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Guppys sind schön bunt, haben aber auch innere Qualitäten.

© mauritius images / Photoshot Creative/Paulo de Oliveira

Wildwechsel: Mutig wie ein Guppy

Warum sich vorwagen, wenn das andere übernehmen könnten? In Gruppen sind Freiwillige teils schwer zu finden, auch wenn das letztlich allen schaden könnte. Nicht so unter Guppys.

Eine Kolumne von Patrick Eickemeier

Mutig „wie ein Löwe“ heißt es, wenn sich Mensch oder Tier einer Auseinandersetzung stellen, obwohl sie sich damit in Gefahr begeben. Der anerkennende Vergleich wird meist aus sicherer Entfernung gezogen, von jenen, die froh sind, dass jemand anderes sich vorwagt – mutig wie ein Löwe.

Dabei müssen Löwen in ihrem Alltag selten gefährliche Situationen bestehen. Sie sind die Topräuber in ihrem Lebensraum, ihren Beutetieren und auch konkurrierenden Raubtieren körperlich überlegen – und klug genug, sich bei einem ungünstigen Kräfteverhältnis zurückzuziehen. Sollte man Mut da nicht eher am anderen Ende der Nahrungskette suchen?

Ein britisches Forschungsteam wurde dort kürzlich fündig oder wies zumindest nach, dass sich auch Tiere ohne große Kraft, Klauen und Reißzähne gefährlichen Situationen stellen. „Mutig wie ein Guppy“, sollte es demnach heißen, denn die kleinen Fische meistern eine Situation, in der Menschen der Mut regelmäßig versagt: das Freiwilligendilemma. Es besteht darin, dass Individuen in einer Gruppe wenig bereit sind, mit anderen zu kooperieren, etwas für sie zu tun – umso weniger, je größer die Gruppe ist. Warum sich vorwagen, wenn das so viele andere übernehmen könnten?

Guppys fragen sich das nicht. Konfrontiert mit einem potenziellen Räuber – einem Tonmodell eines Hechtbuntbarschs – waren einzelne Guppys aus größeren Gruppen eher bereit, sich ihm zu nähern, um Informationen für die Gruppe zu sammeln, berichtete das Team um Rebecca Padget von der University of Exeter im Fachjournal „Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences“.

Unter den mutigen Guppys fanden die Forschenden allerdings keine besonders mutigen.

© Rebecca Padget

„Wenigstens ein Guppy muss sich nähern, um herauszufinden, ob eine Bedrohung besteht“, erklärt die Hauptautorin. Zwar könnte das Individuum gefressen werden. Wenn aber kein Guppy das Risiko eingeht, ist die gesamte Gruppe in Gefahr. Raubfische, die nicht inspiziert werden, greifen häufiger an, sagte Padget dem Tagesspiegel. „Wenn sich keiner vorwagt, könnte das für die Tiere in der Gruppe sogar gefährlicher sein, als es selbst zu tun.“

Es sei bekannt, dass Guppys unterschiedliche Persönlichkeiten haben. „Es könnte also sein, dass größere Gruppen eher kooperative Individuen enthalten“, so die Biologin. Aber sind sie auch „mutig“? „Kühnheit, wie sie in der Tierliteratur oft genannt wird, kann verschiedene Verhaltensweisen beschreiben“, sagt Padget. Die Inspektion von Raubtieren sei eine davon. Die kooperativeren Individuen könnten auch andere Eigenschaften haben, die mit Kühnheit in Verbindung gebracht werden. In den Experimenten tat sich aber kein besonders mutiges damit hervor, die Raubfischattrappe näher oder länger zu inspizieren als andere. Die sich vorwagten, waren wahrscheinlich ganz normale Guppys.

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