, sagte David Andrews von der gemeinnützigen Organisation Environmental Working Group, die die Studie leitete. Die Ergebnisse seien „besonders besorgniserregend wegen der Auswirkungen auf benachteiligte Gemeinschaften, die Fisch als Proteinquelle oder aus soziokulturellen Gründen konsumieren“. Unternehmen, die PFAS herstellten oder nutzten, „haben den Globus kontaminiert, ohne Verantwortung dafür zu tragen“.

PFAS kommen in vielen Produkten wie in Verpackungen vor und zerfallen nur sehr langsam.
PFAS kommen in vielen Produkten wie in Verpackungen vor und zerfallen nur sehr langsam.

© imago images/Ralph Peters

Der Experte für Umweltverschmutzung an der John-Moores-Universität im britischen Liverpool, Patrick Byrne, bezeichnete PFAS als „wahrscheinlich die größte chemische Bedrohung für die Menschheit im 21. Jahrhundert“. Die Studie liefere den „ersten Beweis für eine weitverbreitete Übertragung von PFAS direkt von Fischen auf den Menschen“, sagte Byrne, der nicht an der Studie beteiligt war, der Nachrichtenagentur AFP.

Wäre ein Verbot angebracht?

In der Studie würde gezeigt, dass ein Fünftel der Fische PFAS-Konzentrationen aufweise, die bedenklich für die Gesundheit sein könnten. „,Könnten’ heißt nicht, dass das dann zwangsläufig so kommt“, sagte Werner Kloas, Ökotoxikologe und Fischphysiologe vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei Berlin, dem Tagesspiegel.

Er selbst halte das insgesamt für bedenklich und ein Verbot solcher Substanzen für angezeigt, „aber wo genau welche Belastung bei Fischen vorhanden ist, lässt sich nicht wirklich genau sagen“. Es sei weniger belastend, einen Fisch aus Aquakulturkreislauf-Anlagen zu essen, wobei jedoch auch das Futter dieser Fische entsprechend untersucht werden müsste. „Aber in solchen Aquakulturen sind zumindest die Wasserbelastungen minimal“, so Kloas.

Zudem seien Fische nicht die einzigen Nahrungsmittel, die mit PFAS belastet seien, sodass eine Vermeidung von Fisch aus dem Freiland oder Meer auch nicht vollständig schütze. Wie so oft seien weiterführende Studien notwendig, „zumal unter PFAS circa 4700 verschiedene Substanzen summiert werden und hier jede einzelne ihr spezifisches toxikologisches Potenzial hat – auch wenn insgesamt wohl recht ähnliche Wirkungen dabei herauskommen“. Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIFE) wollte sich auf Anfragen nicht äußern.

Vergangene Woche hatten Deutschland, Dänemark, die Niederlande, Norwegen und Schweden einen gemeinsamen Vorschlag zur Beschränkung von PFAS bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) eingereicht. Die Länder fordern laut der ECHA eine EU-weite Regelung, weil die Verwendung von PFAS bislang nicht ausreichend kontrolliert werde. (AFP, rif)

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