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Die Sicherheit im Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg ist wieder in den Fokus von Polizei und Politik gerückt.

© dpa/Hannes P Albert

Update

Drogensüchtige und Exkremente im Hausflur: Anwohner des Görlitzer Parks in Berlin rufen um Hilfe

Zwei Monate nach dem Sicherheitsgipfel ist am Görli so gut wie nichts passiert. Selbst der grundsätzlich solidarische Kiez wirkt mittlerweile überlastet.

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Exkremente in Hausfluren, bis zur Besinnungslosigkeit berauschte Menschen, extreme Verwahrlosung: Die sich immer weiter verschärfende Lage im und rund um den Görlitzer Park in Berlin beschäftigt Anwohnende und Politik gleichermaßen. Während die Mitglieder einer Kreuzberger Initiative dringende Appelle an die schwarz-rote Koalition richten, fordern die oppositionellen Grünen ein 55 Millionen-Euro-Paket, um soziale Maßnahmen gegen Verelendung zu finanzieren und so die Sicherheit nachhaltig zu erhöhen.

Klar ist: Selbst unter den die Situation am Görlitzer Park über Jahre hinweg mehr oder minder gelassen ertragenden Anwohner:innen scheint die Grenze des Erträglichen mittlerweile überschritten. „Wir sind unglaublich hilflos, der Verelendung zugucken zu müssen“, sagte Sozialarbeiterin Esther Borkam am Dienstag anlässlich einer Pressekonferenz des Bündnisses „Görli zaunfrei“. Die Hilflosigkeit der Anwohner:innen nehme „enorm zu“, erklärte Borkam weiter und bezeichnete die Situation als „sehr schwierig“.

Trotz allem lehnen die Mitglieder des von zahlreichen Kreuzberger Initiativen getragenen Bündnisses den vom Senat beim sogenannten Sicherheitsgipfel Anfang September beschlossenen Bau eines Zauns um den Park entschieden ab. „Wir Anwohner haben vor dem Zaun einen Megaschiss. Es wird alles noch schlimmer“, sagte Monika Obrecht, nach eigenen Angaben seit 30 Jahren Anwohnerin des Parks.

Obrecht genau wie Borkam warnten vor einer weiteren Verdrängung der schon jetzt in das Umfeld des Görlitzer Parks ausgreifenden Probleme und schilderten die Realität im Kiez in drastischen Szenen. Wer am frühen Morgen zur Arbeit gehe, müsse nicht selten über Drogensüchtige steigen, die auf Treppen oder in Hauseingängen schlafen. Spielplätze im Park seien übersät mit gebrauchten Spritzen, sämtliche an den Park angrenzende Kieze seien von einer nach Corona stark beschleunigten Verwahrlosung betroffen.

Der Zaun bringt nur eine Verschiebung des Problems.

Martin Storck, Mitglied des Görlitzer-Park-Rats

Ambivalent ist die Stimmung mit Blick auf den Anfang September auf Einladung des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner (CDU) veranstalteten Sicherheitsgipfel. „Wir sind froh darüber, dass etwas passiert“, erklärte Martin Storck, Mitglied des Görlitzer-Park-Rats. Statt dem von Wegner und Innensenatorin Iris Spranger (SPD) favorisierten Zaunbau müssten aber soziale Maßnahmen wie die Einrichtung einer rund um die Uhr geöffneten Unterkunftsmöglichkeit für Obdachlose, ein kostenfreies medizinisches Angebot sowie die Straßensozialarbeit „endlich ausreichend finanziert werden“, kritisierte Storck. Er erklärte: „Der Zaun bringt nur eine Verschiebung des Problems.“

Juri Schaffranek (v.l.nr.) von Gangway, Reuterkiez-Anwohnerin Monika Obrecht, Esther Borkam von KiezAnker 36 und Martin Storck, Mitglied im Görlitzer Park-Rat, bei der Pressekonferenz zum Görlitzer Park.

© dpa/Hannes P Albert

Wegner, den die Mitglieder des Bündnisses zeitnah einladen wollen, um die Lage vor Ort persönlich zu begutachten, betonte am Dienstag, dass der Zaun kommen werde. „Unser Ziel bleibt, dass wir den Park beruhigen, dass er wieder zugänglich ist für Kinder und Familien, für Menschen, die sich da erholen wollen. Dafür brauchen wir diesen Zaun. Und deswegen machen wir es auch“, sagte Wegner im Anschluss an die Senatssitzung.

Seine Aussage, dass er mit Umweltsenatorin Manja Schreiner (CDU) im Austausch über ein Ausschreibungsverfahren für den Zaun sei, lässt darauf schließen, dass die tatsächliche Realisierung der Maßnahme noch Monate auf sich warten lassen wird – mindestens. Zudem droht im Fall der Übernahme des Projekts durch den Senat ein Rechtsstreit mit dem Bezirk, dessen Bürgermeisterin Clara Herrmann (Grüne) den Zaunbau ablehnt und anzweifelt, dass der Senat diesen gegen den Willen des Bezirks bauen dürfte.

Grünen-Fraktion entwirft 55 Millionen-Euro-Paket

Unterdessen hat die Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus ein 55 Millionen Euro umfassendes Finanzpaket geschnürt, mit dem Verelendung und Drogensucht in der Stadt bekämpft werden soll. Damit reagiert die Fraktion auf das breit kritisierte Unterlassen von CDU und SPD, die im Rahmen des Sicherheitsgipfels beschlossenen 30 Maßnahmen auch finanziell zu untersetzen.

Konkret wollen die Grünen die zunehmende Verelendung im öffentlichen Raum stoppen und dabei insbesondere die Bezirke finanziell unterstützen. Zusätzlich 20 Millionen Euro sollen diese in den kommenden beiden Jahren erhalten, um unter anderem Ordnungsämter zu stärken, „Angsträume“ durch bauliche Maßnahmen zu bekämpfen und Parks zu sanieren.

Zusätzlich acht Millionen Euro sind vorgesehen, um Projekte der Drogen- und Suchthilfe zu stärken, mit fünf Millionen Euro sollen rund um die Uhr geöffnete Notunterkünfte für wohnungslose Menschen mit psychosozialen oder Suchtproblemen bereitgestellt werden. Vier Millionen Euro sind vorgesehen, um Notübernachtungen und Tagestreffs zu stärken. Zum Vergleich: Allein der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hatte den Investitionsbedarf für Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit zuletzt mit 30 Millionen Euro angegeben.

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