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© Malte Neumann

Update

Bei Weltkriegsgedenken am 8. und 9. Mai: Polizei wird an Ehrenmalen in Berlin präsenter sein als geplant

Die Berliner Polizei wird an den Ehrenmalen in Treptow, Tiergarten und Schönholz mehr Beamte einsetzen als geplant. In Uniform und in Zivil sollen sie ein würdevolles Gedenken sichern.

| Update:

Die Polizei wird nach gerichtlichen Aufhebung der Verbote von russischen und ukrainischen Fahnen am Montag und Dienstag den drei Sowjet-Ehrenmalen deutlich präsenter sein als ursprünglich geplant. Am 78. Jahrestag des Sieges der Alliierten über Nazi-Deutschland werde die Polizei mit 1500 Beamten im Einsatz sein, sagte eine Sprecherin am Montagmorgen dem Tagesspiegel. Es seien sowohl uniformierte Beamte als auch Einsatzkräfte in Zivil unterwegs. Ziel sei es, einen störungsfreien Ablauf und ein würdevolles Gedenken abzusichern.

Das Verwaltungsgericht hatte am Wochenende das von der Polizei verhängte Verbot von ukrainischen und russisch Fahnen aufgehoben. Für ukrainische Fahnen erging die Entscheidung für das Mahnmal in Treptow, die Polizei übertrug die Entscheidung auch auf die Ehrenmale in Tiergarten und Pankow. Die Behörde legte keine Beschwerde ein.

Gegen die Aufhebung des Verbots russischer Fahnen am Ehrenmal in Tiergarten für den 9. Mai hat die Polizei dagegen Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht eingelegt. Mit einer Entscheidung wird für Montag gerechnet. Das Verwaltungsgericht hatte nicht nur Fahnen Russlands und der UdSSR erlaubt, sondern auch Georgsbänder. Sie gelten als Symbol der Unterstützer für den Kriegskurs des Kreml.

Gegen das Verbot russischer Fahnen hatte die Pro-Putin-Aktivisten Elena Kolbasnikova Eilrechtsschutz beim Verwaltungsgericht beantragt. Kolbasnikova gilt als einer der Köpfe der prorussischen Proteste in Deutschland und arbeitete in diesem Zusammenhang auch mit rechtsextremen Politikern zusammen. In den Medien wird sie daher auch als „Putin-Fangirl“ bezeichnet.

Laut Gewerkschaft der Polizei (GdP) gab es seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine rund 500 Straftaten in Berlin, die im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg stehen. „Es steht außer Frage, dass die gerichtlichen Entscheidungen zum morgigen Tag nicht die beste Voraussetzung bieten, um das Gedenken an den Tag der Befreiung angemessen und friedlich über die Bühne zu bringen“, sagte GdP-Sprecher Benjamin Jendro. Die Polizei habe mit den Flaggenverboten versucht, Gefahren- und Konfliktpotenzial für alle Besuchenden der sowjetischen Ehrenmale zu minimieren und die Würde der dort Beigesetzten zu schützen.

„Es ist jetzt nicht auszuschließen, dass der Gedenktag von einigen für eigene Ideologie missbraucht wird, das im Social Media viral geht und es zu Auseinandersetzungen kommt, da es sehr viele Versammlungen gibt und die sich über zwei Tage erstrecken“, sagte Jendro. Die Stimmung sei durch den russischen Angriffskrieg ohnehin aufgeheizt, so dass schon kleine Provokationen zum Beispiel in Form einer Flagge das Fass zum Überlaufen bringen könnten. 

„Für die drei großen Gedenkstätten, für die wir eine besonders große historische Verantwortung haben, bleibt dann bei aufkommender Eskalation nur die Möglichkeit, Zugänge zu schließen, so dass dann nicht jeder dem Tag angemessen gedenken kann“, sagte Jendro. Es werde wegen der aktuellen rechtlichen Situation eine Mammutaufgabe, aber die GdP sei zuversichtlich, „dass die Berliner Polizei die Innere Sicherheit gewährleistet, selbst wenn es es vielleicht nicht nur schöne Bilder geben wird“.

