zum Hauptinhalt
Wölfe suchen sich in Deutschland heute andere Reviere als die ersten zurückkehrenden Rudel.

© Jan Zwilling/Leibniz-IZW

Wölfe nehmen auch Reviere in B-Lagen: Menschenfern, deckungsreich, mit Beuteanbindung und unbesetzt

Wölfe beziehen in Deutschland heute andere Reviere als die ersten zurückkehrenden Tiere. Die Kriterien bei der Reviersuche zeigen, wo weitere Rudel ansässig werden könnten.

Seit 23 Jahren bringen frei in Deutschland lebende Wölfe Welpen zur Welt. Weitere Tiere wanderten hinzu, Rudel wuchsen und Tiere suchten neue Reviere: zuerst in der Lausitz und mittlerweile in weiten Teilen Deutschlands. Wo sie in Zukunft fündig werden dürften, zeigt jetzt ein Vergleich unterschiedlicher räumlicher Modellierungsverfahren, der auf den Verbreitungsdaten aus den vergangenen 20 Jahren beruht.

Die Studie eines Teams um zwei Forscherinnen vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin (Leibniz-IZW) zeigt auch, wie vielschichtig der Prozess der Wiederbesiedelung ist, und dass die Tiere sich bei der Revierwahl heute anders verhalten können als die ersten Rückkehrer.

Etwas weiteres hat sich verändert: In Regionen mit erhöhtem Rissvorkommen – wo Wölfe Schafe oder gelegentlich auch andere Nutztiere töten – sollen Abschüsse der geschützten Art erleichtert werden. Zu verstehen, wie Wölfe ihren ursprünglichen Lebensraum in Deutschland wiederbesiedeln, und verlässliche Vorhersagen ihrer möglichen künftigen Verbreitung sind Grundlage des Wolfsmanagements.

Veränderte Ansprüche

„Es besteht Grund zur Annahme, dass die Wiederbesiedelung Deutschlands durch den Wolf von sich verändernden Rahmenbedingungen geprägt ist“, sagt Stephanie Kramer-Schadt, Leiterin der Abteilung für Ökologische Dynamik am Leibniz-IZW. Zum einen finden Wölfe in Regionen, in die sie vordringen, ganz unterschiedliche Umweltbedingungen, etwa in Ostdeutschland im Vergleich zum dichter besiedelten Rhein-Ruhr-Gebiet.

184
Wolfsrudel wurden im Monitoringjahr 2022/2023 gezählt. Dazu kamen 47 Paare und 22 territoriale Einzeltiere.

Zudem zeigen Wölfe heute bei der Reviersuche unterschiedlich stark ausgeprägte Präferenzen. Grundsätzlich bevorzugen sie Lebensräume mit vielen Möglichkeiten, Deckung zu finden. Außerdem halten sie sich gerne in erheblicher Entfernung vom Menschen, seinen Siedlungen und Straßen auf. Doch wie das Team nun in der Fachzeitschrift „Diversity and Distributions“ berichtet, haben sich die Präferenzen seit der frühen Phase der Wiederbesiedlung verschoben: von einem sehr wählerischen Verhalten hin zu vergleichsweise geringeren Ansprüchen.

„Modelle, die mit Daten aus frühen Wiederbesiedlungsphasen erstellt wurden, könnten die Eignung von Habitaten für späte Phasen unterschätzen“, wird Erstautorin Aimara Planillo in einer Mitteilung des Leibniz-IZW zitiert. Weil die Wölfe in frühen Phasen noch die freie Wahl haben und zuerst die besten Reviere besetzen, erscheinen sie anspruchsvoller als sie es in späteren Phasen sind. Benachbarte B-Lagen werden in späteren Phasen ebenso zuverlässig besiedelt, konnten die Autor:innen in vielen Regionen Ostdeutschlands nachweisen.

Die besten Lebensräume finden Wölfe im Norden und Nordosten sowie im Süden Deutschlands, im Westen dagegen Habitate von eher geringerer Qualität. Im Süden Bayerns und in einigen Waldgebieten Mitteldeutschlands – im Harz sowie in Spessart, Odenwald und Rhön – waren zum Zeitpunkt der Analysen noch größere und sehr gut geeignete Lebensräume unbesetzt, wo Wölfe wahrscheinlich zuerst ansässig würden. Nach aktueller Datenlage ist das mittlerweile auch passiert, teilte das Leibniz-IZW mit. Die Forschenden erwarten, dass über die Zeit auch Lagen mittlerer Güte besiedelt würden. „Bisherige Habitatmodellierungen sind wohl in der Tendenz zu konservativ“, sagt Kramer-Schadt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false