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Außenministerin Annalena Baerbock und Chen Min·er, Parteisekretär der Stadt Tianjin, unterhalten sich im Saal des Gästehauses.

© dpa/Soeren Stache

Update

Außenministerin zu Besuch in China: Baerbock pocht auf Deeskalation in Taiwan-Konflikt

Eine diplomatisch schwierige Mission: Außenministerin Baerbock ist zu Besuch in China. In Gesprächen prangerte sie auch die Verschlimmerung der Menschenrechtslage an.

| Update:

Bei ihrem China-Besuch hat Bundesaußenministerin Annalena Baerbock die Bedeutung einer Deeskalation im angespannten Verhältnis zwischen China und Taiwan hervorgehoben. 50 Prozent des Welthandels und 70 Prozent der Halbleiter passierten die Straße von Taiwan, sagte Baerbock am Donnerstag im chinesischen Tianjin.

„Das heißt, die freie Zufahrt in die Straße von Taiwan ist auch in unserem eigenen wirtschaftlichen Interesse“, betonte sie. Die Spannungen in der Region könnten Deutschland und der EU damit „nicht egal sein“.

Eine militärische Eskalation zwischen China und Taiwan wäre „ein Worst-Case-Szenario weltweit, aber besonders für uns als eine der größten Industrienationen“, sagte Baerbock. Daher bemühe sich die Bundesregierung gemeinsam mit Partnern weltweit, die Spannungen in der Region abzubauen und eine weitere Eskalation zu verhindern.

Baerbock prangert Verschlimmerung der Menschenrechtslage an

Bei ihrem Besuch hat Baerbock auch auf eine Verschlimmerung der Menschenrechtslage hingewiesen. Sie habe ihrem Amtskollegen gesagt, „dass wir es mit Sorge sehen, dass Freiräume für zivilgesellschaftliches Engagement in China immer weiter schrumpfen und Menschenrechte beschnitten werden“, erklärte Baerbock am Freitag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Außenminister Qin Gang in Peking.

Die Einhaltung der Menschenrechte liege auch im wirtschaftlichen Interesse, betonte die Außenministerin. „Wo Firmen sich Vorteile auf Kosten der Menschenrechte verschaffen, gibt es keinen fairen Wettbewerb“, sagte sie.

Baerbock verwies auf den Ende August veröffentlichten Bericht der damaligen UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet, der „schwere Menschenrechtsverletzungen“ in der Region Xinjiang angeprangert hatte und konkrete Empfehlungen enthielt. „Eine Zusammenarbeit mit dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen zur Umsetzung dieser Empfehlung würden wir begrüßen“, sagte Baerbock.

Zentrale Gespräche für Freitag geplant

Die Bundesaußenministerin war am frühen Donnerstag in der Hafenstadt Tianjin zu ihrem mit Spannung erwarteten Antrittsbesuch in China eingetroffen.

Dort besuche die Ministerin das deutsche Unternehmen Flender, das Getriebe für Windturbinenhersteller produziert, hieß es auf der Website des Ministeriums. Außerdem war demnach geplant, dass Baerbock in Tianjin am Deutschunterricht einer Partnerschule der sogenannten Pasch-Initiative des Auswärtigen Amts teilnehmen sollte. Die zentralen politischen Gespräche sind am Freitag in Peking geplant.

Mit dem 2008 vom Auswärtigen Amt gegründeten Pasch-Projekt „Schulen: Partner der Zukunft“ werden nach Angaben der Initiative weltweit mehr als 2000 Schulen vernetzt, an denen Deutsch einen besonders hohen Stellenwert hat.

Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) besichtigt die Flender GmbH. Das Unternehmen fertigt Getriebe für die industrielle Anwendung.

© dpa/Soeren Stache

Die Pasch-Partner beraten Schulleitungen, Ministerien und Schulen bei der Entwicklung des Deutschunterrichts. Entsandte Expertinnen und Experten betreuen die Schulen vor Ort und unterstützen beim Ausbau des Deutschunterrichts.

Die diplomatisch schwierigste Mission?

