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Mit Schwung durch die Nacht

© Andreas Ernst / Nachtschicht

Die „Nachtschicht“ hilft: Bis zum Morgen mit Spaß und Kompetenz

Es ist ein Einsatz der Kreativwirtschaft für einen guten Zweck. Im „Change Hub“ wurde gemeinnützigen Organisationen mit Ideen, Beratung und Konzepten geholfen.

Trendig abgetönte Farben, Lounge-Charakter und ein Getränk für die eintreffenden Gäste gibt es am vergangenen Freitagabend auch. Hoch die Hände – Wochenende? Von wegen! Im „Change-Hub“ in der Hardenbergstraße in Berlin-Charlottenburg geht es nun erst richtig los mit der Arbeit.

Zum elften Mal trafen sich zur „Nachtschicht“ die Mitarbeitenden von diversen Berliner Kreativfirmen, um mit Fachwissen, Ideen und Beratung gemeinnützige Vereine und Organisationen bei konkreten Projekten zu unterstützen, wofür diese ansonsten weder Geld noch Kompetenzen hätten. Zumal auch die Ergebnisse ganz außergewöhnlich sind und eine enorme mediale Reichweite haben, die sich kleine Vereine und Organisationen ansonsten überhaupt nicht leisten könnten: kostenlose Medialeistungen, Werbe- und Plakatflächen oder Sendezeit.

Ein echtes Erfolgsmodell: Über die Jahre haben sich rund 600 Non-Profit-Organisationen beworben, und hunderte Webdesigner, Digital-Experten, Kommunikationsberater, Grafiker und Texter aus über 140 Unternehmen haben Tausende von Stunden unentgeltlich an 90 Projekten gearbeitet. Kostenlos arbeiten auch die Organisationen der „Nachtschicht“, das CSR-Netzwerk UPJ, die Kommunikationsagentur OMNIS, die Kongressagentur pcma und das Kommunikationsbüro Kombüse.

Nachtschicht schon in 20 Städten

Eine Idee, die Welle macht und sofort überzeugt. Inzwischen gibt es die „Nachtschicht“ in zwanzig Städten – von Hamburg bis Wien bis Köln. Diesmal hatten sich in Berlin 50 Organisationen beworben; die sieben Projekte wurden nach Machbarkeit in einer Nacht, Relevanz und Vielfältigkeit ausgewählt. In dieser „Nachtschicht“ sind Mitarbeitende aus 22 Unternehmen beteiligt – unter anderem MetaDesign, Dangerous, wirDesign oder Studio.jetzt und dazu etliche selbstständige Kreative.

Einst Bankzentrale, jetzt „Change Hub“

Am Beginn steht ein Kennenlernen im früheren Kassensaal der untergegangenen „Berliner Bank“ in der Hardenbergstraße, dann geht es in eine lange Nacht voller Esprit, Begegnungen und tollen Ergebnissen. Im „Change Hub“, das von der Evangelischen Bank e.G. betrieben wird, können sich die Arbeitsgruppen in sieben Bereiche zurückziehen – und jederzeit für eine kleine Pause ans Buffet treten oder ein Getränk holen. Bei der Mitternachtssuppe können alle gemeinsam noch einmal Luft holen und die Köpfe durchpusten lassen, bevor dann um zwei Uhr die Ergebnisse präsentiert werden.

In sieben Bereichen können die Arbeitsgruppen bei der Nachtschicht im „Change Hub“ gemeinsam arbeiten.

© Andreas Ernst / Nachtschicht

Konzentration und „Teamspirit“, aber auch der Ehrgeiz, ganz besonders gute Lösungen zu präsentieren, treibt die Gruppen an, um in diesen acht Stunden konkrete Ergebnisse zu erarbeiten. „Die Ergebnisse begeistern uns immer wieder“, sagt Cornelia Arras-Hoch, eine der Macherinnen der „Nachtschicht“. Die früheren „Nachtschichten“ hat viele Projekte sichtbarer gemacht, professionalisiert und oft genug die vielfältigen sozialen, ökologischen, politischen und kulturellen Anliegen von Gemeinnützigen in die Öffentlichkeit getragen.

Diesmal war die „Nachtschicht“, die bis zur Pandemie in den Räumen des Tagesspiegels stattfand, ein ganz besonderes Treffen. Nach drei Jahren mit digitalen Workshops fand die Kreativnacht erstmals wieder ganz analog statt. Sieben Organisationen, sieben Aufgaben, sieben Lösungen – da brauchte es konzentrierte Arbeit.

Plakate für die Schuldenberatung

„Wir sind total glücklich“, sagt Tom Rollenhagen über das Ergebnis der langen Nacht. Er ist Geschäftsführer des Deutschen Familienverband Berlin, der in drei bezirklichen Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen überschuldete Berliner berät. Bislang fehlte es an geeigneten Öffentlichkeits- und Werbematerialien, um in Sozialämtern oder Jobcentern auf die Angebote hinzuweisen.

