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Rettungswagen der Feuerwehr mit Blaulicht auf Einsatzfahrt.

© imago/Dirk Sattler/IMAGO/Dirk Sattler

Kritik an Plänen der Berliner Innensenatorin: Privatunternehmen soll 18 Rettungswagen betreiben – Fachleute lehnen das ab

Die Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD) plant den Einsatz eines „fliegenden Rettungsdiensts“. Krankenkassen und Hilfsorganisationen kritisieren den Vorschlag.

Krankenkassen und Hilfsorganisationen kritisieren den Plan von Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD), den Betrieb einiger Rettungswagen auf einen privaten Dienstleister zu übertragen. Die Berliner Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen und Anbieter wie das Deutsche Rote Kreuz (DRK), der Arbeiter-Samariter-Bund, die Johanniter und die Malteser fordern stattdessen, den Rettungsdienst von weniger dringlichen Notfalltransporten oder Notverlegungen zu entlasten. Sie wollen Notfallkrankenwagen für weniger akute Fälle einführen.

Spranger hatte in der vergangenen Woche angekündigt, einen entsprechenden Auftrag ausschreiben zu lassen, um die angespannte Lage beim Rettungsdienst der Feuerwehr zu lindern. Nach den bisherigen Überlegungen der Innenverwaltung könne ein privater Anbieter zwei Jahre lang 18 Wagen stellen. Diese sollen als „fliegender Rettungsdienst“ ständig in der Stadt unterwegs sein.

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Krankenkassen und Hilfsorganisationen halten es für einen falschen Weg, zusätzlich einen privaten Anbieter ins Spiel zu bringen. Die 18 angedachten Rettungswagen sind aus einer Bedarfsplanung der Feuerwehr für 2020 errechnet worden. Krankenkassen und Hilfsorganisationen halten die Berechnung für falsch.

In einem gemeinsamen Schreiben an Spranger von Ende Juni warnen sie vor einem „medizinisch nicht notwendigen Ressourceneinsatz“, die „Ausschreibung würde viel mehr Probleme und Fehlanreize schaffen, die über Jahre nicht mehr abgebaut werden können“. Daneben beklagen die Krankenkassen und Hilfsorganisationen, dass die Ursachen für die angespannte Lage beim Rettungsdienst tiefer lägen: „Für die vorhandenen Rettungswagen gibt es zu wenig qualifiziertes Personal.“

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Tatsächlich mangelt es gerade an Notfallsanitätern, den medizinisch am besten ausgebildeten Mitarbeitern nach den Notärzten. Bislang mussten Rettungswagen in Berlin mit einem Notfallsanitäter und einem Rettungssanitäter besetzt sein. Teils fuhren sie auch zu Bagatelleinsätzen und fehlten dann für tatsächliche Notfälle. Nach einer Gesetzesnovelle vom Januar kann die Feuerwehr davon abweichen. Für weniger schlimme Fälle reichen nun zwei Rettungssanitäter, von denen einer erfahren sein muss.

Die Krankenkassen und Hilfsorganisationen fordern in dem Schreiben an Spranger eine grundsätzliche Reform, die ein ‚kurzfristig erreichbares Verbesserungspotenzial‘ biete, um auch ohne zusätzliche Rettungswagen den Berliner Versicherten und Hilfesuchenden eine bessere Notfallrettung anbieten zu können.

So sollten der weniger dringliche Notfalltransport und die Notverlegung, also Einsätze ohne Blaulicht und Hilfsfrist, von der Notfallrettung getrennt werden. „Das Potenzial, die Notfallrettung zu entlasten, liegt bei circa 20 Prozent aller Rettungswagen-Alarmierungen“, heißt es im Schreiben an Spranger.

Auch die Deutsche Feuerwehr-Gewerkschaft (DFeuG) warnte davor, einen privaten Dienstleister für Notfälle einzusetzen. Entlastung brächte es, wenn Not-Krankentransporte von Firmen oder Hilfsorganisationen übernommen werden. Dann könnte sich der Rettungsdienst auf die wirklichen Notfälle konzentrieren.

Tatsächlich ist es kein Mehrwert, wenn jetzt ein Drittanbieter diese Leistungen anbietet und sich des vorhandenen Personals bedient

Manuel Barth, Deutsche Feuerwehr-Gewerkschaft

DFeuG-Sprecher Manuel Barth hob hervor, dass der Mehrbedarf von mindestens 18 Rettungswagen nun endlich vorliege. „Aber tatsächlich ist es kein Mehrwert, wenn jetzt ein Drittanbieter diese Leistungen anbietet und sich des vorhandenen Personals bedient und beispielsweise bei den Hilfsorganisationen abwirbt“, sagte Barth. „Das ist ein Nullsummenspiel.“

Auch bei der Einführung eines Notfallkrankenwagens zeigt sich die Gewerkschaft aufgeschlossen. „Die verlässliche Übernahme des Akut-Krankentransports – also Ereignisse, die zwischen dem Krankentransport und dem Notfall liegen – wäre aus unserer Sicht viel sinnvoller, damit sich die Berliner Feuerwehr mit ihren Partnern wieder der Notfallrettung vollumfänglich widmen kann“, sagte Barth. „Wenn das ein Drittanbieter leisten kann, wären wir einen großen Schritt weiter.“

Weil Personal und freie Fahrzeuge fehlten, wurde im vergangenen Jahr fast täglich der Ausnahmezustand bei den Rettungskräften ausgerufen. Statt Rettungswagen mussten dann beispielsweise Lösch-Fahrzeuge der Feuerwehr die Patienten in Krankenhäuser bringen. Insgesamt 509.536 Alarmierungen wurden 2022 erfasst, ein Anstieg um 7,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr — und ein Rekord. Insgesamt gab es 474.681 Einsätze. Das sind zehn Prozent mehr als 2021. Obwohl der Senat einige Stellschrauben gedreht und für leichte Entlastung gesorgt hat, gibt es in diesem Jahr weiterhin Ausnahmezustände, wenn auch weniger drastisch.

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