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„Die Säulen der Schöpfung“ im etwa 6500 Lichtjahre entfernen Adlernebel.

© Foto: dpa/ESA/Webb/Space Telescope Science Institut

Weltraumteleskop Webb: Das Beste, was der Wissenschaft 2022 passieren konnte

Die Bilder des 11-Milliarden-Apparats begeistern Forscherinnen und Forscher. Jetzt ist das Teleskop vom Fachblatt „Science“ als wissenschaftlicher Durchbruch 2022 gekürt worden.

| Update:

Immer kurz vor Weihnachten kürt die Redaktion des Wissenschaftsmagazins „Science“ den „Durchbruch des Jahres“. Nicht überraschend ist es dieses Mal das Weltraumteleskop „Webb“, eine Kooperation von Nasa, Esa und der kanadischen Weltraumagentur CSA.

Fast drei Jahrzehnte dauerten die Vorbereitungen, die Kosten summierten sich auf 11 Milliarden Dollar, bis es schließlich am ersten Weihnachtsfeiertag 2021 mit einer Ariane-5-Rakete ins All flog. Es wurde, von der Sonne aus gesehen, 1,5 Millionen Kilometer hinter der Erde positioniert, damit die Strahlen unseres Muttersterns die empfindlichen Messungen nicht stören.

Ein heller Stern im Zentrum des Planetarischen Nebels NGC 3132.

© IMAGO/UPI Photo

Uralte Galaxien sichtbar

Während das „Hubble“-Weltraumteleskop vor allem im sichtbaren Licht beobachtet, ist der nach dem früheren Nasa-Administrator James Webb benannte Nachfolger auf Wellenlängen im Infrarot spezialisiert. So kann es auch das Licht sehr alter Galaxien analysieren, das durch die andauernde Ausdehnung des Universums heute in den infraroten Teil des Spektrums verschoben ist.

Ich tue mich schwer mit großen Worten, aber Webb ist wirklich eine Revolution.

Paul Mollière, Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg

Zunächst musste der 6,5 Meter große Hauptspiegel aus goldbeschichteten Beryllium-Elementen aufgeklappt werden sowie ein tennisplatzgroßes Sonnensegel aus fünf Lagen Folie. Schrittweise wurden die Geräte in Betrieb genommen, seit Ende Juni macht Webb endlich Forschung.

Und wie – das Teleskop habe tausende neue Galaxien entdeckt, bis zu 150 Millionen Jahre älter als die bis dato mit „Hubble“ erfassten Systeme, lobt die „Science“-Redaktion. „Das Teleskop kann genug Licht auffangen, um für astronomische Objekte wie junge Sterne und Exoplaneten zu ermitteln, woraus sie bestehen und wie sie sich im Universum bewegen.“

Der Galaxienhaufen SMACS 0723, das erste vom James-Webb-Weltraumteleskop aufgenommene und von der Nasa veröffentlichte Bild.

© Space Telescope Science Institut/NASA/ESA/CSA/dpa

Einer der Wissenschaftler, die mit diesen Daten arbeiten, ist Paul Mollière vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg. „Ich tue mich schwer mit großen Worten“, sagt er, „aber Webb ist wirklich eine Revolution.“ Die Präzision sei überwältigend. „Wo wir anhand der Hubble-Daten den Verdacht hatten, da könnte ein bestimmtes Molekül in einem Stern oder einem Exoplaneten enthalten sein, sehen wir das nun mit Webb glasklar.“

Indizien für Leben im All

Denn jede chemische Verbindung hat eine charakteristische Signatur in den Wellenlängen des ausgesendeten Lichts. So hat das Team unter anderem den Exoplaneten VHS 1256-1257b beobachtet, einen Gasriesen, noch etwas größer als Jupiter. „Anhand der Messungen wissen wir, dass er Wolken aus kleinen Partikeln Silikatgestein haben muss, die dort in einer gut 1300 Grad Celsius heißen Atmosphäre kondensiert sind“, sagt Mollière.

Ein Blick auf den Carina-Nebel.

© NASA, ESA, CSA, and STScI/dpa

Astronomen hatten schon länger vermutet, dass Exoplaneten mit Atmosphäre oft Wolken haben, die die Messungen beeinflussen. Doch es gab auch andere Erklärungsversuche wie ungewöhnlich kalte Schichten in der Lufthülle. Mit Webb konnte die Frage nun beantwortet werden.

Eine Ansammlung von fünf Galaxien.

© NASA, ESA, CSA, STScI, Webb ERO Production Team/Handout via REUTERS

So bedeutsam die Fortschritte sind, das neue Teleskop macht die älteren damit nicht nutzlos. Da Hubble in anderen Wellenlängen forscht, ließen sich damit beispielsweise Metalloxide in fernen Objekten identifizierten, sagt der Heidelberger Astronom. Der alte Apparat ist wie eine zweite Kamera, die anders auf die Dinge schaut und beiträgt, ein besseres Bild zu erhalten. „Zudem nutzen wir auch Großteleskope auf der Erde, etwa in Chile“, sagt Mollière. Damit ließen sich unter anderem mittels Dopplereffekt die Windgeschwindigkeiten in den Atmosphären ferner Exoplaneten ermitteln. Das gehe rasch bis zu einigen Kilometern pro Sekunde, berichtet der Forscher.

Zumindest diese Superorkan-Welten dürften kaum ein Ort für Leben sein. Aber andere Himmelskörper kommen durchaus dafür infrage.

Webb wird jedoch allenfalls Indizien für fernes Leben finden. Für einen handfesten Nachweis ist das Teleskop nicht präzise genug. Das könnte einem Nachfolger gelingen. Ideen dafür werden bereits diskutiert. 

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