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Eröffnung vom Deutschlandmuseum in der (Leipziger Platz 7).

© Sophie Dreier

Von der Varusschlacht bis zum WM-Sommermärchen: Das vermittelt Berlins neues „Deutschlandmuseum“ den Touristen

Das Deutschlandmuseum in Berlin-Mitte will 2000 Jahre und zwölf Epochen so aufbereiten, dass man sie sich innerhalb von einer Stunde angucken kann. Ist die deutsche Geschichte für Infotainment geeignet?

Von der Varusschlacht im Jahre 9 nach Christus ist es nicht weit bis zur Sektion fürs Hochmittelalter. Dort riecht es nach Pferd. Es gibt ein Plumpsklo, in dessen Schacht eine Videoanimation zeigt, was drin liegt – und wie eine Ratte daran nagt. Einen Raum weiter, bei den Aufklärern, kann man sich auf das Gesicht von Immanuel Kant setzen, der als Steinbüsten-Imitat im Riesenformat auf dem Boden liegt. Aus dem nächsten Raum, in dem es um die Märzrevolution 1848 geht, hört man währenddessen schon der Refrain vom Deutschlandlied.

Das Deutschlandmuseum, das am Sonnabend am Leipziger Platz eröffnet hat, will „fundiertes Geschichtswissen“ vermitteln „mit dem Unterhaltungsfaktor eines Themenparks“. Dafür sollen 2000 Jahre und zwölf Epochen so aufbereitet sein, dass man sie sich innerhalb von einer Stunde angucken kann. Ein ziemlich hehrer Anspruch, zumal sich die Frage stellt, ob ausgerechnet die deutsche Geschichte für Infotainment geeignet ist.

Auf der Pressekonferenz, zwei Tage vor der Eröffnung des Museums, sitzen vier Männer auf dem Podium. Darunter ist Robert Rückel, der Geschäftsführer vom Spionagemuseum und neuerdings auch vom Deutschland-Museum. Er erzählt, dass er mit seinen Kindern im Urlaub stets auf der Suche sei, nach einem Museum, das ihnen ein bisschen Geschichtswissen mitgebe, über das Land, in dem sie sich befänden – aber dass er das bislang nirgendwo auf der Welt gefunden habe.

Eröffnung vom Deutschlandmuseum in der (Leipziger Platz 7).

© Sophie Dreier

In Berlin soll sich das jetzt ändern. Der Historiker Christoph Ewering, der ebenfalls auf der Bühne sitzt, sagt, dass sie bei der Konzeption der Ausstellung sich alle zunächst gefragt hätten, was Deutschland für sie sei und welche geschichtlichen Ereignisse sie als wichtig empfänden.

Vier Männer beanspruchen Deutungshoheit

Dabei ist Geschichte immer subjektiv. Und vielleicht finden vier weiße Männer im mittleren Alter andere Vorkommnisse wichtig, als Menschen in einem anderen Alter, mit anderem Geschlecht oder anderer Herkunft. Doch Ewering, Rückel und ihre Kollegen, haben mit dem Deutschland-Museum die Deutungshoheit darüber, was Menschen, die von woanders kommen und wenig über das Land wissen, über es erfahren.

Wenn man dann aber die Ausstellung betritt, ist sie vor allem eins: ein Event, eine Show, ein Erlebnispark. Los geht es im Jahr neun nach Christus bei den Germanen. Man läuft durch einen dunklen Fake-Wald, mit Fake-Waldboden und Fake-Bäumen, vorbei an Monitoren, die das Wissen testen oder auf denen Schattenfiguren Schlachten simulieren.

Eröffnung vom Deutschlandmuseum in der (Leipziger Platz 7).

© Sophie Dreier

Rückel sagt, dass für den Aufbau der Ausstellung vier Millionen Euro investiert worden seien. Der Eintritt soll zwischen elf und 21 Euro – je nach Tageszeit – kosten und dass er mit mindestens 420.000 Besucherinnen und Besuchern im Jahr rechne.

420.000
Besucher erwartet das Museum im Jahr

Das 19. Jahrhundert nimmt ungefähr das letzte Viertel der Ausstellungsfläche ein. Los geht es mit dem Kaiserreich, in dem man sich in einem Fake-Schlachtengraben wiederfindet. Um das Frauenwahlrecht geht es hier nicht, dafür sieht man auf einem Monitor wie Bomben einschlagen und Absperrungen brennen.

Holocaust hält nicht lange auf

Als Nächstes folgt eine künstliche Einkaufspassage, in einer Bar tanzen Figuren und ein Gummiwarenhersteller bietet in seinem Schaufenster Prothesen an. Am Ende der Passage hängen die ersten NSDAP-Plakate. Danach läuft man durch einen dunklen Gang, vorbei an etlichen Holzfiguren, die den Hitlergruß zeigen. Das Setting wirkt bedrohlich, aber erfahren tut man nicht viel über den Holocaust. Nicht, wie viele Konzentrationslager es gab und auch nicht, dass neben fünf bis sechs Millionen Juden auch viele Sinti und Roma, Homosexuelle oder Menschen mit Behinderung ermordet worden sind.

Auf den Zweiten Weltkrieg folgt eine 50er-Jahre-Wohnung, danach ein Themenraum zu den Ost-West-Unterschieden – eine der Ausstellungsflächen mit dem meisten Text – und danach geht man durch eine S-Bahn der 1990er-Jahre, die im letzten Waggon genau so aussieht, wie S-Bahnen bis heute aussehen.

Danach steht man wieder im Vorraum des Museums vor einem runden Tresen, ist nach 2000 Jahren Zeitreise zurück in der Gegenwart und ein bisschen erledigt von den ganzen Eindrücken. Vor der Tür, auf dem Potsdamer Platz, tummeln sich Touristen und Schulklassen auf Berlin-Besuch. Man kann sich schon vorstellen, dass die meisten hier Spaß hätten an der Ausstellung. Nur hoffentlich ist es nicht das Einzige, was sie von der deutschen Geschichte in Berlin mitbekommen.

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