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) gedachte am Mittag in der Neuen Wache Unter den Linden der Opfer des Zweiten Weltkriegs. Dabei war der Botschafter der Ukraine in Deutschland, Oleksii Makeiev. „Nie wieder Krieg – das war die große Hoffnung des Jahres 1945“, sagte Wegner. „Heute, 78 Jahre später, tobt wieder ein brutaler Krieg mitten in Europa.“ Putins Überfall auf die Ukraine habe die europäische Friedensordnung ins Mark erschüttert. Niemals dürfe sich Gewalt gegen die Freiheit durchsetzen. Die Ukraine könne sich der anhaltenden Berliner Unterstützung und Solidarität für ein rasches Ende des russischen Angriffskriegs und für Frieden, Wiederaufbau und Wohlstand sicher sein.

Am Montag wurde bekannt, dass Unbekannte auf dem Gelände eines sowjetischen Ehrenmals in Lübbenau im Spreewald mehrere Grabsteine umgestoßen haben.

Körperliche Auseinandersetzung am Sonntag

Am Sonntagnachmittag hatte es am sowjetischen Ehrenmal an der Straße des 17. Juni in Tiergarten eine Auseinandersetzung gegeben. Sie entzündete sich daran, dass dort Kinder auf Panzer geklettert waren. Ein Objektschützer der Berliner Polizei forderte die Angehörigen dazu auf, das zu unterbinden. Zwischen einem 47-Jährigen und einem Mann (45) entwickelte sich ein Streitgespräch, in dem es um den Krieg in der Ukraine gegangen sein soll. Die 36-jährige Begleiterin des Letzteren trug eine Flagge der Ukraine auf dem Rücken.

Aus der verbalen wurde eine körperliche Auseinandersetzung. Dabei soll der Ältere den Jüngeren geschlagen haben. Angehörige des 47-Jährigen sollen außerdem an der Kleidung des Jüngeren gezerrt haben, der daraufhin zu Boden ging. Als der Objektschützer dazwischenging, wurde er in der Leistengegend von einem Tritt des 45-Jährigen getroffen, der damit nach eigenem Bekunden aber den 47-Jährigen und seine Begleiter treffen wollte. Der wiederum soll den Jüngeren später antisemitisch beleidigt haben.

Am Ende kam der 45-Jährige mit Verletzungen am Kopf in ein Krankenhaus. Der Objektschützer beendet seinen Dienst und wollte gegebenenfalls selbst zum Arzt gehen. Der Polizeiliche Staatsschutz beim Landeskriminalamt ermittelt nun den genauen Hergang. 

So läuft der Montag am Ehrenmal im Treptower Park

Am Montagmorgen ist am Ehrenmal in Treptow wenig los. Dort parken gut zwei Dutzend Einsatzwagen der Polizei, mehrere Gruppen von Beamten patroullieren auf dem Gelände. Vereinzelt legen Passanten Blumen nieder, darunter Erika Flügel (79) und Heinz Mösing (83). Sie gedenken der Gefallenen des Zweiten Weltkriegs und kritisieren die deutsche Außenpolitik: „Der Leitsatz ,Nie wieder Krieg’ gilt schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Wir fordern Verhandlungen statt Krieg.“ Zum Ukraine-Krieg wollen sich die beiden nicht äußern, lassen jedoch Verständnis für Putin anklingen. Das große Polizeiaufgebot kommentiert Flügel so: „Das muss nicht sein. Hier wird niemand aufeinander losgehen.“

Polizei sichert das Gedenken am Ehrenmal im Treptower Park

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Drei jüngere Menschen stehen vor den ersten Teilen einer Bühne. Einer von ihnen ist Andrei Zaitsev. Der 38-jährige Russe gibt an, vor sechs Jahren als politischer Aktivist aus Russland geflohen zu sein. Er sei wegen seines Engagements als Wahlbeobachter inhaftiert worden und nach seiner Entlassung geflohen. Zaitsev und seine Freunde – einer von ihnen ist Ukrainer – unterstützen die Kundgebung und Ausstellung der putinkritischen Organisation „Demokrati-JA“, die hier um 14 Uhr beginnen soll. „Wir haben den Faschismus ein Mal besiegt und werden das auch jetzt tun“, sagt Zaitsev. „Wir verurteilen die Z-Patrioten für den Angriff auf die Ukraine.“

Konstantin (25) engagiert sich beim Protestbündnis „Demokrati-JA“, das sich gegen den russischen Angriff auf die Ukraine positioniert. Konstantin erwartet einen ruhigen Tag, die meisten Veranstaltungen fänden erst morgen statt. „Wir wollen nicht provozieren, aber wir werden auf die Kriegsverbrechen der Sowjetunion und Russlands heute aufmerksam machen.“ In der Ausstellung werden auch ukrainische Flaggen zu sehen sein.

