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Sozialarbeitende fordern „Taten statt leere Worte“

© Priska Wörl

Nach Brandbrief aus dem Kindernotdienst: Bis zu 450 Menschen demonstrieren vor Berliner Bildungsverwaltung

Der Kindernotdienst hatte vor Überlastung gewarnt. Bei einer Kundgebung forderten Sozialarbeiter nun bessere Arbeitsbedingungen – und ein Gespräch mit dem Staatssekretär.

Von Priska Wörl

Für mehr Personal, mehr Einrichtungsplätze und eine bessere Bezahlung: Am Dienstag haben mindestens 400 Sozialarbeiter:innen, Therapeut:innen und Tätige aus der Kinder-, Jugend und Frauenhilfe vor der Berliner Senatsbildungsverwaltung demonstriert. Das teilten die Veranstalter – die AG Weiße Fahnen, die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Deutsche Berufsverband für Soziale Arbeit (DBSH) – mit. Die Polizei bestätigte dem Tagesspiegel, dass in der Spitze bis zu 450 Menschen an der Demo teilnahmen.

„Seit über zehn Jahren wiederholen wir immer wieder, dass die Situation in der Jugendhilfe anhaltend katastrophal ist“, eröffnete Verena Bieler vom Berufsverband für soziale Arbeit die Kundgebung. Mit Pfeifen, Ratschen und lauten Rufen forderten die Demonstrierenden konkrete Handlungsschritte von der Politik. „Wir schützen Kinder, wer schützt uns?“, hieß es auf einem Banner.

Anfang Juni hatte der Berliner Kindernotdienst (KND) in einem Brandbrief an den Senat und den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) vor einer Überlastung gewarnt. „Unter unserem eigenen Dach kommt es immer wieder zu Kindeswohlgefährdungen“, hieß es in dem vierseitigen Dokument. In einem anschließenden Gespräch zwischen dem KND und Jugendstaatssekretär Falko Liecke (CDU) war Mitte Juni entschieden worden, dass der Dienst neu strukturiert und eine neue Leitung eingesetzt werden soll.

„Herr Liecke, komm raus!“, skandieren die Demonstrierenden vor dem Senatsgebäude.

© Priska Wörl

Es brenne aber nicht nur in den Notdiensten, sondern im ganzen System, sagt Verena Bieler, zweite Vorsitzende des Landesverbandes für soziale Arbeit, dem Tagesspiegel. Während der Corona-Pandemie seien Einrichtungen geschlossen worden, der Bedarf gestiegen. Inzwischen gebe es deshalb zu wenig Plätze in Kinder-, Jugend- und Mädcheneinrichtungen.

Nur noch Schadensbegrenzung

Notdienste wie der KND sind Anlaufstellen in Krisensituationen, Kinder und Jugendliche sollen dort eigentlich nur kurzzeitig für bis zu drei Tage untergebracht werden. Im KND bleiben die Kinder laut einem Bericht des RBB inzwischen aber teils mehrere Monate, weil langfristige stationäre Einrichtungen nicht genügend Plätze haben.

„In den regionalen sozialpädagogischen Diensten und in den Jugendämtern geht es inzwischen nur noch um Schadensbegrenzung“, berichtet Bieler. Sie selbst sei aus diesem Grund vor fünf Jahren vom sozialen in den beratenden Dienst gewechselt.

Allein bis März hatte der Kindernotdienst nach Angaben der Jugendverwaltung fünf Überlastungsanzeigen gestellt, in den zwölf Monaten davor war es nur eine. Gut 100 Stellen sind in Berlins Jugendämtern derzeit nicht besetzt.

„Wir stecken mitten im Kollaps“, sagt Verena Bieler. Den gesetzlichen Auftrag könnten die Kinder- und Jugendhilfen schon lange nicht mehr erfüllen, hieß es bei der Kundgebung.

Dort forderten die Demonstrierenden Staatssekretär Falko Liecke erneut zu einem Gespräch auf. „Herr Liecke, komm raus!“, skandierten sie. Unabhängig von der angemeldeten Kundgebung machten sich dann rund 15 Demonstrierende auf den Weg in das Senatsgebäude, um mit dem CDU-Politiker zu sprechen. Nach einigen Diskussionen verwies die Polizei die Demonstrierenden des Hauses.

Nach dem offiziellen Ende der Demo habe der Staatssekretär das Gespräch mit den Teilnehmer:innen gesucht, berichtet Bieler. „Wir konnten ihm das Versprechen abringen, dass er am 10. Oktober zu unserem Jugendhilfegipfel kommt und dass er konstruktiv mit den Ergebnissen umgeht“, sagte sie. Falko Liecke bestätigte dem Tagesspiegel seine Zusage: „Wenn ich eingeladen werde, komme ich natürlich gerne.“ 

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