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09.07.2023, Berlin: Polizisten stehen vor dem Eingang des Sommerbad in Neukölln. Das Berliner Freibad wird wegen seiner Lage am Columbiadamm auch Columbiabad genannt. Zum wiederholten Male war ein Berliner Freibad wegen Rangeleien und renitenter Besucher frühzeitig geschlossen und geräumt worden. Foto: Carioline Bock/dpa - ACHTUNG: Person(en) wurde(n) aus rechtlichen Gründen gepixelt +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa/Carioline Bock

Update

Nach Gewaltausbrüchen in Berlin: Polizei vor dem Prinzenbad in Kreuzberg präsent – Wegner kündigt kurzfristig Maßnahmen an

Immer wieder kommt es in Freibädern zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Insbesondere in Berlin. Nun diskutiert die Polizei über Lösungen.

| Update:

Die derzeitige Schließung des bekannten Berliner Columbiabads nach einer Auseinandersetzung hat erneut eine Diskussion über die Sicherheit in Freibädern ausgelöst. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) kündigte kurzfristige Maßnahmen an.

„Darüber bin ich im Gespräch mit der Innensenatorin. Wir werden nicht dulden, dass die Freibäder zu rechtsfreien Räumen werden“, sagte Wegner am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. „Mich bewegt das Thema sehr. Die Situation, die wir in einigen wenigen Freibädern haben, werden wir uns genau anschauen.“

Wie die Maßnahmen konkret aussehen könnten, sagte er zunächst nicht. Wegner deutete aber an, dass er Polizeipräsenz in den Bädern kritisch sieht. „Ich sehe die Überstunden bei der Berliner Polizei, ich sehe die Belastungen bei der Berliner Polizei – und ich werde nicht jedes Bad mit mehreren Hundertschaften überwachen können, weil wir hier auch die Berliner Polizistinnen und Polizisten schützen müssen“, sagte der CDU-Politiker.

„Wir müssen Maßnahmen treffen, die so gut sind, dass die Sicherheit in den Bädern gewährleistet wird und dass die Polizisten nicht das Gefühl haben, sie werden verbrannt. Wir müssen schauen, dass wir mit den Sicherheitsfirmen, die wir da einsetzen, gute Bedingungen schaffen.“ 

Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) holte unterdessen Polizei, Bäderbetriebe und Sozialvereine am Dienstagabend an einen Tisch, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Die Senatorin machte dabei deutlich, dass sie von den Bäder-Betrieben erwartet, dass diese die Situation in den Griff bekommen.

„Die Berliner Bäder-Betriebe müssen für die Sicherheit in ihren Anlagen Sorge tragen und den Menschen, die Erholung suchen, offenstehen“, betonte Spranger. In ihrem Haus sei eine neue Arbeitsgruppe eingerichtet worden, die bestehende Maßnahmen auswerten und weitere Aspekte beleuchten solle. Dabei gehe es auch um Themen wie eine Beschränkung von Badegästen.

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Badenberg zu Freibädern: Müssen als Gesellschaft sehr aufmerksam sein

Justizsenatorin Felor Badenberg rief dazu auf, sich genauer mit dem Thema Jugendgewalt zu beschäftigen. „Wir müssen als Gesellschaft insgesamt sehr aufmerksam sein“, sagte Badenberg am Mittwoch bei einem Termin in der Charité. Kinder würden nicht als Kriminelle geboren, einige entwickelten sich aus unterschiedlichen Gründen mit der Zeit aber in diese Richtung. „Da müssen wir als Gesellschaft einfach aufmerksam sein, um möglicherweise auch auf solche Fehlentwicklungen hinzuweisen“, sagte Badenberg.

Insgesamt müsse beim Thema Jugendgewalt genauer hingeschaut und sich mit dem Thema beschäftigt werden. Die Senatorin verwies auf einen Jugendgipfel für Berlin, der im Herbst stattfinden soll. Dabei stünden unter anderem die Themen Prävention, Bildung und Strafverfolgung auf der Tagesordnung.

