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Katja Neels in ihrem Büro in Prenzlau.

© Gerd Nowakowski

„Wir bringen Leute zusammen“: Wie eine Initiative die Dörfergemeinschaft Nordwestuckermark stark macht

Lange haben die 38 Dörfer für sich allein gelebt. Das Netzwerk „38-unter-einem-Hut“ bringt sie zusammen – mit einer Wanderkneipe, Gesprächen über regenerative Energien oder einem Landkulturprojekt.

Am Abend muss Katja Neels noch nach Falkenhagen. Dort auf dem Hof Quillo treffen sich die engagierten Nachbarn, um darüber zu diskutieren, wie sie die „Wanderkneipe“ gestalten möchten, die neue Idee des Dörfernetzwerks Nordwestuckermark. Katja Neels strahlt, wenn sie in ihrem kargen Büro im brandenburgischen Prenzlau von dem Projekt erzählt. Die „Wanderkneipe“ soll es für alle Menschen in der weitläufigen Nordwestuckermark an der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern attraktiver machen, bei den Treffen dabei zu sein.

Denn in den Dörfern der dünnbesiedelten Gegend haben die meisten Gaststätten schon vor vielen Jahren geschlossen und vielfach gibt es dort auch keine kommunalen Räume. „Viele Dörfer, wenig Menschen“, so fasst die dreifache Mutter die Lage zusammen. Genau gesagt sind es 38 Dörfer, die auf über 250 Quadratkilometer mit insgesamt 4200 Einwohnern seit 2011 in der Großgemeinde Nordwestuckermark zusammengefasst sind. „38-unter-einem-Hut“, heißt deswegen auch die Webseite des Dörfernetzwerks, das 2021 von Katja Neels und anderen Einwohnern gegründet wurde.

Von Zollchow bis Fürstenwerder, von Warbende bis Holzendorf

„38 sind ganz schön viele, ganz schön unterschiedlich und ganz schön weit auseinander“, sagt die energisch wirkende Katja Neels. Wer auf der Karte nachschauen möchte: Das Gebiet reicht von Zollchow bis Fürstenwerder, von Warbende bis Holzendorf. Deswegen haben die Dörfler lange Zeit jeder für sich allein gelebt. Das Dörfernetzwerk möchte das ändern, möchte Gemeinschaft stiften, die Menschen für Engagement und Beteiligung ermutigen und „helfen, dass Bürger*innen, lokale Politik und Verwaltung gemeinsam die Geschicke unserer Gemeinde in die Hand nehmen“.

Wir wollen keinen Ort für Stammtischparolen, sondern mit den Treffen auch der Politikverdrossenheit entgegenwirken.

Katja Neels, Freiwilligenagentur Prenzlau

Da ist die „Wanderkneipe“ nur eine Idee, um das Miteinander zu stärken. „Eine Kneipe ist das, was Menschen hier vermissen“, sagt Neels. „Wir wollen aber keinen Ort für Stammtischparolen, sondern wollen mit den Treffen auch der Politikverdrossenheit entgegenwirken.“ Oder auch rechtsextremen Tendenzen. Das Ziel des Vereins sei eine „Kultur der Beteiligung, nicht des Meckerns, und des gegenseitigen Zuhörens“. Dafür brauche es Orte, wo Menschen mitmachen könnten – wie etwa die „Wanderkneipe“, sagt Neels, die sich als „Dorfkind“ bezeichnet. Berlin? „Um Gottes willen, da zieht mich nichts hin.

Das Netzwerk hat schon Preise bekommen

Dennoch waren sie und andere Aktive zuletzt zwei Mal in Berlin. In diesem November wurde das Dörfernetzwerk bei der Verleihung des Deutschen Nachbarschaftspreises mit dem Sonderpreis für „besonders innovative Ansätze“ ausgezeichnet. Ralph Ryl aus Naugarten, der auch bei der Freiwilligen Feuerwehr aktiv ist, war total überrascht von der unerwarteten Ehrung im Berliner Veranstaltungshaus Silent Green. „Wir haben damit nicht gerechnet, denn eigentlich haben wir eine Absage bekommen.“ Die galt aber nur für die einzelnen Kategorien. Stattdessen gab es eben den Sonderpreis. Da war die Freude umso größer.

