zum Hauptinhalt
Rund 20.000 per Losverfahren ausgewählte Menschen erhalten in diesen Tagen Post, daraus werden die 160 Teilnehmer:innen des Bürgerrats ausgewählt.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Die Experten des Alltags: Bürgerrat des Bundestags diskutiert ab September über „Ernährung im Wandel“

Ab September beginnt der erste offizielle Bürgerrat des Parlaments seine Beratungen. Die 160 Teilnehmer sollen bis Anfang 2024 konkrete Handlungsempfehlungen vorlegen.

Erst war es ein Testlauf für den Bürgerrat, nun kommt die zweite Stufe. Nachdem im März 2021 der erste, damals noch inoffizielle, Bürgerrat seine Empfehlungen zur künftigen außenpolitischen Rolle der Bundesrepublik an den damaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble (CDU) übergeben hatte, soll es jetzt um das Thema „Ernährung im Wandel“ gehen. Der große Unterschied: Diesmal wurde der Bürgerrat offiziell vom Bundestag eingesetzt – dem gemeinsamen Antrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Die Linke stimmte die Mehrheit der Abgeordneten zu.

„Mit Bürgerräten wollen wir unsere parlamentarische Demokratie stärken und mehr Teilhabe ermöglichen“, sagte die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD): „Für die Erfolgsgeschichte von Bürgerräten ist entscheidend, dass sie die Gesellschaft möglichst breit abbilden – und konkrete Themen behandeln, die die Menschen in ihrem Alltag betreffen.“

Der Bürgerrat soll ab September Fragen zur Umwelt- und Klimaverträglichkeit, Haltungsbedingungen von Nutztieren, Produktion von Produkten, transparente Lebensmittelkennzeichnung und Lebensmittelverschwendung diskutieren. Außerdem stehen Fragen darüber an, welche Rolle der Staat bei Bildungsangeboten in Schulen im Hinblick auf Ernährungsthemen spielen und ob er steuerliche Vorgaben machen oder bei der Preisbildung eingreifen soll.

Bürgerrat soll Vielfalt der Gesellschaft abbilden

Rund 20.000 per Losverfahren ausgewählte Menschen erhalten deswegen in diesen Tagen Post, daraus werden die 160 Teilnehmer:innen des Bürgerrats ausgewählt. Bei der Zusammensetzung soll darauf geachtet werden, dass die Menschen je nach Alter, Geschlecht, regionaler Herkunft, Gemeindegröße und Bildungshintergrund fair beteiligt werden. Auch der Anteil der sich vegetarisch oder vegan ernährenden Personen an der Bevölkerung soll sich im Bürgerrat abbilden.

Dadurch werde die Vielfalt der Gesellschaft abgebildet. Ziel sei es, Menschen in die Diskussion zu holen, die sich sonst nicht lautstark einbringen, betonte Parlamentspräsidentin Bärbel Bas. Im Bürgerrat tauschen sich Menschen mit verschiedenen Lebens- und Berufserfahrungen aus, die sich sonst kaum begegnen würden. Dadurch können Kompromisslinien und mehrheitsfähige Vorschläge sichtbar werden.

Bis Anfang 2024 konkrete Empfehlungen an den Bundestag

Der Bürgerrat soll dem Deutschen Bundestag bis zum 29. Februar 2024 seine konkreten Handlungsempfehlungen vorlegen. Diese sollen in die parlamentarischen Beratungen einfließen und in verschiedenen Ausschüssen beraten werden. Was umgesetzt wird und was nicht, entscheiden am Ende aber allein die Mitglieder des Bundestages. Zur Vermittlung des erforderlichen Wissens und einer fachlich fundierten Begleitung werde der Bürgerrat durch Expert:innen aus Wissenschaft und Praxis unterstützt, heißt es.

Obwohl sich Wolfgang Schäuble immer wieder stark gemacht hat für das basisdemokratische Instrument, werden die Bürgerräte von der CDU/CSU weiterhin abgelehnt. Diese seien undemokratisch und nicht durch Wahlen legitimiert, kritisiert die Union. Dabei ist es grundsätzlicher Unterschied, wenn 160 Menschen aus ganz unterschiedlichen Sichtweisen und Interessenlagen tiefgehend über ein Problem beraten, oder die Wähler:innen in der Wahlkabine einfach mal ein Kreuz hinter möglicherweise sehr populistische Forderungen setzen. Der Bürgerrat kann ein Modell sein für eine Demokratie, die sich veränderten, auch medialen, Entwicklungen nicht verweigert.

Natürlich machen Bürgerräte weder die Parlamente überflüssig noch die Wahlen obsolet. Darum geht es auch nicht. Positiv könnte man auch sagen, dass mit den Bürgerräten der Werkzeugkasten der Demokratie aufgefüllt wird. Denn um Menschen neu oder verstärkt für das gesellschaftliche Engagement zu interessieren, dafür sind Bürgerräte ein probates Mittel.

Einiges muss die Politik beherzigen, wenn sie das vielversprechende Instrument nicht ignorieren will. Der irische Bürgerrat, der das geltende Abtreibungsverbot kippte, ist ein Beispiel, wie Bürgerräte zur gesellschaftlichen Befriedung beitragen können. Man darf also gespannt sein, was der Bundestag aus den Handlungsempfehlungen des Bürgerrats umsetzen wird.


Den Ehrensache-Newsletter, der jeden zweiten und vierten Mittwoch im Monat erscheint, gibt es hier kostenlos: ehrensache.tagesspiegel.de. Themen unter anderem:

  • Kinder erkämpfen sich eine Spielstraße
  • Landesjugendring braucht Unterstützung 
  • Für Aktionsfonds Demokratie bewerben
  • Verein „Leben nach Krebs! e.V.“ sucht Mitstreiter*innen
  • Volunteers für Fußball-Europameisterschaft 2024 gesucht
  • Berlins Sport ehrt seine Ehrenamtlichen

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false