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Eine Lupe auf dem Logo der Berliner AfD und dem Bundesadler.

© IMAGO/Steinach

Mehr Befugnisse für den Verfassungsschutz in Berlin: Schwarz-Rot will Schweigen über Extremismusverdacht beenden

Berlins Verfassungsschutz darf nicht sagen, ob die AfD oder islamistische Gruppen als verfassungsfeindlicher Verdachtsfall eingestuft werden. Das wollen CDU und SPD nun ändern.

Wer im Verdacht steht, Extremist zu sein, soll in Berlin künftig vom Verfassungsschutz als solcher auch benannt werden dürfen. Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, will Schwarz-Rot noch in diesem Jahr dem Verfassungsschutz erlauben, wie in einigen anderen Bundesländern und im Bund auch, in der Hauptstadt über extremistische Verdachtsfälle zu informieren.

Das dürfte dann auch die AfD treffen. Denn bislang besteht die kuriose Situation, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD öffentlich als Verdachtsfall einstuft, die Berliner Behörde aber nichts darüber sagen darf. Das soll sich nun ändern.

Der Berliner Verfassungsschutz darf öffentlich nicht erklären, ob Parteien oder Gruppen als Verdachtsfälle eingestuft und damit mit nachrichtendienstlichen Mittel beobachtet werden dürfen – bis hin zur Überwachung von Telefonen und E-Mails. Erst wenn eine Organisation als gesichert extremistisch eingestuft wird – wie es etwa bei der AfD in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen der Fall ist –, darf der Berliner Verfassungsschutz auch darüber reden.

Ob die nötige Gesetzesnovelle noch vor den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen kommt, ist unklar. Durch den bisherigen Berliner Sonderweg sind dem hiesigen Verfassungsschutz oft die Hände gebunden, über den Verdacht auf eine Bestrebung gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu berichten.

Dennoch war bereits im Frühjahr 2021 unter Berufung auf Sicherheitspolitiker bekannt geworden, dass auch die Verfassungsschutzabteilung der Senatsinnenverwaltung die Berliner AfD als Verdachtsfall einstuft. Die Innenverwaltung erklärte seither wiederholt, dass sie das nicht kommentieren dürfe.

Die Reform wird keine Lex AfD.

Stephan Lenz, Sprecher für Verfassungsschutz der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus.

Die AfD klagte damals, scheiterte aber am Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG). Denn die AfD konnte allein mit Presseberichten dazu nicht nachweisen, dass sie als Verdachtsfall geführt wird. Die Innenverwaltung sei für die Berichte nicht verantwortlich, entschieden die Richter. Sie sei auch nicht zu einem Dementi verpflichtet, das würde sogar den Gesetzesregeln widersprechen.

„Wir werden das Berliner Verfassungsschutzgesetz noch in diesem Jahr anpacken. Unter anderem ist es hier Ziel, auch die sogenannte Verdachtsberichterstattung im Sinne des Verfassungsschutzrechts zu ermöglichen“, sagte Stephan Lenz, zuständiger Fachsprecher der CDU-Fraktion. „Der Verfassungsschutz muss auch in Berlin wie in anderen Bundesländern mitteilen dürfen, welche Gruppen und Vereinigungen als Verdachtsfälle für extremistische Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung eingestuft und beobachtet werden.“

Islamisten, Burschenschaften, Mullah-Regime – der Verfassungsschutz muss schweigen

Die AfD ist aber nicht der einzige Problemfall, zu dem der Verfassungsschutz bislang schweigen muss. Deshalb sagt Lenz: „Die Reform wird keine Lex AfD, die in anderen Bundesländern und im Bund ganz oder in Teilen als Verdachtsfall oder als gesichert extremistisch eingestuft wird.“

Bislang musste sich der Verfassungsschutz häufig zu verschiedenen Gruppen zurückhalten. Michael Fischer, Chef der Verfassungsschutzabteilung, darf oft nichts sagen.

Michael Fischer, Leiter der Verfassungsschutzabteilung in der Senatsinnenverwaltung.
Michael Fischer, Leiter der Verfassungsschutzabteilung in der Senatsinnenverwaltung.

© imago/Markus Heine

Regelmäßig müssen die Mitglieder des Verfassungsschutzausschusses des Abgeordnetenhauses deshalb bei Fragen zu Islamisten, Vertretern des iranischen Mullah-Regimes oder sogar zu Burschenschaften in den Geheimschutzraum gehen.

Lenz zufolge soll mit der Novelle dafür gesorgt werden, „dass die Berliner in umfassender Form erfahren, welche Extremisten, ob von links, rechts oder aus religiöser Motivation die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpfen“. Das würde den Verfassungsschutz als „Frühwarnsystem unserer demokratischen Gesellschaft“ stärken.

Daneben müssen die Berliner Gesetzesregeln ohnehin angepackt werden. Grund seien Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, etwa zu gerichtsähnlicher Vorabkontrollen für den Einsatz einiger nachrichtendienstlicher Mittel.

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