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Anja Schäplitz, Lisa Selber, Be van Vark ( im roten Kleid) und Josefa Baum

© Peter Van Heesen

„Tänzer ohne Grenzen“: Tanzfestival bei Stettin, Tanztheater-Filmprojekt in Berlin

Vom internationalen Tanzfestival bis zum Filmprojekt mit Menschen mit und ohne Demenz. Der Verein „Tänzer ohne Grenzen“ will ein Ort der Begegnung und des Austauschs sein – über den Tanz.

Es sind betörende Bilder, so voller Leben und Tanzfreude sind die Fotos. Ein Sommertraum, als im Juni 2023 Hunderte von Tänzer:innen aus Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Polen gleichzeitig auftraten, gefeiert von achthundert Zuschauer:innen in der Parkkapelle Battinsthal. Am partizipativen Tanzprojekt des gemeinnützigen Vereins „Tänzer ohne Grenzen“ e.V. beteiligten sich Bewohnerinnen des Seniorenheims „Abendsonne“ Penkun ebenso wie die Kinder der Grundschule Penkun und des Kindergarten „Pusteblume“.

Dabei waren auch die Landfrauengruppe Schwennenz und die Seniorensportgruppe Krackow, die Schüler:innen der Freien Schule Wallmow, der Anglerverein Krackow und die Jagdhornbläser Penkun, sowie der deutsch-polnische Chor aus Brüssow oder der Oldtimerverein Krackow. Außerdem auch zwei polnische Gruppen – das Teatr Tańca EGO VU Gryfino und die Gmina Kołbaskowo. Wenn Anja Schäplitz davon erzählt, leuchten immer noch ihre Augen und die Bewegungen ihrer Arme werden fließend.

Mehr als zwanzig Gemeinden waren daran beteiligt, um das Tanztheater „Das Fest – Tanz auf dem Plateau“ zur großen Aufführung zu bringen. Nahezu ein Jahr dauerten die Vorbereitung und die Proben dafür. Mit jeder der Gruppen wurde einzeln geprobt, bis jede:r seine Rolle gefunden hatte und das große Fest angerichtet war. Eine Festtafel als Ort der Begegnung und des Austausches bildet das Grundgerüst des Stücks, um die sich die Tanz-, Theater- und Musikgeschichten abspielen. Dabei wurden die Szenen und Geschichten von den Mitwirkenden mit dem Künstlerteam gemeinsam entwickelt und inszeniert.

Unendlich viele Gespräche habe es gebraucht, die Menschen zum Mitmachen zu bewegen – zumal die Menschen in Vorpommern nicht gerade zu überschwänglicher Offenheit neigen. Aber der beharrliche Einsatz habe sich gelohnt, erzählt die Tänzerin und Choreografin Anja Schäplitz. Im kommenden Sommer soll es wieder einen großen Auftritt geben – diesmal auf der polnischen Seite, in der Nähe von Stettin.

Verein sitzt im Schillerkiez

Es ist eines der zahlreichen Projekte, dem sich der seit 2011 bestehende Verein widmet. „Für das Recht zu leben, anstatt nur zu überleben“, ist der Leitspruch des Vereins, der im Neuköllner Schillerkiez seinen Sitz hat. Leidenschaft und die Lust an Experimenten sind bei den Akteur:innen des Vereins zu spüren. Neben der künstlerischen Leiterin Be van Vark, die für ihre Arbeit schon mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnete wurde, und Anja Schäplitz, die lange in London und Stockholm gearbeitet hat, bringen sich ganz viele kreative Köpfe ein – neben Tänzer:innen auch Kostümbildner:innen, Pädagog:innen, Therapeut:innen, Musiker:innen und Komponist:innen oder Videokünstler:innen. Mit ihrer Arbeit möchten sie dazu beitragen, „gesellschaftliche Veränderung aktiv zu gestalten, an Demokratisierungsprozessen mitzuwirken und so die Zivilgesellschaft zu stärken“.

Dafür steht etwa das Projekt "Lichtblicke", ein partizipatives inklusives Tanztheater und Filmprojekt mit Menschen mit und ohne Demenz und einer Gruppe von Künstler:innen aus der Tanz-Theater- und Filmszene aus Berlin. Ein Ziel des Vereins, der unter anderem von der Stiftung Berliner Sparkasse gefördert wird, sei es, Inklusion und kulturell-gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Das Tanztheater-Filmprojekt möchte weiterhin auf den gesellschaftlichen Zustand und den Umgang mit Alter, Demenz, Herkunft und sexueller Orientierung hinweisen und sensibilisieren und zur Gestaltung einer diskriminierungsfreien Gesellschaft beitragen. Verloren geglaubte Ressourcen und Erinnerungen können etwa durch Tanz, Theater und Musik reaktiviert werden.

Anja Schäplitz schildert beredt, wie eine 96-jährige, schwer demente Frau sich der Musik öffnet und mittanzt, wie alte Menschen durch Berührungen und Bewegungen den eigenen Körper wieder spüren oder wie ein Strahl hellen Lebens aus einem Mann im Rollstuhl beim Mitsingen eines Lieds aus seiner Jugend hervorbricht. Neugierig sein, sich einzulassen und Vertrauen zu finden, das sei für viele Menschen sehr schwer, sagt Schäplitz. Zu erreichen, dass Menschen sich öffnen und sich selber fühlen, benötige viel Zeit. Gerade ist sie dabei, im Bezirk Tiergarten ein Projekt mit einem Kinder- und Jugendprojekt vorzubereiten. Sehen kann man das Ergebnis des Projekts „Lichtblicke“ bei der Filmpräsentation am 17. Februar von 15 bis 17 Uhr im Jugend Museum Schöneberg, Hauptstraße 40/42 in 10827 Berlin.

Sie selbst stehe inzwischen viel weniger auf der Bühne, sondern eher davor oder dahinter, erzählt die umtriebige und begeisterungsfähige Tänzerin. Mit einem dichten Netzwerk erarbeitet sie neue Projekte, ist aber ebenso betieiligt an der Realisierung und auch finanziellen Förderung anderer Projekte.

Ein großes Projekt war im Juni 2023 das internationale Tanzfestival „Global Water Dances“, welches den Tanz mit der Klimaproblematik und der Wasserknappheit zusammenbrachte. Mit der universellen Sprache des Tanzes sollten gemeinsame Aktionen und eine internationale Zusammenarbeit zu Wasserfragen angeregt werden. „Tänzer ohne Grenzen“ unterstützte, förderte und betreute dabei insgesamt 21 Standorte – in Deutschland, aber auch etwa im afrikanischen Benin, dem englischen Yorkshire, dem spanischen Sevilla, aber auch in der Slowakei und Südafrika. Anja Schäplitz selbst war auch unterwegs und arbeitete dazu in der ghanaischen Hauptstadt Accra mit einer Straßenkinder-Initiative.

Je länger man sich mit Anja Schäplitz unterhält, um so mehr wirbeln die Ideen und Projekte durch den Raum, berühren sich wie Körperteile beim Tanz, lassen eine kreative Kraft spüren. Im Mittelpunkt der universellen Sprache des Tanzes geht es um weit mehr. „Die Stärke unseres Vereins liegt zum einen in unserem vielfältigen Netzwerk und zum anderen in der Diversität und Dynamik des Teams“, sagt Anja Schäplitz. Wer Lust hat, mitzumachen, mitzutanzen, Ideen zu entwickeln und zu leben mit allen Sinnen, ist beim Verein willkommen.

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