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„Kann man über seinen Schatten springen?“

© Aus der Ausstellung „Blickwechsel“/Debora Ruppert

Ausstellung in Berlin-Mitte: Obdachlose Menschen dokumentieren ihr Leben mit Einwegkameras

816 Tage lang entstanden Aufnahmen, die den Alltag auf der Straße zeigen. Das Projekt der Fotografin Debora Ruppert ist im Berliner Abgeordnetenhaus zu sehen.

Die Fotografin Debora Ruppert will der Stadt zuhören, sagte sie einmal in einem Tagesspiegel-Interview über eine Ausstellung in Wedding. Was bewegt diesen Stadtteil? Ein Teil der Ausstellung waren Porträts von Obdachlosen. Es wurde ein mehrjähriges Projekt daraus, für das Ruppert Menschen auf der Straße fotografierte.

Für ihre aktuelle Ausstellung „Blickwechsel“, die bis 28. Oktober im Berliner Abgeordnetenhaus zu sehen ist, wurden die Porträtierten zu Fotograf:innen. Menschen, die von Obdachlosigkeit betroffen oder bedroht sind, hielten ihren Alltag mit Einwegkameras fest.

Da ist Aaron. Er ist von hinten zu sehen, wie er die Treppen von der U-Bahnstation Samariterstraße nach oben geht. Er kommt gerade vom Friseur bei der Bahnhofsmission am Zoo. „Wochenlang hatte er davon gesprochen, dass er einen Undercut haben möchte“, beschreibt Debora Ruppert die Aufnahme. „Das war der Beginn, dass er wieder zurückgefunden hat in sein altes Leben. Sein Aufstieg von unten nach oben.“

Aaron an der U-Bahnstation Samariterstraße.

© Aus der Ausstellung „Blickwechsel“/Debora Ruppert

Manche Bilder sind poetisch: Ein Foto zeigt einen Fuß, ein Buch und eine Lesebrille auf der Straße und den Schatten eines Menschens. „Kann man über seinen Schatten springen?“, steht darunter. Andere sind traurig: Ein Foto zeigt Eisenstangen und Stacheldraht. „Die Straße ist wie ein Gefängnis. Es ist wie Hölle, ich bin oft allein.“

„Ich suche den Ausgang zu einem besseren Leben.“

© Aus der Ausstellung „Blickwechsel“/Debora Ruppert

816 Tage lang, mit 42 Einwegkameras hielten die Menschen ihr Leben auf der Straße fest. „Einige Kameras gingen verloren, andere kamen zurück und wurden entwickelt, aber die Protagonisten waren nicht mehr auffindbar“, sagt Ruppert.

Andere habe sie wiedergetroffen, um mit ihnen über die Bilder zu sprechen. „Einige wollten sehr gerne porträtiert werden, andere nicht.“ Eine Frau sei während des Projekts verstorben. Manche hätten mittendrin abgebrochen, andere bis zum Ende begeistert mitgemacht.

Die Fotografin hofft, dass die Bilder den Blick auf obdachlose Menschen verändern können. „Damit man ihnen bei der Begegnung in der U-Bahn, vor dem Supermarkt und auf der Straße mit mehr Respekt begegnet“, sagt sie.

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