Angesichts der Rückendeckung Chinas für den Krieg des russischen Präsidenten Wladimir Putin in der Ukraine und der Lage um Taiwan dürfte der Besuch eine der diplomatisch schwierigsten Missionen in Baerbocks bisheriger Amtszeit werden.

Die Vizechefin der deutsch-chinesischen Parlamentariergruppe im Bundestag, Gyde Jensen (FDP), zeigte sich zuversichtlich, „dass die Ministerin sich nicht von China um den Finger wickeln lässt“. Bei Macron habe „die chinesische Charmeoffensive ja offenbar verfangen. Das hat eine fatale Botschaft aus Europa in die Welt gesendet“, sagte Jensen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

„Es geht nicht darum, ob man auf Seiten der USA oder Chinas steht - sondern um die Verteidigung liberaler Werte und unserer regelbasierten Ordnung“, sagte die FDP-Politikerin.

Der taiwanische Vertreter in Deutschland äußerte die Hoffnung, dass Baerbock bei ihrem China-Besuch „Klartext“ sprechen werde. Die Ministerin solle in Peking unterstreichen, „dass Deutschland jeden Versuch Chinas ablehnt, die Taiwan-Frage mit Gewalt zu lösen,“ sagte Jhy-Wey Shieh dem „Tagesspiegel“.

China baut militärischen Druck auf Taiwan weiter aus

Mit verstärkten Einsätzen seiner Kriegsschiffe und Flugzeuge in der Nähe Taiwans hält China den militärischen Druck auf die demokratische Inselrepublik aufrecht.

Auch nach dem Ende dreitägiger Großmanöver am Montag seien innerhalb eines Tages bis Donnerstagmorgen wieder 26 Flugzeuge und sieben Marineschiffe entdeckt worden, berichtete das Verteidigungsministerium in Taipeh. 14 der Flugzeuge hätten die früher noch respektierte, nicht offizielle Mittellinie in der Meerenge der Taiwanstraße überquert und seien in Taiwans Luftüberwachungszone (ADIZ) eingedrungen.

Die militärischen Muskelspiele Chinas, die der Einschüchterung Taiwans und Warnung vor Unabhängigkeitsbestrebungen dienen, überschatten den ersten Besuch von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock in China.

Ukraine sei oberste Priorität

Baerbock erklärte vor ihrer Abreise nach China, sie werde dem Thema Ukraine-Krieg oberste Priorität bei ihrem Besuch einräumen. Als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat trage China eine „besondere Verantwortung für den Weltfrieden“, betonte die Ministerin. „Welche Rolle China mit seinem Einfluss auf Russland übernimmt, wird für ganz Europa und unsere Beziehung zu China Folgen haben“, fügte die Außenministerin hinzu.

Vor dem Abflug warnte Baerbock außerdem vor einem „Horrorszenario einer militärischen Eskalation in der Taiwanstraße, durch die täglich 50 Prozent des Welthandels fließen“.

Für Freitag und Samstag sind laut Auswärtigem Amt unter anderem politische Gespräche Baerbocks mit dem chinesischen Außenminister Qin Gang, dem ranghohen chinesischen Außenpolitiker Wang Yi und dem stellvertretenden Staatspräsidenten Han Zheng geplant. Im Anschluss will die Ministerin am Samstag nach Südkorea weiterfliegen. Am Sonntag reist Baerbock dann noch zum Außenministertreffen der G7-Staatengruppe nach Japan.

Die Spannungen mit China um Taiwan haben jüngst zugenommen. Peking betrachtet die Insel als Teil der Volksrepublik und droht mit einer Eroberung. Das heute 23 Millionen Einwohner zählende Taiwan hat allerdings seit mehr als 70 Jahren eine unabhängige Regierung.

Als Reaktion auf die Visite von Präsidentin Tsai Ing-wen in den USA und ihr Treffen mit dem Vorsitzenden des US-Abgeordnetenhauses, Kevin McCarthy, hatte China großangelegte Manöver abgehalten, um seinen Machtanspruch zu unterstreichen. Dabei war an einem Tag sogar die Rekordzahl von 91 Flugzeugen und 12 Kriegsschiffen beobachtet worden. (AFP/dpa)

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