„Wir hoffen, dass es heute und morgen so friedlich wie bisher abläuft und gehen davon aus, dass sich die Menschen nicht durch das Zeigen von Flaggen und Symbolen provozieren lassen“, sagt Polizeisprecher Martin Dams. „Dennoch haben wir uns angesichts des Ukraine-Kriegs mit einem Aufgebot vorbereitet, das die Lage jederzeit deeskalieren kann.“

Um 13 Uhr beginnt die eine Kundgebung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BDA). „Wir überlassen diesen Ort und das Gedenken nicht den Kriegsbefürwortern“, sagt der Geschäftsführer der Berliner Ortsgruppe, Markus Teervooren. „Wir verurteilen den russischen Angriff, wir fordern aber auch ein Ende deutscher Waffenlieferungen und Verhandlungen.“ Für sie sei es ein schwieriger Spagat, hier zu sein, denn die Nachkommen der Befreier kämpften heute gegeneinander. „Wir sind heute hier, weil wir den Kampf gegen den Faschismus im Kontext des Ukraine-Kriegs nicht vereinnahmen lassen wollen.“ Nationalflaggen seien auf der Kundgebung nicht erwünscht.

Die Polizei kontrolliert, welche politische Botschaften auf Bannern der VVN-BDA-Kundgebung zu sehen sind.

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Das Fest, das die VVN-BDA jährlich am 9. Mai vor dem Ehrenmal veranstaltet, fällt auch in diesem Jahr aus: „So lange Krieg herrscht, können wir hier nicht feiern.“

Polizisten forderten kurz vor der Kundgebung eine Teilnehmerin dazu auf, eine Flagge der Sowjetunion wieder einzupacken und begründet das damit, dass die verhängte Allgemeinverfügung weiterhin das Zeigen russischer Flaggen untersage. Mehrere Teilnehmer zeigen statt der Sowjetflagge allerdings schlichte rote Fahnen.

Etwa 150 Teilnehmer hören einen Redebeitrag von Anita Prestes, die als Tochter der im KZ ermordeten brasilianischen Kommunistin Olga Benario in 1936 in einem Berliner Gefängnis geboren wurde. „Wir kämpfen gegen den Faschismus, immer und überall“, sagt die 89-jährige Historikerin.

Später sprach Gregor Gysi. „Der 8. Mai ist der wichtigste Tag in der deutschen Geschichte. Der 8. Mai verpflichtet uns zu zwei unverzichtbaren Grundsätzen: nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus“, begann er seine Rede. Das Publikum reagierte mit lautem Applaus. Gysi verurteilte den Ukraine-Krieg: „Der russische Angriff ist durch nichts zu rechtfertigen, auch wenn die NATO Fehler gemacht hat. Russland hat andere Mittel, um seine Sicherheitsinteressen friedlich durchzusetzen.“ Danach war der Applaus verhalten.

„Ich möchte mich vor allen Aliierten verneigen und den 8. Mai zum Feiertag machen“, sagte Gysi am Ende seiner Rede.

„Demokrati-JA“ eröffnete eine Ausstellung. Auf Plakaten in russischer und deutscher Sprache werden die Verbrechen der Sowjetunion seit 1945 dargestellt. Auf anderen Plakaten sind Slogans gegen Krieg zu lesen.

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Der Mitgründerin der Initiative, Lisa Wolfson, ist es wichtig, einen Bezug zwischen der Sowjet-Vergangenheit und dem Ukraine-Krieg herzustellen. „Putin nutzt den Sieg im Zweiten Weltkrieg über den Faschismus als Narrativ im Ukraine-Krieg.“ Die Ausstellung bleibt über Nacht vor Ort, ab 17 Uhr gibt es heute und morgen Programm. Nach heftigen Anfeindungen im Tiergarten im letzten Jahr sei es dieses Jahr bisher friedlich, auch die Ukraine-Flagge habe bisher keine Provokationen ausgelöst.

Vertreter:innen der Linken legen Blumen nieder.

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Kurz nach 15 Uhr legen der Bundes- und Landesvorstand der Linken Blumen an der Statue „Mutter Heimat“ nieder. Nach der Blumenniederlegung leert sich der Gedenkort merklich. Bei den Kundgebungen sind nur noch wenige Leute. 

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