Innenministerin Faeser für Polizeipräsenz in Freibädern

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat sich derweil für Polizeipräsenz in den Einrichtungen ausgesprochen. Der Rechtsstaat müsse gerade in öffentlichen Schwimmbädern, wo viele Kinder und Jugendliche seien, hart gegen Gewalt vorgehen, sagte Faeser am Mittwoch in Berlin. „Das heißt auch: Polizeipräsenz. Ich will das ganz deutlich sagen“, betonte Faeser.

Die Ministerin verwies zudem auf die große Bedeutung von Prävention. Es müsse „ganz früh“ dafür gesorgt werden, dass Kinder und Jugendliche nicht gewalttätig werden. „Kinder sind von sich aus nie gewalttätig, sie werden durch Umstände so gemacht“, sagte Faeser. Konkret müsse nach möglichen Ansatzpunkten in Kitas und Schulen geschaut werden, auch Prävention gegen häusliche Gewalt sei an dieser Stelle wichtig.

Merz für konsequentes Durchgreifen der Polizei 

CDU-Chef Friedrich Merz hat ein konsequentes Durchgreifen der Polizei verlangt. „Hier wird an einer höheren Polizeipräsenz in den Freibädern nichts vorbeiführen“, sagte Merz, der auch Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag ist, am Mittwoch nach Beratungen der Spitzengremien seiner Partei in Berlin auf eine entsprechende Journalistenfrage. „Das muss auch so vollzogen werden, dass diese Jugendlichen auf absehbare Zeit die Freibäder nicht gleich wieder betreten dürfen“, ergänzte er.

Es seien genügend rechtsstaatliche Mittel vorhanden, um dies auch durchzusetzen. Die CDU nehme mit großem Befremden zur Kenntnis, was in sehr vielen Freibädern Deutschland in diesem Jahr erneut passiere, sagte Merz. „Das sind offensichtlich größere Gruppen von enthemmten Jugendlichen, bei weitem nicht nur mit Migrationshintergrund, aber auch mit Migrationshintergrund.“ Für alle gleichermaßen könne nur gelten: „Hier muss die Polizei eingreifen und hier müssen auch Platzverweise und Betretungsverbote ausgesprochen werden. Und das muss auch kontrolliert werden.“ 

In Berlin ist die Polizei jedoch bereits lageabhängig in Freibädern präsent. Polizeilich relevant seien aber nicht alle Freibäder, sagte eine Sprecherin Ende Juni dem Tagesspiegel. Man führe nicht erst seit diesem Jahr lageangepasste Maßnahmen durch, präventiv und repressiv. Je nach Bedarf werden vor und in den Bädern Präsenz gezeigt – von der mobilen Wache auf Rädern bis zu Streifen, Kontaktbereichsbeamten und Gruppen von Einsatzhundertschaften. Auch Beamte in Zivil seien im Einsatz.

Am Mittwoch war die Polizei zum Ferienstart mit einer mobilen Wache vor dem Prinzenbad in Friedrichshain-Kreuzberg präsent. Mit Blick auf die derzeitige Schließung des nur wenige Kilometer entfernten Columbiabads war der Einsatzort der mobilen Wache der Direktion 5 am Mittwoch kurzerhand vor das Prinzenbad verlegt worden, wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr.

Mehr Polizisten in den Schwimmbädern erteilte Benjamin Jendro, Sprecher der Berliner Gewerkschaft der Polizei (GdP), eine Absage: „Es ist immer leicht, Polizeipräsenz zu fordern. Das ist bei Straftaten auch vollkommen in Ordnung. Aber Polizisten sind keine Bademeister.“ Es müssten professionelle Sicherheitsdienste angestellt werden. Die Bäder-Betriebe geben nach eigenen Angaben bislang rund 1,5 Millionen Euro für private Sicherheitsfirmen aus.

