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Bischof Christian Stäblein hielt vor der der zerstörten Kirche eine Andacht.

© Katharina Pfuhl

Gemeinde der zerstörten Paul-Gerhardt-Kirche ist schockiert: „Die Kirche sieht aus, als hätte sie geweint“

In der Paul-Gerhardt-Kirche in Prenzlauer Berg wurde Feuer gelegt. Die Gemeindemitglieder sind fassungslos. Ein Besuch.

Amelie Renz trinkt auf ihrer Kanzel noch einen Schluck Wasser, dann beginnt sie zu predigen. Worte, die tief in die Herzen ihrer Zuhörer und Zuhörerinnen fließen. „Dort, wo Menschen getauft wurden und wo ihre Ehe gesegnet wurde, dort ist jetzt Schutt und Asche statt Kerzenduft. Dort, wo Konfirmanden ein besonderes Zuhause hatten, dort ist jetzt nichts als Zerstörung und Sprachlosigkeit“, sagt sie. Dann zitiert die junge Pfarrerin den Satz, mit dem eine ihrer Kolleginnen den Schrecken zusammenfasste: „Die Kirche sieht aus, als hätte sie geweint.“ Der 11-Uhr-Gottesdienst der evangelischen Kirchengemeinde Prenzlauer Berg-Nord in der Gethsemanekirche am Sonntag ist nicht nur ein Routinetermin. Er vereint entsetzte, wütende, verängstigte Gläubige zu einer Gemeinschaft, in der sie sich gegenseitig Halt geben.

Der wertvolle Altar ist verbrannt, die Pfeifen der Orgel sind geschmolzen

Am Donnerstagabend hat ein unbekannter Täter Feuer in der Paul-Gerhardt-Kirche gelegt, einem Gotteshaus in der Wisbyer Straße, das zur gleichen Kirchengemeinde gehört. Der wertvolle Altar ist verbrannt, die Pfeifen der Orgel sind geschmolzen, zum Glück wurden die Engel und die Osterkerze gerettet. Das Landeskriminalamt ermittelt wegen schwerer Brandstiftung. Am Freitagabend fand vor der Paul-Gerhardt-Kirche eine Andacht statt, der Platz war voll mit Menschen. 

Die Pfarrerin hatte in der Gerhardt-Kirche erstmals gepredigt

Und als folgte alles einer symbolträchtigen Dramaturgie, besetzt Amelie Renz am Sonntag eine besondere Rolle. Sie wird bei diesem Gottesdienst nach Abschluss ihres Vikariats nicht bloß planmäßig verabschiedet, sie hatte auch in der Paul-Gerhardt-Kirche ihre erste Predigt vor der Gemeinde gehalten. Das gibt dem ganzen Geschehen eine noch stärkere emotionale Note.

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Die brutalen Zerstörungen senden Schockwellen durch die Gemeinde. „Ich bin sprachlos vor Entsetzen“, sagt Ilse Vahl vor Beginn des Gottesdienstes. Eine ältere Frau mit roter Winterjacke, die erzählt, dass sie in der Paul-Gerhardt-Kirche auf der Orgel üben durfte. Ihre Enkelin hat dort bisher Konfirmandenunterricht erhalten. „Furchtbar“, sagt sie, „wie kann ein Mensch, der so etwas macht, je wieder fröhlich sein?“

Nur noch verkohlte Holzreste. Der Altar in der Paul-Gerhardt-Kirche nach dem Brand.

© S.Radosh-Hinder

Ein 13-Jähriger hatte in der Kirche Konfirmantenunterricht

Auch Sebastian, der eigentlich anders heißt,  ist „geschockt“, er gehört zu jenen, für die die Paul-Gerhardt-Kirche ein ganz besonderes Zuhause darstellte. „Ich hatte dort bisher Konfirmandenunterricht“, sagt der 13-Jährige. „Ich habe mich jedes Mal darauf gefreut. Jetzt muss ich abwarten, wo der Unterricht fortgesetzt wird.“ Am Dienstag soll eine Entscheidung fallen.

Eine Frau erfährt erst jetzt die Nachricht und ist "geschockt"

Anna Hartung erfährt erst in dem Moment, als sie die Treppen zur Kirche hochsteigt, von dem Brand. Sie war nicht in Berlin, nun weiten sich ihre Augen. „Jetzt bin ich total erschrocken und richtig geschockt“, sagt sie. Die Frau, die einen Wollschal um ihren Hals geschlungen hat, arbeitet ehrenamtlich in der Gemeinde, sie hatte viel in der Paul-Gerhardt-Kirche zu tun. „Gerade jetzt, da es so viele schreckliche Nachrichten gibt, bietet doch Kirche einen Halt.“ Aber diesen Halt spürten die betroffenen Gläubigen bereits am Freitagabend, bei der Andacht vor der Paul-Gerhardt-Kirche. Amelie Renz schildert in ihrer Predigt eindrücklich die Szene, die den entsetzten Menschen Mut und Trost gab. Es war der Moment, sagt sie, „als sich der Segen auf die verwundeten Seelen legte“.

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