Bereits im Sommer war Katja Neels schon einmal in Berlin – im Stadion an der „Alten Försterei“ in Köpenick. Aber nicht, um ein Spiel des FC Union zu sehen, sondern um den ersten Preis beim Wettbewerb „machen!2023“ des Beauftragten der Bundesregierung für die ostdeutschen Bundesländer und der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt abzuholen. 10.000 Euro gab es dafür – was der Verein gut gebrauchen kann, wie Neels erzählt. Und weil aller guten Dinge Drei sind, erhielt die Initiative im Frühsommer auch noch den zweiten Preis im Wettbewerb „Zukunft Ehrenamt“, gestiftet vom Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg.

Bei der Preisverleihung in der alten Försterei des Preises „machen2023“.

© privat

Der Gedanke für das Dörfernetzwerk sei ihr erstmalig vor den Kommunalwahlen 2019 gekommen, als sie einen „kommunalpolitischen Frauenstammtisch“ gründete und sich auch zur Wahl stellte. „Mensch, wäre es schön, wenn es hier mehr Gemeinschaft gäbe“, habe sie gedacht, erzählt Neels, die bei der Bürgerstiftung Prenzlau angestellt ist. Die Bürgerstiftung finanziert auch das Büro der Freiwilligenagentur Prenzlau, wo Neels ihr Büro hat.

Die Arbeit zeigt durchaus Ergebnisse. „Wir bringen Leute zusammen“, sagt Neels, und es gibt „das Gefühl, da bewegt man was“. Das monatliche Netzwerktreffen findet jedes Mal in einem anderen Dorf statt. Dabei könnten alle Menschen ihre Themen und das, was sie bewegt, einbringen. „Wir sind aber nicht der Meckerkasten der Nation“, betont Neels: „Eigenverantwortung ist wichtig.“

Soll heißen: Die Aktiven ermutigten die Menschen dazu, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, statt zu erwarten, dass andere das schon für sie übernehmen werden: Raus aus der Ecke der Unzufriedenen und selbst anpacken. Ein häufiges Thema seien Dorfstraßen mit Schlaglöchern und gefährlicher Durchgangsverkehr von Lastwagen. Zumindest die Straßen seien in etlichen Fällen repariert worden; gegen die von Google-Maps vorgeschlagenen Lastwagen-Routen habe man aber noch kein Mittel gefunden.

Diskutiert werde auch über regenerative Energien, über Windkraft oder Wärmepumpen. Die Menschen bewege zudem die im Zuge der großflächigen Landwirtschaft verschwundenen Landwege, berichtet Katja Neels – statt wie früher zu Fuß direkt ins nächste Dorf laufen zu können, müssen jetzt mit dem Auto lange Umwege gefahren werden. Außerdem gibt es ein jährliches Landkulturprojekt, bei dem Musikgruppen oder Kulturensemble in die Dörfer kommen. Und im Amtsblatt der Gemeinde Nordwestuckermark ist die Initiative mit einer regelmäßigen Beilage vertreten.

Bei so viel Aktivitäten für die Dörfergemeinschaft – wird da nicht der Bürgermeister eifersüchtig? Katja Neels lacht. „Der Bürgermeister findet das toll“, sagt sie. Es gebe ein grundsätzliches Vertrauen zwischen der Initiative und der Amtsverwaltung. „Keine Eifersucht und Hahnenkämpfe – das ist eine wichtige Voraussetzung“ für eine erfolgreiche Arbeit. Und bei der Preisverleihung war der Bürgermeister mit dabei.

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