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Durchgestrichen: Der Bussonderfahrstreifen auf der Clayallee zwischen Argentinischer Allee und Riemeisterstraße gilt nicht mehr.

© Boris Buchholz

Nach Niederlage vor Gericht wegen Clayallee: Berliner Senat stoppt Arbeit an neuen Busspuren

Erst nach Aufarbeitung der juristischen Niederlage sollen in Berlin wieder neue Busspuren eingerichtet werden. Bis dahin könnten Monate vergehen.

Seit Jahren kommt Berlin mit der Anordnung neuer Busspuren nicht voran. Nun wird die Arbeit daran bis auf Weiteres komplett eingestellt. Dies teilte die Verkehrsverwaltung auf Anfrage mit. „Zurzeit sind alle noch in Prüfung befindlichen Bussonderfahrstreifen (BSF) zurückgestellt“, sagte Jan Thomsen, der Sprecher von Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne). Nur die bereits angeordneten Spuren sollen noch umgesetzt werden.

Damit reagiert die Verwaltung auf die juristische Niederlage bei der Clayallee in Zehlendorf. Dort hatten Anwohner gegen den im Mai markierten Bussonderstreifen geklagt, weil ihnen die Parkplätze weggenommen wurden. Vor Gericht bekamen die Kläger mit ihrem Eilantrag recht. Die Begründung: Die BVG lässt auf der Clayallee zu wenig Busse fahren, als dass sich eine eigene Spur lohnen würde. Eine bundesweit geltende Verwaltungsvorschrift fordert mindestens 20 Linienbusse pro Stunde – auf der Clayallee fahren in der stärksten Stunde nach amtlichen Angaben nur neun Busse. Tatsächlich sind es mehr, wie wir berichteten, nämlich fast 20 in der stärksten Stunde. Wieso die amtlichen Zahlen so stark von abweichen, blieb unklar.

Dasselbe Problem gilt für viele von der BVG gewünschte neue Spuren. Bei den meisten angeordneten, aber noch nicht markierten BSF sind weniger als 20 Busse pro Stunde unterwegs. Dies geht aus einer Antwort der Verkehrsverwaltung auf eine Anfrage des FDP-Abgeordneten Felix Reifschneider hervor. Demnach fahren am Ostpreußendamm in Steglitz und auf der Weddinger Prinzenallee ebenfalls nur neun Busse pro Stunde, also nicht mal die Hälfte der geforderten 20.

Für mehr Busse fehlen Geld, Fahrer und Fahrzeuge

Auf zahlreichen anderen Straßen sind zwölf Busse pro Stunde unterwegs, also nur etwas mehr als die Hälfte der Mindestanforderung. Insgesamt sind laut Verkehrsverwaltung 22 Abschnitte für 17 Berliner Straßen rechtlich angeordnet, aber noch nicht markiert. Nur bei sechs der in der Antwort genannten Abschnitte sind stündlich mehr als 20 Busse unterwegs, Spitzenreiter ist die Schillstraße in Tiergarten mit 30 Linienbussen pro Stunde.

Eine Lösung könnten mehr Busse sein. Doch dazu fehlen der BVG Geld, Fahrer und Fahrzeuge. So heißt es in der Antwort der Verwaltung lapidar: „Planungen zur Erhöhung der Busfrequenzen sind dem Senat nicht bekannt.“

Wie berichtet, hat Berlin auf eine Beschwerde gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zur Clayallee verzichtet. Die neuen Markierungen wurden bereits als ungültig gekennzeichnet. Bis wann die Verwaltung die Causa Clayallee klären will, kann Jan Thomsen nicht sagen. Dennoch verbreitet er Hoffnung: Die interne juristische Klärung werde „möglicherweise neue Erkenntnisse“ bringen.

Wo eine Busspur ist, ist fast immer auch ein Falschparker.

© Jürgen Ritter/Imago

Möglich wäre zum Beispiel, eine geringere Frequenz als die 20 Busse pro Stunde genau zu begründen. Bei der Clayallee hatte die Verwaltung darauf verzichtet, wie das Gericht bemängelte. „Es geht auch um den Nachweis, dass nur mit einer Busspur signifikante Störungen des Linienverkehrs zu beheben sind, um einen geordneten, zügigen Betriebsablauf zu gewährleisten“, teilte Thomsen mit.

Und noch ein weiteres Kriterium muss beachtet werden. Laut Thomsen „gilt es zu belegen, dass mit einem BSF eine existierende konkrete Gefahrenlage beseitigt werden kann“. Als Gefahrenlage werde eine Situation gewertet, „die durch eine Störung der Ordnung des Verkehrs den regulären Betriebsablauf des Linienverkehrs gefährdet“.

Der Widerspruch wird eher gründlich als schnell bearbeitet.

Die Verkehrsverwaltung über die Klage der Anwohner

Kürzer formuliert: Eine Busspur ist nur dann erlaubt, wenn anders die Busse nicht beschleunigt werden können – und es muss nachgewiesen werden, dass es ohne Busspur gefährlicher ist als mit. Dann, so die Hoffnung der Verwaltung, „kann es Abweichungen von der in den Verwaltungsvorschriften zur Straßenverkehrsordnung genannten Mindestfrequenz von 20 Bussen pro Stunde geben“.

Juristisch steht die nächste Runde bevor

Ob das gelingt, ist unklar. Viel realer ist die Gefahr, dass nach dem Clayallee-Urteil Anwohner in anderen Bezirken klagen. Heiner von Marschall, Landeschef des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) befürchtet: „Wenn eine solche Busfrequenz zugrunde gelegt würde, wie es das Gericht tut, dann müssten deutschlandweit wohl viele Busspuren verschwinden. “

Zunächst einmal steht juristisch die nächste Runde an der Clayallee bevor. Denn die Anwohner haben parallel zum Eilantrag vor Gericht gegen die Anordnung des Busstreifens Widerspruch bei der Senatsverwaltung eingelegt. Erst wenn der Widerspruch entschieden ist, könnten die Anwohner – wenn sie mit dem Ergebnis unzufrieden sind – innerhalb von vier Wochen vor dem Verwaltungsgericht klagen. Die Verkehrsverwaltung bearbeitet derzeit den Widerspruch der Anwohner und hat angekündigt, „eher gründlich als schnell vorzugehen“. Eine Frist gebe es nicht.

Berliner Busse werden immer langsamer. Trotz aller Ankündigungen, den öffentlichen Nahverkehr zu beschleunigen, lag das Durchschnittstempo vergangenes Jahr bei 17,9 Kilometern pro Stunde – im Jahr 2017 waren es noch 18,1 Kilometer pro Stunde. Der Fahrgastverband Igeb fordert seit Jahren mehr Busspuren, schon um den Personalmangel zu kompensieren. Denn wären die Busse schneller unterwegs, wären weniger Fahrer erforderlich.

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