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Kai Wegner (CDU), Berlins neuer Regierender Bürgermeister, leistet im Berliner Abgeordnetenhaus seinen Amtseid.

© dpa/Christophe Gateau

Nach umstrittener Wegner-Wahl: Berliner Fraktionschefs gegen Ende der geheimen Abstimmung im Parlament

Ob Kai Wegner auch mit Stimmen der AfD zum Regierenden gewählt wurde, bleibt unklar. Die Forderung, deshalb die Wahlen nicht mehr geheim abzuhalten, lehnen jedoch alle Fraktionschefs ab.

Die Fraktionsvorsitzenden im Berliner Abgeordnetenhaus stellen sich geschlossen gegen die nach der umstrittenen Wahl von Kai Wegner (CDU) zum Regierenden Bürgermeister aufgekommene Forderung, geheime Wahlen im Parlament abzuschaffen.

„Weder Bürger noch Abgeordnete unterliegen in ihrem jeweiligen Wahlverhalten der Kontrolle. Im Gegenteil sind sie frei, und deswegen sind Wahlen geheim. Diesen Grundpfeiler unserer freiheitlichen, demokratischen Grundordnung stelle ich nicht wegen rechtsradikaler Lügenmärchen infrage“, sagte der neue Vorsitzende der CDU-Fraktion Dirk Stettner dem Tagesspiegel.

Die Abgeordneten in einer repräsentativen Demokratie seien Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

Wir haben mit 86 Stimmen exakt die Stimmen von CDU und SPD zur Wahl von Kai Wegner erhalten. Da gibt es keinen Grund zum Zweifel.

Dirk Stettner, CDU-Fraktionschef, zur Wahl von Kai Wegner

Stettner wies zudem erneut die Vermutung zurück, Wegner könnte mit Stimmen der AfD zum Regierenden gewählt worden sein: „Wir haben mit 86 Stimmen exakt die Stimmen von CDU und SPD zur Wahl von Kai Wegner erhalten. Da gibt es keinen Grund zum Zweifel.“

Wegner war am vergangenen Donnerstag vom Berliner Abgeordnetenhaus erst im dritten Wahlgang zum Regierenden Bürgermeister gewählt worden. Er erhielt dabei 86 Stimmen, so viele wie die schwarz-rote Koalition im Parlament Sitze hat. Jedoch behauptet die AfD, dass auch mehrere Mitglieder ihrer Fraktion für Wegner gestimmt hätten. Überprüfen lässt sich das nicht.

Auch angesichts dieses Falls plädierte der Politikwissenschaftler Frank Decker in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel für ein Ende der geheimen Abstimmungen im Parlament. Die geheime Wahl lasse sich demnach mit demokratischen Grundsätzen nur schwer vereinbaren.

Politikwissenschaftler plädiert für Ende der geheimen Wahl im Parlament

„Indem sie es den Wählerinnen und Wählern unmöglich macht nachzuvollziehen, wie die Abgeordneten das von ihnen erteilte Mandat ausüben, enthebt sie diese von der Pflicht, sich gegenüber der Wählerschaft für ihr Tun und Lassen zu verantworten. Verantwortlichkeit ist aber das Grundprinzip der parlamentarisch-demokratischen Regierungsform“, schreibt Decker in seinem Beitrag.

Dem widerspricht der SPD-Fraktionsvorsitzende Raed Saleh. „In der Wissenschaft wird das seit langem diskutiert; ich finde die deutsche Verfassungslage zur geheimen Personenwahl auch als Fraktionsvorsitzender dennoch richtig, zumal sie die besondere Stellung der Abgeordneten unterstreicht.“

Durch eine geheime Wahl kann sichergestellt werden, dass jede*r frei, und ohne Konsequenzen im parlamentarischen Raum fürchten zu müssen, die Stimme abgeben kann.

Werner Graf, Grünen-Co-Fraktionschef

Auch der Co-Chef der Grünen-Fraktion Werner Graf stellt sich gegen die Forderung. „Durch eine geheime Wahl kann sichergestellt werden, dass jede*r frei, und ohne Konsequenzen im parlamentarischen Raum fürchten zu müssen, die Stimme abgeben kann“, sagte er dem Tagesspiegel.

Es sei entscheidend für eine stabile Regierung, das wirkliche Vertrauen des Parlaments und somit eine Mehrheit der Abgeordneten hinter sich zu haben. Daher gehöre es „zur Führungsaufgabe von Fraktionsspitzen, auch vor dem Hintergrund des hohen verfassungsrechtlichen Guts des freien Mandats, eine stabile Mehrheit aus den eigenen Reihen zu bilden, die auch in einer geheimen Wahl trägt.“

Ähnlich äußerte sich die Linke-Co-Fraktionsvorsitzende Anne Helm. Eine solche Änderung stehe dem freien Mandat entgegen und würde „das Parlament teilweise entmachten“, erklärte sie.

„Eine Disziplinierung der Abgeordneten durch eine offene Abstimmung würde die Macht von den frei gewählten Abgeordneten hin zu den Parteiführungen verschieben.“ Das Vertrauensvotum der Legislative für die Regierung würde dadurch entwertet, sagte Helm.

Selbst die Chefin der AfD-Fraktion Kristin Brinker, die mit ihrer Behauptung die aktuelle Debatte ausgelöst hatte, sieht keinen Grund für ein Ende der aktuellen Regelung. „Würden geheime Abstimmungen abgeschafft, wären die einzelnen Abgeordneten nur noch Erfüllungsgehilfen für die Beschlüsse ihrer Führungsriegen und damit im Grunde überflüssig“, erklärte sie.

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