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Sprachen lernen kann man auf die traditionelle Art im Klassenzimmer oder im Netz, wo es inzwischen auch „Klassenunterricht“ gibt.

© picture alliance / Klaus-Dietmar/Klaus-Dietmar Gabbert

Sprachen lernen im Netz: Berliner Plattform Babbel hat die Börse im Blick

Corona hat den Trend zum Online-Lernen beschleunigt, auch in diesem Jahr wächst der Umsatz zweistellig. Babbel ist das erfolgreichste Start-up der Förderbank IBB.

Im Rückblick auf die letzten 15 Jahre kommt Marco Zeller ins Schwärmen. „Die haben das grandios gemacht“, sagt der Mann von der Investitionsbank Berlin (IBB) über die Gründer der Sprachplattform Babbel. Als Chef der IBB Beteiligungsgesellschaft lernte Zeller die Jungunternehmer 2008 in Kreuzberg kennen. „Kann das funktionieren, dass man im Internet Sprachen lernt? Diese Frage haben wir uns gestellt“, erzählt Zeller. Und mit Ja beantwortet.

Das Gründungsteam hatte den Banker überzeugt. Einer besaß die Idee, ein anderer das technische Verständnis, ein Dritter baute die Plattform, und ein Management-Talent war auch dabei. Gemeinsam mit einem privaten Investor unterstützte die landeseigene IBB den Start der Sprachplattform mit knapp einer Million Euro. „Wir haben nicht sehr viel für unsere Anteile gezahlt“, sagt Zeller im Gespräch mit dem Tagesspiegel. An späteren Finanzierungsrunden beteiligte sich die IBB und war schließlich mit gut 3,5 Millionen Euro dabei.

„Wir beginnen mit 400.000 bis 500.000 Euro und investieren insgesamt maximal vier Millionen“, beschreibt Zeller die Politik der Investitionsbank. Die rund zehn Prozent, die die IBB an Babbel hält, dürften heute rund 150 Millionen Euro wert sein. Mindestens.

„Online löst offline ab – Corona hat diesen Megatrend verstärkt“, erklärt Babbel-Mitgründer Thomas Holl die aktuelle Marktdynamik. Auch klassische Sprachschulen hätten inzwischen die Möglichkeiten des Internet-Unterrichts erkannt. In Deutschland und in den USA, in Frankreich und Italien ist Babbel gut bekannt. „Wir haben 16 Millionen Abos weltweit verkauft bisher und gut 2000 Firmenkunden“, sagt Holl im Gespräch mit dem Tagesspiegel.

Für das Abo zahlen die Kunden ab 6,99 Euro pro Monat. Lernprogramme für 14 Sprachen gibt es auf der Plattform, darunter Indonesisch und Türkisch. Gegen einen Aufpreis kann Online-Unterricht in Live-Klassen mit echten Lehrern besucht werden.

Berlin war als Gründungsort perfekt, und jetzt funktioniert hier das Ökosystem.

Thomas Holl, Mitgründer von Babbel

1000 Mitarbeitende

Holl hat sich kürzlich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. „Nach 16 Jahren mache ich jetzt erstmal Pause“, erzählt er in der Firmenzentrale am Ostbahnhof. In dem wuchtigen, schick renovierten Gebäude an der Andreasstraße produzierte die Firma Pintsch im 18. Jahrhundert Beleuchtungssysteme. Es gibt Platz für 1000 Arbeitskräfte – das ist ungefähr die Babbel-Belegschaftsgröße, inklusive der 100 Kolleginnen und Kollegen in New York.

„Berlin war als Gründungsort perfekt, und jetzt funktioniert hier das Ökosystem“, sagt Holl, der vor 48 Jahren in Stuttgart geboren wurde. Die hippe Hauptstadt „ist super, um gute Leute aus aller Welt zu bekommen.“ Aus mehr als 80 Nationalitäten setze sich die Belegschaft zusammen. „Wir leben von Austausch und Diversität.“

Thomas Holl kam 2007 mit drei Kollegen auf die Idee einer Lernplattform, die sich mit Abogebühren finanziert.

© Babbel

Nach dem Studium (Informatik und Betriebswirtschaft) entwickelte Holl eine Musiksoftware für DJs, die an eine Berliner Firma verkauft wurde. So kam er in die Stadt und lernte die späteren Babbel-Kollegen kennen, darunter Lorenz Heine, der Spanisch im Netz lernen wollte, aber kein Angebot fand. Es entstand die Babbel-Idee. Das erste Lernprogramm kam 2010 auf den Markt, Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch und Italienisch waren die ersten Sprachen. 2016 kam mit Polnisch die bislang letzte Sprache hinzu.