Grüne fordern „berlinweites Hausverbot“

Die Berliner Grünen-Fraktion fordert ein Hausverbot für Gewalttäter. Wenn „einige Hitzköpfe“ in den Bädern immer wieder bewusst über die Stränge schlagen würden, sei das nicht hinnehmbar und vor allem für die Beschäftigten in den Bädern ein Risiko, erklärte der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Vasili Franco, am Mittwoch.

„Deshalb sollte bei gewalttätigen Mehrfachtätern ein berlinweites Hausverbot für die Berliner Bäder ausgesprochen werden.“ Generell sei ein kluges Sicherheitskonzept nötig, das Prävention und Ansprechbarkeit von Sicherheitspersonal in den Vordergrund stelle. Zur Frage, wie das Hausverbot umgesetzt und kontrolliert werden soll, äußerte sich Franco in der Mitteilung nicht.

Wenn Bäder nun geschlossen werden, bedeutet das, dass es weniger Räume gibt, wo Menschen sich bei der Hitze aufhalten und abkühlen können.

Klara Schedlich, Sprecherin für Sportpolitik der Berliner Grünen-Fraktion

Schwimmbäder sind soziale Orte, an denen sich alle wohlfühlen sollen“, ergänzte die Sprecherin für Sportpolitik der Fraktion, Klara Schedlich. „Wenn Bäder nun geschlossen werden, bedeutet das, dass es weniger Räume gibt, wo Menschen sich bei der Hitze aufhalten und abkühlen können.“ Vor allem für Jugendliche falle dann eine kostengünstige Freizeitbeschäftigung in den Sommermonaten weg. „Das sollte nicht zur Regel werden.“ Gerade für von Armut betroffene Familien seien mehr und nicht weniger gute Angebote für die Ferien nötig.

Berliner Sozialarbeiter plädiert für mehr Kontakt zu Eltern

Der Berliner Sozialarbeiter Kazim Erdogan plädiert dafür, auf die Eltern von auffälligen Jugendlichen zuzugehen. „Ich bin mir sicher, wenn ich zu den Familien dieser jungen Menschen gehen würde und das darstelle, was sich abgespielt hat, dann werden 90 Prozent der Familien sagen, wir haben davon nichts gewusst“, sagte Erdogan, Vorstand des sozialen Vereins Aufbruch Neukölln und Vorsitzender des Berliner Beirats für Familienfragen, am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur.

„Ja, die Behörden könnten härter durchgreifen, aber alleine mit härteren Strafen und Strafmaßnahmen ist keine Schule zu machen“, betonte Erdogan. Er fordert Angebote für Eltern dieser jungen Menschen, Infoveranstaltungen zu Themen wie Gewalt oder Drogen. „Ich schreie seit Jahrzehnten, dass wir Kontakt zu den Familien aufnehmen müssen.“ Wenn man es nicht schaffe, die Eltern für diese Themen zu sensibilisieren, dann werde vieles auf der Strecke bleiben.

Wie dramatisch sich die Situation teils darstellt, macht ein Brandbrief von Mitarbeitern des Columbiabades in Neukölln deutlich, der dem Tagesspiegel vorliegt. Erst am Sonntagabend war das Bad erneut wegen Rangeleien mithilfe der Polizei geräumt worden. Seither ist es geschlossen, laut dem landeseigenen Unternehmen „krankheitsbedingt“, vermutlich die gesamte Woche. Dem Tagesspiegel sagten Mitarbeiter jedoch: „Wir haben um Hilfe gebeten, es wird viel geredet, aber es passiert nichts. Wir können nicht mehr.“ Mehr über die Zustände im Bad lesen Sie hier. Zu den Vorwürfen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Columbiabads lag am Mittwoch zunächst keine Stellungnahme der Bäderbetriebe vor. (dpa/Tsp)

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