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Ein Porsche 911.

© IMAGO/Pond5 Images/Finkelsen

Größte Sicherheitspanne der Berliner Polizei seit Jahren: „Kommissar Porsche“ wegen Untreue verurteilt

Konspirative Wohnungen, V-Leute und Technik: Clemens K. war Logistikchef für Berlins verdeckte Ermittler und veruntreute 74.000 Euro. Das ganze Ausmaß des Falls bleibt wohl ein Geheimnis.

Das ganze Ausmaß des Untreuefalls bei den verdeckten Ermittlern des Berliner Landeskriminalamtes (LKA) wird wohl ein Geheimnis bleiben. Das Strafverfahren gegen den früheren Cheflogistiker für verdeckte Operationen, Clemens K., ist rechtskräftig beendet worden – ohne weiteren öffentlichen Prozess und Zeugenaussagen.

Das erfuhr der Tagesspiegel aus der Justiz. Als Cheflogistiker der verdeckten Ermittler ließ es sich Clemens K. aus der Schatulle für operative Maßnahmen gut gehen, er fuhr einen beschlagnahmten Porsche 911 Carrera Cabriolet als Dienstwagen auch privat.

Doch nun wurde der Untreueprozess wegen abgezweigter Gelder in Höhe von mehreren Zehntausend Euro gegen ihn am Amtsgericht Tiergarten klammheimlich beendet. Was in dem Fall schieflief, welche Kontrollinstanzen versagt haben, die Pannen in der Chefetage – vor der Öffentlichkeit wird das alles nicht weiter erörtert.

Nachdem zwei Prozesstage im November und Dezember wegen Krankheit des Angeklagten geplatzt waren, das Amtsgericht sogar Zwangsmittel gegen K. angedroht hatte, damit dieser auf der Anklagebank Platz nimmt, ist nun trotzdem eine Entscheidung ergangen. Die Staatsanwaltschaft beantragte einen Strafbefehl.

Haupteingang zum Amtsgericht Tiergarten.
Haupteingang zum Amtsgericht Tiergarten.

© IMAGO/Emmanuele Contini

Zur Erinnerung: Die Anklage wurde vor einem Schöffengericht erhoben, die Straferwartung lag also bei zwei bis vier Jahren Haft. Doch davon ist der Strafbefehl nun weit entfernt. K. wurde zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt, ausgesetzt zu zwei Jahren Bewährung.

K. legte keinen Einspruch ein, die Entscheidung ist inzwischen rechtskräftig. K. verliert damit automatisch seinen Beamtenstatus und alle Pensionsansprüche. So sieht es das Beamtenstatusgesetz für Freiheitsstrafen ab einem Jahr vor. Auch wenn er bereits Pensionär ist, weil er Taten noch in seiner Dienstzeit verübte.

Das ist weniger als ein blaues Auge für alle Seiten, weil ein Mantel des Schweigens über den Fall gelegt werden kann.

Jörn Badendick, Sprecher des Berufsverbands „Unabhängige“.

Das Gericht entschied obendrein, dass die sogenannten Taterträge in Höhe von 74.489,32 Euro von K. eingezogen werden. Ob das Geld überhaupt noch bei ihm einzutreiben ist, daran bestehen jedoch erhebliche Zweifel.

Auch für den Steuerzahler ist das relevant: Durch die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis oder auch Ruhestandsverhältnis muss die Behörde ihn für die Rente mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil nachversichern – für seine bisherige Arbeitszeit bei der Polizei. Er war zuletzt Erster Kriminalhauptkommissar, der höchsten Rang im gehobenen Dienst, 2019 hatte er 40-jähriges Jubiläum, Soldstufe A13 mit einem Grundgehalt von bis zu 5600 Euro.

Handys, legendierte Autos und Wohnungen – darum kümmerte er sich

Als Leiter des Kommissariats 653 organisierte K. die Logistik für verdeckte Ermittler, V-Leute, den Zeugenschutz, besorgte Handys, Autos, Technik und konspirative Wohnungen, kannte die ganzen geheimen Adresslisten – eben alles, was unter einer Legende laufen muss.

Das Landeskriminalamt Berlin.
Das Landeskriminalamt Berlin.

© picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Im LKA hatte der Prozess einige Unruhe ausgelöst. Kollegen aus dem Kommissariat sollten als Zeugen gehört werden. Sie hätten dann aussagen können, warum trotz früh gemeldeter Hinweise an Vorgesetzte auf den Umgang des Kommissariatsleiters mit der Kampfkasse nichts geschah. Wie es sein konnte, dass der LKA-Führung nichts auffiel, obwohl sie direkt zuständig war, um Gelder für verdeckte Maßnahmen freizugeben.

Clemens K. ist schwer erkrankt

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft gab es jedoch gut Gründe, statt eines Prozesses nun den Strafbefehl zu beantragen. K. sei dauerhaft psychisch schwer erkrankt, für einen Prozess hätte die Verhandlungsfähigkeit begutachtet werden müssen. Zudem wäre bei einem Geständnis die Freiheitsstrafe von einem Jahr angemessen. Zumal in Strafbefehlsverfahren das geständige Verhalten schon unterstellt werde.