Nun gibt es drei Plakatentwürfe, die vor allem jüngere Menschen ansprechen, und auch für Social-Media nutzbar sind. „Diese fachliche Expertise hätten wir nie bezahlen können“, sagt Rollenhagen. Der Familienverband profitiert auch davon, dass in diesem Jahr die zwei Familienstiftungen Dohle und evm zusätzliche Realisierungshilfe leistet. „Die 2.500 Euro Druckkosten, die evm übernimmt, sind für uns ein echter Lottogewinn“, freut sich Tom Rollenhagen.

Mit Instagram-Account ans Ziel

„Wir sind in der Öffentlichkeitsarbeit nicht so gut aufgestellt, da war es toll, wenn sich Menschen mit Kompetenz so viel Zeit für eine Neuausrichtung nehmen“, sagt Marlene Hempel von Sinneswandel. Das gemeinnützige Unternehmen Sinneswandel gGmbH unterstützt taube, schwerhörige und Menschen mit Hörbehinderung und betreibt eine offene Freizeiteinrichtung, einen bilingualen Kindergarten und neun Wohngemeinschaften. Außerdem werden hörgeschädigte Menschen auf dem Weg in Ausbildung und Arbeit unterstützt. 

So viel Kompetenz und Kreativität - „das ist für uns wie ein Lottogewinn“

© Andreas Ernst / Nachtschicht

Marlene Hempel hat begeistert, wie Spezialisten mit langjähriger Erfahrung im Texten, Framing und Storytelling an einem Social Media Konzept gearbeitet haben – und das in einer tollen Stimmung. Ein Ergebnis ist der Launch eines grafisch anspruchsvollen Instagram-Accounts, um die junge Zielgruppe mit den Angeboten noch besser zu erreichen. Das war dem Team aber noch nicht genug: Sie überarbeiten auch das Corporate Design, die Struktur der Website und entwickelten Ideen, wie die Employer Brand von Sinneswandel aussehen könnte. 

Angesichts der vielen Wahlen in diesem Jahr plant der Bundeszuwanderungs- und Integrationsrat (BZI), ein bundesweiter Zusammenschluss kommunaler Integrations-, Migrations- und Ausländerbeiräte, eine Kampagne für eine stärkere Wahlbeteiligung und will für die Demokratie werben und den Rechtsruck stoppen. Das Kreativteam entwickelte dafür drei Social Media Formate für die Europawahl mit Vorschlägen zur grafischen Darstellung dieser Formate. Und es wurden bereits auch erste exemplarische Social Media Posts getextet. Die Dohle-Stiftung unterstützt die Umsetzung der Ergebnisse.

Für den Verein Alte Feuerwache, seit 1989 ein freier Träger der Kinder- und Jugendhilfe mit fünf Standorten, Stadtteilarbeit, Jugendgästehäusern und einer Bühnenkunstschule, ging es um mehr digitale Sichtbarkeit. Dafür wurde die Struktur der Webseite radikal umgekrempelt, die Zahl der Unterseiten von 166 auf 8 Seiten verknappt.

Storyboard für Videoaktion

Die feministische Frauenrechtsorganisation medica mondiale unterstützt seit 30 Jahren Frauen und Mädchen in Kriegs- und Krisengebieten, die sexualisierte Gewalt erlebt haben, und setzt sich für Frauenrechte und Selbstbestimmung ein. In der Nachtschicht entstand ein Konzept und Storyboard für einen Film, mit dem die Organisation ihre Arbeit überzeugend darstellen kann, um so Menschen zur Unterstützung einzuladen.

Auch die Berliner Aids-Hilfe freut sich über die Ergebnisse der „Nachtschicht“. Aufgabe war es, ein Angebot zu entwickeln für die Ehrenamtlichen der AIDS-Hilfe, die pflegebedürftige Kranke unterstützen. Herausgekommen sind neu gestaltete Folder, Plakate und ein Roll-up, die die wichtige Arbeit der Ehrenamtlichen im „Café Kiki“ anerkennen, wertschätzen und herausarbeiten, was ihren Einsatz dort so unglaublich wichtig macht: Reden, zuhören, Kuchen, Lachen. Auch hier unterstützt die Dohle-Stiftung die Umsetzung.

Der bundesweite Verband Zirkus macht stark e.V. fördert zirkuspädagogische Projekte, um damit Kinder und Jugendliche in Risikolagen zu erreichen. Die Mitarbeiter der Kreativunternehmen entwickelten für den Verband das Konzept eines zeitgemäßen Corporate Designs mit neuer Schrift, neuem Briefpapier und ein neu gestalteter Flyer mit neuem Text und grafischer Gestaltung.

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