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Nachtigall singt

© imago images/imagebroker

Liebeslieder und musikalische Revierkämpfe: Die Nachtigallen sind zurück in ihrer Hochburg Berlin

Die Nachtigall gilt als Königin der Nacht. Dabei singen bei den Tieren nur die Männchen. Der Gesang ertönt jetzt wieder in Parks. Besonders viele der Vögel gibt es in Berlin.

Von Silke Sullivan

In diesen Tagen kann man nachts in Gärten und Parks wieder besonderen Konzerten lauschen. Die Nachtigallen kommen zurück aus ihren Winterquartieren. Zehntausende sind es, die im April von ihrer langen Reise aus Afrika in Deutschland eintreffen, um sich zu paaren und ihre Jungen aufziehen.

Wie viele genau es sind, ist nicht klar. Der letzte nationale Vogelschutzbericht vom Bundesamt für Naturschutz aus dem Jahr 2019 nennt Zahlen von 2016. Damals wurden 84.000 bis 15.000 Nachtigall-Brutpaare geschätzt. Im Vergleich zu 2004 eine Zunahme um 26 Prozent, zu 1980 sogar um 50 Prozent.

„Die Nachtigall scheint eine der wenigen Langstreckerzieher-Arten unter den Zugvögeln zu sein, die in ihren Beständen bei uns stabil zu sein scheint“, sagt der Vogelexperte des NABU, Martin Rümmler.

Berlin ist die Hochburg der Nachtigallen. Es gibt hier gut 1500 Nachtigall-Reviere, so viel wie in keiner anderen deutschen Stadt.

Derk Ehlert, Berliner Wildtierreferent 

Die Chance, die berühmten Sänger anzutreffen, ist ausgerechnet in der Hauptstadt besonders groß. „Berlin ist die Hochburg der Nachtigallen. Es gibt hier gut 1500 Nachtigall-Reviere, so viel wie in keiner anderen deutschen Stadt“, sagt der Wildtierreferent der Stadt, Derk Ehlert. Woran das liegt?

Im Lärm der Großstadt singen die Nachtigallen einfach lauter

Den kleinen, äußerlich eher unscheinbaren Vögelchen, gefällt zum einen das Klima der Hauptstadt. „Sie mögen nicht zu feuchte Flächen“, sagt Ehlert. Außerdem fühlen sie sich vor allem in dichtem Buschwerk wohl, wo der Boden von verrottendem Laub bedeckt ist. In Berlin gibt es davon jede Menge. In Parks und Gärten, aber auch entlang von Bahndämmen und in verwilderten Industriegebieten finden sie gute Verstecke und Insekten als Futter. An das nächtliche Licht und den Lärm der Großstadt haben sie sich anscheinend hervorragend angepasst. Dort singen sie – wie andere Vögel – einfach lauter.

Auf dem Land haben die Nachtigallen es dagegen nach Angaben von Martin Rümmler in Teilen schwer. Nämlich dann, wenn auf Feldern immer die gleichen Pflanzenarten wachsen, Hecken entfernt werden und viele Pestizide zum Einsatz kommen.

Doch zurück zum Gesang. Was macht den eigentlich so besonders, dass er Schriftsteller und Künstler seit Jahrhunderten inspiriert – und der Vogel zu einem Symbol der Liebe wurde?

Dabei sollte zunächst klar sein: Auch wenn die Nachtigall zuweilen als Königin der Nacht bezeichnet wird – wer da nachts lautstark drauflos trällert, sind die Männchen. Und ihre Lieder sind in der heimischen Vogelwelt einzigartig.

Nachtigall-Männchen beherrschen im Durchschnitt 180 bis 200 verschiedenen Strophentypen.

Conny Landgraf vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin

„Nachtigall-Männchen beherrschen im Durchschnitt 180 bis 200 verschiedenen Strophentypen“, sagt Conny Landgraf vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin, die die Tiere schon seit Jahren erforscht. Diese variieren im Ton, in der Länge und der Tonhöhe. Es gibt zum Beispiel sogenannte Trills, Schläge oder Pfeifer. Die Männchen kombinieren diese Laute zu unterschiedlichen Strophen, die sie, von kurzen Pausen unterbrochen, nacheinander vortragen.

Wie bei anderen Singvögeln auch tauschen die Nachtigallen mit ihrem Gesang Informationen aus – und zwar nicht nur nachts. Tagsüber geht es bei dem Gesang wohl vor allem darum, die Reviere gegen andere Männchen abzustecken. In der Nacht aber werben sie um eine Partnerin.

Ab 23 Uhr wird gesungen – bis in den Morgen

Die Männchen, die bereits ein bis zwei Wochen früher aus den Winterquartieren ankommen und sehr ortstreu sind, erwarten die Weibchen dafür in ihren Revieren – manchmal sogar auf demselben Ast, auf dem sie bereits im letzten Jahr saßen. „Und dann legen sie los, so etwa gegen 23 Uhr“, sagt Conny Landgraf. „Dann singen sie stundenlang, bis in den Morgen.“ Und das so inbrünstig, dass ihre kleinen Körper dabei zittern und beben.

Warum sie das ausgerechnet nachts machen? „Sie performen ihren komplexen Gesang dann, wenn andere Vögel ruhig sind“, erklärt Landgraf. Damit besetzen sie quasi eine freie akustische Nische – und die Feinheiten ihres Gesangs kommen besonders gut zur Geltung.

Wählerische Weibchen

Die Weibchen lassen sich bei diesen Liebesgesängen übrigens nicht auf das erstbeste Männchen ein. „Sie fliegen von Revier zu Revier und hören sich den Gesang jeweils für eine Weile an, bevor sie sich entscheiden.“ Interessant dabei ist: Die Männchen liefern sich untereinander so etwas wie Gesangsduelle. Dabei singt ein Männchen eine Strophe – und ein anderes antwortet darauf. Manchmal sind sogar mehrere Männchen beteiligt.

In der Nachtigall-Forschung geht man davon aus, dass die Weibchen über den Gesang und die Art und Weise, wie die Männchen in den Duellen performen, verschiedene Qualitätsmerkmale erkennen. So hören sie zum Beispiel wohl, wie es um deren Gesundheit bestellt ist, wie viel Erfahrung sie haben – und sogar, ob sie gute Väter sind und bei der Brutpflege mitmachen. (dpa)

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