„Am Ende kommen Clemens K. und die Behörde selbst, die verantwortlichen Chefs bis hoch zur LKA-Leitung durch den Strafbefehl gut weg“, sagt Jörn Badendick, Sprecher des Berufsverbands „Unabhängige“. „Das ist weniger als ein blaues Auge für alle Seiten, weil ein Mantel des Schweigens über den Fall gelegt werden kann.“ Und weiter: „Der Verfahren ist ungewöhnlich verlaufen, das Strafmaß ist äußert niedrig mit Blick auf andere Verfahren gegen Beamte, die ich als Interessenvertreter kenne.“

Jörn Badendick, Sprecher des Polizei-Berufsverbandes „Unabhängige“.
Jörn Badendick, Sprecher des Polizei-Berufsverbandes „Unabhängige“.

© privat

Im Zweifel sei der Strafverfolgungsanspruch gegen Polizisten höher, besonders, wenn sie eine hohe kriminelle Energie zeigten, sagte Badendick. „Bei Amtsträgern steht die Verteidigung der Rechtsordnung im Vordergrund.“ Andererseits sei der Beamte K., gerade weil er für verdeckte Ermittlungen zuständig sei, besonders haftempfindlich. Heißt: Ein Polizist, der viel geheime Maßnahmen auch gegen kriminelle Banden weiß, ist im Gefängnis besonders gefährdet.

Ursprünglich war der von K. verursachte Schaden auf mindestens 150.000 Euro taxiert worden, sogar 200.000 Euro standen in Rede. Doch das bezog sich auf die über Jahre laufenden Machenschaften. Alle Taten vor 2017 konnte die Staatsanwaltschaft wegen Verjährung nicht mehr zur Anklage bringen. Am Ende ging es um die Zeit von September 2017 bis August 2021.

8500
Euro gönnte sich Clemens K. aus der Kampfkasse für ein neues Cabrio-Verdeck für den Porsche.

Und K. hat sich jahrelang an der Bargeldkasse für streng geheime Operationen bedient und einen beschlagnahmten Porsche 911 Carrera Cabriolet als Dienstwagen genutzt. Mal waren es 271,02 Euro für einen Reifenwechsel, 8500 Euro für ein Cabrio-Verdeck des Porsches, dann 13.500 Euro für die Einrichtung einer legendierten Wohnung oder Geld für Autoreparaturen oder den Einbau von Standheizungen in geheime Autos.

Angeblich soll nichts aufgefallen sein, obwohl es nach Tagesspiegel-Informationen mehrfach Hinweise gab, dass sich K. in der Logistik-Kasse bediente. Die Führungsebene der Abteilung LKA 6 soll ihre schützende Hand über K. gehalten haben, am Ende wurde sogar versucht, K. per interner Versetzung abzuschirmen: Er sollte Kommissariatsleiter beim Personenschutz werden.

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Es dauerte nach den letzten ernsten Hinweisen von Anfang 2021 mehrere Monate, bis Ende 2021 Ermittlungen eingeleitet wurden. Am Ende wurde K. das Auto zum Verhängnis: Als 2021 der Porsche aus dem Polizeibestand nicht mehr aufzufinden war, mussten die Vorgesetzten etwas unternehmen. Angeblich stand der Porsche irgendwo in Brandenburg. Polizeiintern hieß es, K. soll den Porsche wegen Spielschulden als Pfand eingesetzt haben, dann tauchte er wieder auf. Der Fall ließ sich nicht mehr kleinhalten.

Durch Täuschung Verfahrens- und Entscheidungsprozesse manipuliert

Aber wie kann so etwas passieren? Offiziell heißt es von der Polizei, der Fall sei durch polizeiinterne Kontrollmechanismen aufgedeckt worden. Die Staatsanwaltschaft befand, dass K. „aufgrund des ihm entgegengebrachten Vertrauens Möglichkeiten gefunden“ habe, „Lücken in den polizeiinternen Kontrollmechanismen zu finden und diese gezielt auszunutzen“. Sogar Polizeipräsidentin Barbara Slowik sprach bereits vor Prozessbeginn vom Verdacht, „dass durch Täuschungshandlungen eine Manipulation innerbehördlicher Verfahrens- und Entscheidungsprozesse möglich war“.

Das alles heißt aber auch: Trotz strengster Checks und schärfsten Regeln für Mitarbeiter gab es Lücken im Sicherheitsgeflecht, K. offenbarte ein potenzielles Einfallstor für kriminelle Banden und feindliche Spionagedienste. Und das in Berlin: Ost-West-Drehscheibe, Anziehungspunkt für Gefährder und Terroristen, Hotspot der organisierten Kriminalität. Auch deshalb löste der Fall, als er im Jahr 2022 ans Licht kam, Schockwellen in den Kriminalämtern anderer Bundesländer aus. Das LKA hatte einiges zu tun, um alles, wovon K. wusste, zu schützen.

Vieles andere, was sonst noch geschah, bleibt nun verborgen. Zeugen, die davon berichten könnten, sagen nicht mehr aus über die offenen Geheimnisse im LKA 6: wie mit Steuergeld teure Produkte des Herstellers Apple beschafft worden sein sollen, teure Mobilfunkverträge, wie Deals abliefen für private Vorteile beim Leasing von Dienstwagen.

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