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Die Fahrradstaffel der Berliner Polizei im Einsatz

© Paul Zinken/dpa

Kaum Auto-Abbiegeverstöße geahndet: Berliner Fahrradpolizisten kassieren häufiger bei Radfahrern ab

Berlins Fahrradstaffel bringt mit ihren Anzeigen Millionenbeträge in die Landeskasse. Inzwischen trifft es vor allem Radfahrer – um deren Hauptproblem sich die Beamten offenbar nicht kümmern.

Die Fahrradstaffel der Berliner Polizei hat in den ersten neun Monaten dieses Jahres 19.041 Bußgeldbescheide geschrieben. Damit ist mit hochgerechnet deutlich über 20.000 Bußgeldern in diesem Jahr ein neuer Rekord absehbar. Bislang hatten die Fahrradpolizisten nur im Jahr 2019 mehr als 20.000 Bußgelder geschrieben. Diese Zahlen nannte jetzt die Innenverwaltung auf eine Anfrage des AfD-Abgeordneten Karsten Woldeit.

Im Corona-Jahr 2020 hatte es einen deutlichen Einbruch auf knapp 14.000 Knöllchen gegeben, 2021 waren es immerhin wieder 18.600. Das Aufgabengebiet hat sich geweitet. 2019 richtete sich ziemlich genau die Hälfte der Anzeigen gegen Falschparker, in den ersten neun Monaten war es nur noch ein Drittel.

Dafür wurde deutlich mehr bei Radfahrern kassiert. 3323 Knöllchen ergingen gegen Gehwegradler und sonstige Verstöße unter der Rubrik „Straßenbenutzung“. Etwa 1000 Mal traf es „Elektrokleinstfahrzeuge“ also die E-Scooter. Auch die 2495 Anzeigen in diesem Jahr wegen Rotlichtmissachtung ergingen ganz überwiegend gegen Radfahrer. Ähnlich das Bild bei Anzeigen wegen verbotener Mobiltelefonnutzung. Auch hier wurden weitgehend nur Radfahrer gestoppt.

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Etwa ein Drittel der verhängten Bußgelder mussten Radfahrer zahlen. In den ersten zehn Monaten dieses Jahres waren es 658.000 Euro, Autofahrer mussten 1,2 Millionen zahlen. Zusammen kamen durch die Arbeit der Fahrradpolizisten 1,85 Millionen Euro in die Landeskasse. Vergleichszahlen kann die Polizei nicht nennen, da die Bußgeldstelle diese Daten nur für 14 Monate speichert, so die Antwort der Innenverwaltung.

Kaum Abbiegeverstöße geahndet

Abbiegeverstöße von Autofahrern wurden von den Fahrradpolizisten kaum noch sanktioniert. 2022 gab es in den ersten neun Monaten nur 124, deutlich weniger als in allen Jahren zuvor. Einen Grund nannte Innenstaatssekretär Torsten Akmann in der Antwort nicht. Da riskantes Abbiegen von Pkw und Lkw eine hohe Gefahr für Radfahrer und Fußgänger darstellt, hatte die Polizei in den vergangenen Jahren mehrfach angekündigt, dieses Delikt schärfer zu ahnden.

Die Fahrradstaffel gibt es seit 2014. Die ersten Jahre testweise, die Unfallforschung der Versicherer hatte das Projekt wissenschaftlich begleitet. Das Ergebnis war eindeutig, die Staffel ist erfolgreich, die Studie hatte eine Aufstockung empfohlen. Tatsächlich ist die Truppe, die mit 20 Beamten gestartet war und zunächst nur in der Ost-City unterwegs war, deutlich gewachsen. 2020 waren es bereits 43 Beamte, die ausschließlich auf dem Rad arbeiten. Die damals angekündigte Aufstockung auf 100 Beamte im Jahr 2023 ist aber gekippt worden, zuletzt wurde als Ziel 75 genannt. Derzeit sitzen gut 60 Frauen und Männer auf dem Dienstrad.

Ich fühle mich als Fußgängerin mittlerweile viel mehr durch Radfahrer gefährdet als durch Autofahrer - die haben die Verkehrsregeln wenigstens mal gelernt - und sind identifizierbar!

Meint Community-Mitglied Tagesspiegelkritiker

In den ersten drei Jahren hatte die Staffel 53.972 Anzeigen geschrieben, 70 Prozent trafen Autofahrer, meist Falschparker. Nur 26 Prozent der Anzeigen richteten sich gegen Radfahrer, oft wegen Rotlichtmissachtung.

Ahndet die Fahrradstaffel gefährliche Überholvorgänge?

Interessant ist die Frage, inwieweit Fahrradpolizisten zu enge Überholmanöver feststellen und ahnden, mit denen Rad- und Rollerfahrende durch den Kraftverkehr gefährdet werden. Die Beamten auf Rädern sind am dichtesten dran an dem bekannten Dauerproblem. Neun von zehn befragten Radlern nannten in einer Tagesspiegel-Umfrage aus dem Jahr 2019 zu enges Überholen als größte Gefahr im Berliner Straßenverkehr.

Berlins Polizei sieht in dieser Frage ihre Hände gebunden, wie aus der Antwort auf eine Anfrage des FDP-Abgeordneten Felix Reifschneider im Abgeordnetenhaus hervorgeht. Detailliert hatte der Politiker nachgefragt, wie in der Überwachung des motorisierten Individualverkehrs rechtssicher festgestellt wird, ob der vorgeschriebene Seitenabstand von mindestens 1,5 Metern bei Überholvorgängen eingehalten wird und wie viele Verstöße in den vergangenen fünf Jahren geahndet wurden.

Die Antwort: Momentan ließen sich solche Gefährdungen durch Autofahrer nicht gerichtsfest dokumentieren. Es existiere kein Messsystem auf dem deutschen Markt, das die „notwendigen Voraussetzungen der Mess- und Eichverordnung und des Mess- und Eichgesetzes erfüllt sowie die vorgeschriebene Genehmigung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) besitzt“. 

Näher wollte sich auch die Pressestelle der Polizei am Montag nicht äußern. Es gebe keine Daten zu diesem Verkehrsvergehen, auch keine Erkenntnisse zu Gefährdungen von Radfahrerinnen und Radfahrern, die in Verkehrsüberwachungen durch die Fahrradstaffel hätten auffallen können.

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