Babbels Berliner Office am Ostbahnhof in einem Fabrikgebäude aus dem 19. Jahrhundert.

© MIRELLA FRANGELLA-PHOTOGRAPHY

In den Lockdowns der Coronajahre kauften immer mehr Sprachschüler ein Babbel-Abo, und seitdem geht es richtig voran. Der Umsatz stieg 2022 um 31 Prozent auf 250 Millionen Euro. „Auch in diesem Jahr wachsen wir zweistellig“, sagt Holl, der sich viel verspricht von Firmenkunden. „Früher kam ein Sprachlehrer in die Firma, heute macht das Babbel.“ Den Markt für Sprachkurse beziffert er mit 60 Milliarden Dollar, „mindestens ein Drittel davon entfällt auf Firmenkunden“.

In den USA ist die Nachfrage nach Spanisch groß, in Deutschland lassen Unternehmen ihre Leute vor allem Deutsch bei Babbel lernen, darunter Geflüchtete. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine „haben wir in wenigen Wochen ein Angebot entwickelt und den Geflüchteten sowie Unternehmen zur Verfügung gestellt“, berichtet Holl.

„Mit KI können wir die Inhalte massiv verbreitern und von 60.000 Stunden Content relativ schnell auf 600.000 Stunden kommen.

Thomas Holl, Mitgründer von Babbel

Da der Anteil des Firmenkundengeschäfts unter zehn Prozent liegt, „ist hier noch viel Potenzial“. Auch wegen des Einsatzes Künstlicher Intelligenz (KI). „Mit KI können wir die Inhalte massiv verbreitern und von 60.000 Stunden Content relativ schnell auf 600.000 Stunden kommen bei konstantem Qualitätsniveau“, beschreibt Holl den Effekt und nutzt ein Bild aus der Bauwirtschaft, um KI anschaulich zu machen: „Mit einer Schaufel kann man Löcher graben, aber mit einem Bagger kommt man viel tiefer. Wir schaffen tiefere Inhalten mit den neuen Technologien.“

400
Mitarbeitende allein in der Produktentwicklung

Neue Möglichkeiten mit KI

In der Produktentwicklung beschäftigt Babbel mehr als 400 Mitarbeitende. „Monatlich können wir den Lernerfolg um etwa ein Prozent verbessern“, sagt Holl. Der Erfolg ist messbar respektive die Lehrprogramme lassen sich identifizieren, die nicht oder besonders gut funktionieren. „KI erleichtert uns, Lernformate und -inhalte zu personalisieren.“

Holl hält ebenso wie die anderen Gründer noch Anteile am Unternehmen, das seit einigen Jahren vom früheren Zalando-Marketingchef Arne Schepker geführt wird. Die Babbel-Erfinder und -Miteigentümer haben Platz gemacht für angestellte Manager. „Für mich war das Besondere, wie die Gründer sich entwickelt und verändert haben“, sagt der Banker Zeller. In der Startphase berieten die Kapitalgeber monatlich mit den Gründern über das Geschäft und die Strategie, mittlerweile trifft sich Zeller mit den anderen Anteilseignern einmal im Quartal. „Wir haben aktiv das Management gechallenged“, sagt Zeller. Man kam sich näher im Laufe der Zeit und duzt sich. Der Dresscode ist Casual, mit Anzug und Krawatte geht der Banker schon lange nicht mehr zu den Babbel-Sitzungen.

Marco Zeller von der IBB Venture gehörte zu den ersten Geldgebern.

© IBB

„Gemessen an Umsatz und Arbeitsplätzen ist Babbel die größte unter den rund 250 IBB-Beteiligungen“, berichtet Zeller, der mit seinem Team zwischen 15 und 20 Millionen Euro im Jahr in vielversprechende Firmen investiert. Insgesamt 33 Millionen Euro bekam Babbel von sechs Investoren. Vor zwei Jahren wollten Gründer und Geldgeber dann Kasse machen.

Börsengang abgesagt

Der Börsengang, für den 24. September geplant, wurde wegen der schlechten Stimmung an den Kapitalmärkten abgesagt. Der Unternehmenswert damals: Knapp 1,5 Milliarden Euro. Seitdem hat sich die Babbel-Performance verbessert. Und wenn das Umfeld stimmt, könnte im Herbst 2024 die Börseneinführung nachgeholt werden.

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