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Gesundheitsämter besser mit Kliniken und Forschung vernetzen.

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„Behäbiges Schönwettersystem“: Pandemie, Hitze, Energie – wie das Gesundheitswesen krisenfester wird

Die Gesundheitsversorgung der Zukunft muss klimagerecht und sektorenübergreifend funktionieren. Berlins neuer Senat sollte „Resilienz“ zur Chefsache machen.

Etwas hat sich verändert, die Covid-19-Pandemie hatte massive Folgen für unsere Gesundheitssysteme. Seitdem ist „Resilienz“ das Schlagwort, wenn es um die Zukunft der Gesundheitsversorgung geht. Resiliente Gesundheitssysteme sind auf Schocks wie Pandemien, Wirtschaftskrisen oder die Folgen des Klimawandels vorbereitet. Sie sind in der Lage, mit den negativen Folgen von Krisen umzugehen, sich so schnell wie möglich zu erholen, letztlich: Sich an die Krisen anzupassen.

Nicht so in Deutschland. Selten schonungslos ist der Befund des Sachverständigenrats, der das deutsche Gesundheitssystem in seinem aktuellen Gutachten als „behäbiges Schönwettersystem“ beschreibt.

Dabei sind sich Klimaforscher, Mediziner und Gesundheitsexperten einig: Der Klimawandel wird zur größten Bedrohung der globalen Gesundheit. Einem Bericht der Vereinten Nationen zufolge ist fast ein Viertel der Krankheiten auf Umweltfaktoren wie Luft- und Wasserverschmutzung oder giftige Chemikalien zurückzuführen. In Deutschland kosten Hitzesommer inzwischen viele Menschenleben. Allein in Berlin und Brandenburg sind zwischen 2018 und 2020 fast 1400 hitzebedingte Todesfälle registriert worden.

Für ein Klinikbett bis zu 500 Liter Wasser täglich

Und das hat auch auf anderer Ebene mit dem Gesundheitswesen zu tun. Die Stellschrauben für weniger Emissionen und mehr Effizienz allein in den Kliniken sind immens. Ein deutsches Krankenhaus verbraucht in etwa so viel Energie im Jahr wie eine Kleinstadt, ein Klinikbett so viel Energie wie mehrere Einfamilienhäuser und zudem täglich bis zu 500 Liter Wasser. Medizinprodukte und die damit verbundenen Lieferketten machen fast drei Viertel der Emissionen aus.

Es geht um Energie, Beschaffung, Entsorgung, Wasser, Ernährung, Transport, Müll, Gebäude und Produktion. Ein erheblicher Teil von Medizinprodukten lässt sich recyclen und wieder in Stand setzen. Die Stiftung Viamedica am Universitätsklinikum Freiburg beziffert das Einsparpotenzial größerer Krankenhäuser auf 30 Prozent der Energie- und Wasserkosten pro Jahr und Klinik, das sind oft mehrere Millionen Euro.

Die Hauptstadtregion braucht einen ressortübergreifenden Plan, um auf kommende Gesundheitskrisen vorbereitet zu sein und das Ziel der Klimaneutralität zu erfüllen. Dazu drei Vorschläge:

Erstens, Berlin nimmt die globale Initiative „Global Green and Healthy Hospitals“ zum Vorbild und startet gemeinsam mit Brandenburg eine bundesweit ehrgeizige „Green Hospital Initiative“. Grüne Kliniken, die regionale Bedürfnisse, Prävention und ökologisches Wirtschaften verbinden, zudem bis 2035 klimaneutral sind.

Die Berliner Krankenhausgesellschaft schätzt die dafür nötigen Investitionen auf 1,4 Milliarden Euro. Geld, das besser angelegt ist als der Rückkauf von Wohnungen in Höhe von bis zu 30 Milliarden Euro, wie es die Berliner Initiative „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ fordert.

Gesundheitsämter, Kliniken, Forschung vernetzen

Zweitens, müssen der Öffentliche Gesundheitsdienst (also die bezirklichen Gesundheitsämter), die Krankenhäuser, die Medizinforschung und die Industrie stärker zusammenarbeiten. Berlin und Brandenburg sollten ein gemeinsames Kompetenzzentrum dafür errichten. Es braucht einen systematischen Austausch zwischen Praxis und Wissenschaft und die Förderung des Fachs „Öffentliches Gesundheitswesen“ (Public Health) an den Hochschulen.

Drittens braucht es ein sichtbares Bündnis „Klimaschutz und Gesundheit“. Dieses sollte aus der Stadtgesellschaft kommen und alle Akteure aus dem Gesundheitsbereich, angefangen von den Apotheken bis zur Zivilgesellschaft, abbilden. Klimaschutz und Gesundheit fangen bereits in Kitas und Schulen an und hören in Alten- und Pflegeheimen nicht auf. Es geht um Themen wie Ernährung, Bewegung, Hitze, Trinkwasserbrunnen und Grünanlagen. Klimaschutz und Gesundheit sind zwei Seiten einer Medaille und gehören verbunden.  

Der neue Senat muss das Thema „Resilienz“ zur Chefsache machen. Gut wäre es, dafür einen Stab in der Senatskanzlei zu bilden, der die genannten Punkte koordiniert und mit dem Regierenden vorantreibt. „Zukunftshauptstadt Berlin“ lautete der Titel des Koalitionsvertrages von SPD, Grünen und Linken aus dem Jahr 2021. Dem Anspruch gerecht zu werden und aus Krisen doch noch Chancen zu machen, muss zur Aufgabe der neuen Koalition werden.

Co-Autor dieses Beitrags ist Daniel Dettling, der Geschäftsführer des Vereins „Gesundheitsstadt Berlin“.

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