zum Hauptinhalt
Berlin-Pankow, Maximilian- Ecke Mühlenstraße, wo am 29. April 2022 Zohra Mohammad Gul von ihrem Ex-Mann getötet wurde. Für sie wurden Blumen und Kerzen aufgestellt.

© Alexander Fröhlich

Update

„Eigensüchtig, verschlagen, bösartig“: Ehemann von Zohra G. wegen Mord in Berlin zu lebenslanger Haft verurteilt

Die sechsfache Mutter aus Afghanistan entzog sich mehr und mehr dem Besitzdenken ihres Mannes. Er erstach sie im April 2022 in Pankow.

| Update:

Rache war sein Motiv, als er mit einem Jagdmesser auf seine Ehefrau einstach. Davon war das Berliner Landgericht am Montag überzeugt. Gul A. wurde wegen Mordes an Zohra G., einer sechsfachen Mutter aus Afghanistan, zu lebenslanger Haft verurteilt.

„Ein klassischer Femizid“, sagte der Vorsitzende Richter Bernd Miczajka. Femizid bedeutet, dass Frauen aufgrund ihres Geschlechts getötet werden – also weil sie Frauen sind. „Er konnte nicht ertragen, dass sie nicht mehr bereit war, sich ihm unterzuordnen.“ Er habe Rache nehmen wollen, weil sie sich getrennt und ihn angezeigt hatte, er habe sie bestrafen wollen.

Am 29. April vorigen Jahres hielt sich Gul A. wieder einmal in der Nähe der Flüchtlingsunterkunft in Pankow auf, in der seine Frau mit den Kindern lebte. Er durfte das Heim wegen häuslicher Gewalt nicht mehr betreten. Es war 9.54 Uhr, als er an der Kreuzung Maximilian-/ Mühlenstraße an eine Frau mit Kopftuch herantrat.

13 Stiche – sie starb noch am Tatort

Sie hatte sich Wochen zuvor von Gul A. getrennt – sie wollte dieGewalt des Mannes nicht mehr hinnehmen, hatte sich nach ihrer Ankunft in Deutschland verändert – Schritt für Schritt in ein freieres Leben. „Er beschnitt sie in ihren Rechten“, hieß es im Urteil. „Er ist maßlos eigensüchtig, verschlagen, manipulativ und bösartig.“

Es hatte Drohungen durch Gul A. gegeben – auch vor den Kindern hatte er nach Aussage des ältesten Sohnes angekündigt, er werde die Frau töten. Zohra G. lebte seitdem in Angst. Sie wollte an jenem Morgen nur kurz zu einem Postbriefkasten. Plötzlich tauchte Gul A. auf. „Er wollte sie abpassen“, sagte der Richter. „Er war von Hass erfüllt, fühlte sich in seinem Ehrgefühl, seinem männlichen Stolz verletzt.“

Sie wollte sich aus seinem Griff lösen, er stach „mit unbedingtem Tötungswillen auf sie ein“, so das Gericht. 13 Stiche und Schnitte, dann ein tiefer Schnitt in den Hals. Sie starb noch am Tatort.

Gul A. hatte Zohra G. 2008 in Afghanistan nach islamischem Recht geheiratet – eine arrangierte Ehe sei es gewesen. Zohra G. brachte bis 2019 sechs Kinder zur Welt. 2016 habe die Flucht aus Afghanistan begonnen. Über mehrere Stationen kam die Familie Anfang 2020 in Berlin an und lebte in einem Flüchtlingsheim.

Der Mann aber habe nach der Ankunft in Berlin „alte Gewohnheiten“ wieder angenommen, sagt die Staatsanwaltschaft. Wenn sie sich nicht fügte, „neigte er zu Gewalt“. A. habe ein Frauenbild aus seiner Heimat verfolgt, habe Gleichberechtigung nicht akzeptieren wollen, sei eifersüchtig gewesen. Zohra G. wollte nicht länger ein gemeinsames Leben.

Nach zwei körperlichen Attacken im Februar und März 2022 musste Gul A. das Wohnheim in Pankow verlassen. „Schuld war Vater“, sagte der Sohn im Zeugenstand. Der Vater habe sich danach ständig in der Nähe der Unterkunft aufgehalten – „24 Stunden am Tag“.

Zohra G. wollte sich scheiden lassen. Es gab zuvor Treffen, in denen es um die Frage einer Versöhnung ging. Die Mutter lehnte ab. Seine Mutter habe seinem Vater auch Geld angeboten, das von ihrem Vater aus Afghanistan kam, schilderte der älteste Sohn. „Opa hatte ein Haus verkauft und 20.000 Euro geschickt.“ Seine Mutter habe seinem Vater angeboten: „Du kannst die Hälfte haben, wenn du uns in Ruhe lässt.“ Gul A. aber habe die gesamte Summe verlangt.

Zohra G. lebte zuletzt in Angst. „Großmutter sagte, sie soll nicht so oft rausgehen“, berichtete der 14-jährige Zeuge. Von den Drohungen hätten „Tante, Oma und Opa und die Polizei“ gewusst.

A. hatte die Tötung zugegeben, aber von einem „Unfall“ gesprochen. Er habe etwas „Dummes“ gemacht ohne Absicht, er sei provoziert worden. „Ein Jahr in Deutschland war meine Frau völlig in Ordnung, plötzlich war sie verwandelt.“ Die Verteidiger, die auf Totschlag wegen einer Affekttat plädiert hatten, kündigten bereits Revision an.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false