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Einst Kinderladen, jetzt „Luxus-Apartments“: die Moltkestraße 46A in Lichterfelde.

© Julius Geiler

Kita-Verdrängung in Berlin : „Luxus-Apartments“ statt Kinderbetreuung

Ein Kinderladen in Lichterfelde kann sich die hohe Miete nicht mehr leisten und weicht Luxus-Wohnungen. Ähnliche Fälle drohen in weiteren Bezirken. Die Politik sieht kaum Möglichkeiten, einzugreifen.

Der Facebook-Post der Lichterfelder Kindertagesstätte „Kleine Drachen“ aus dem Herbst 2019 klingt fast hoffnungsvoll: „Wir brauchen euch und eure Unterstützung, damit unser schöner Kinderladen erhalten bleibt. Helft uns und 18 kleinen Drachen, der Gentrifizierung zu trotzen und unseren Kinderladen als Lern- und Lebensraum zu erhalten“, schreiben die Betreiber in dem sozialen Netzwerk.

Kurz zuvor erhielt die Kita Post des Vermieters. Über hundert Prozent mehr Miete verlange der Eigentümer von der Einrichtung in der Moltkestraße 46A, berichtete der Facebook-Account der „Kleinen Drachen“ damals. Etwa ein halbes Jahr später war klar: Der Kinderladen muss schließen, der betreibende Verein sah sich außerstande, die Forderungen des Vermieters zu erfüllen.

Im März 2023, drei Jahre danach, ist das Objekt nahe des S-Bahnhofs Botanischer Garten auf einer Immobilienplattform zu finden. Wo einst 18 Kinder betreut wurden, kann man jetzt wohnen. Inseriert sind insgesamt vier möblierte „Luxus-1-Zimmer-Apartments“, das größte bietet 28,2 Quadratmeter Wohnfläche für 1197 Euro brutto warm.

Lichterfelde ist nicht Dahlem

Ein Preis, der laut des Verwalters des Hauses, der „Vigor Haus- und Grundstücksverwaltung GmbH“ auch daher rührt, dass sich das Grundstück angeblich in Dahlem mit kurzer Entfernung zur Freien Universität befindet und so vor allem für Studenten attraktiv ist. Zwar ist der FU-Hauptcampus tatsächlich in etwa 25 Minuten zu Fuß zu erreichen, allerdings liegt die Moltkestraße 46A eindeutig im Stadtteil Lichterfelde.

Den Begriff „Luxus“ solle man laut eines „Vigor“-Sprechers nicht überinterpretieren. Die Beschreibung sei auf Wunsch des Eigentümers ins Exposé aufgenommen worden, um die „hochwertige“ Ausstattung der Apartments mit Möbeln, Internet und Fußbodenheizung darzustellen. Da es sich um Neubau-Wohnungen handelt, ist die Preisgestaltung nicht an den Mietspiegel gebunden. „Die Nachfrage wird zeigen, ob Interessenten gefunden werden, oder ob der Angebotspreis reduziert werden sollte“, heißt es von der Vigor GmbH.

Auch habe damals keine Verdrängung der Kita stattgefunden, vielmehr habe man dem Verein eine Verlängerung der Miete um weitere zehn Jahre vorgeschlagen, sagt der Verwalter. Zwar zu einer höheren Miete, allerdings habe die Summe auf einer Markteinschätzung basiert. Erst nach dem Scheitern der Verhandlungen zwischen Kinderladen und Vermieter sei die Entscheidung gefallen, Studierendenapartments zu errichten.

Auch in Friedenau bangt ein Kindergarten

Mit gemischten Gefühlen dürfte der Kindergarten „Elfenreigen“ aus Friedenau auf den Fall aus Lichterfelde blicken. Auch hier fürchtet man um die Existenz. Nachdem der Eigentümer der Immobile vor einem Jahr wechselte, erhielt die Kita, in der 40 Kinder betreut werden, eine 28-prozentige Mieterhöhung und eine Kündigung zum Jahresende 2022. Die Betreiber setzten sich dagegen zunächst erfolgreich zur Wehr, doch kurz darauf erreichte die Kindertagesstätte neue Post des Vermieters: Kündigung bis Ende 2025, es sei denn die Einrichtung zahle ab sofort mindestens 4000 Euro Miete statt bisher 1500 Euro – eine Mieterhöhung von 166,6 Prozent. Ein Gespräch mit dem Geschäftsführer der Eigentumsgesellschaft verlief erfolglos, wie der Tagesspiegel erfuhr.

166,6 Prozent
geforderte Mieterhöhung in Friedenau

Tempelhof-Schönebergs Jugendstadtrat Oliver Schworck (SPD) sieht für den Bezirk in solchen Fällen kaum Möglichkeiten, einzugreifen. Grund sei das Gewerbemietrecht. Ein Weg sei, dass das Bezirksamt Kontakt mit dem Eigentümer aufnehme und an ihn appelliere, auf derartige Mieterhöhungen oder Kündigungen zu verzichten, sagte Schworck dem Tagesspiegel. Allerdings sei völlig unklar, ob das erfolgversprechend sei.

Ein weiterer Fall betrifft den Kinderladen „IrgendWieAnders“ im Kreuzberger Wrangelkiez, dessen Mietvertrag Ende 2026 ausläuft. Trotz zahlreicher Kontaktversuche lehnte der Eigentümer offenbar ein Treffen mit der Kita-Leitung bisher ab. Am Freitagnachmittag ist eine Kundgebung vor dem Standort geplant. Nicht auszuschließen, dass auch Teilnehmer aus Friedenau anreisen.

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