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Einsätze in ganz Berlin: Eine Beamtin hat die Karte mit den Ermittlerteams im Blick.

© Paul Zinken/dpa

Update

Großrazzia gegen Pädokriminelle: Berliner Polizei durchsucht mehr als 40 Wohnungen nach Bildern von Kindesmissbrauch

Die Verdächtigen sind zwischen 17 und 84 Jahre alt: Mehr als 200 Beamte stellten bei einer Razzia gegen mutmaßliche Pädokriminelle Dutzende von Geräten sicher.

Die Aktion war lange geplant und geheim gehalten: In mehr als 40 Wohnungen in Berlin haben Ermittler seit dem frühen Mittwochmorgen Durchsuchungen durchgeführt. Grund war in allen Fällen der Verdacht auf Besitz von Bild- und Videodateien, die schweren sexuellen Missbrauch an Kindern zeigen. Die Großrazzia lief seit sechs Uhr und dauerte den ganzen Morgen an.

Die Tatverdächtigen sind zwischen 17 und 84 Jahre alt, zwei Drittel sind bereits polizeibekannt wegen verschiedener Delikte. Die einzelnen Verfahren hängen jedoch nicht miteinander zusammen. Es wurden auch keine Haftbefehle vollstreckt.

Einige der insgesamt 42 Tatverdächtigen – ausschließlich Männer – sollen Missbrauchsbilder über Whatsapp geteilt, andere Bilder auf Instagram und Facebook hochgeladen haben.

Ein Verdächtiger soll Nacktbilder einer minderjährigen Bekannten ins Netz gestellt und sich dafür ein Fakeprofil angelegt haben.

Einsätze in nahezu allen Berliner Bezirken

Mehr als 200 Beamte waren im Einsatz. Eingespannt sind Ermittler der Kommissariate LKA 131, 136 und 137, die in Berlin zuständig für die Bekämpfung von sogenannter „Kinderpornografie“ sind. Die Beamten verfügten stadtweit über 43 Durchsuchungsbeschlüsse - für 42 Wohnungen und eine Gartenlaube. Der Einsatz erstreckte sich auf nahezu alle Berliner Bezirke. Sechs Wohnungen mussten die Einsatzkräfte gewaltsam öffnen, wie die Polizei am Mittag in einer Pressekonferenz mitteilte.

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Zur Sicherung von Beweisen stellten die Ermittler 25 Computer, 28 Laptops und 64 Mobiltelefone sicher, die nun ausgewertet werden sollen. Als Beifang wurde eine kleine Marihuana-Plantage gefunden. Alle konfiszierten Geräte wurden zunächst in die Keithstraße in Tiergarten zum Dezernat für Sexualdelikte gebracht. Dort befand sich auch das Einsatzzentrum, von dem aus die aktuelle Aktion koordiniert wird.

Die Einsatzzentrale der Berliner Polizei in der Keithstraße in Tiergarten am Mittwochmorgen.
Die Einsatzzentrale der Berliner Polizei in der Keithstraße in Tiergarten am Mittwochmorgen.

© Sebastian Leber

Dezernatsleiterin Norma Schürmann zufolge sind die Fälle über „automatisierte Meldewege“ an das LKA weitergeleitet worden, zum Teil stammen die Hinweise aus den USA. Die Berliner Beamten haben nicht selbst im Internet ermittelt.

Norma Schürmann leitet die Ermittlungen zum Kindesmissbrauch.
Norma Schürmann leitet die Ermittlungen zum Kindesmissbrauch.

© Paul Zinken/dpa

Die Ermittler waren bei den Hausdurchsuchungen in Zivil unterwegs. Zwar gab es uniformierte Unterstützungskräfte, diese blieben zunächst jedoch im Hintergrund. „Wir wollen so unauffällig wie möglich vorgehen“, sagte Schürmann. „Niemand soll unnötig an den Pranger gestellt werden.“ Schließlich handele es sich lediglich um Verdachtsfälle.

Mehr Personal: Seit April 50 Ermittler gegen Missbrauchsdarstellungen

Die größere Aktion sei auch dank einer Personalaufstockung bei der Berliner Polizei möglich geworden, sagte Schürmann. Seit 1. April seien zwei neue Kommissariate hinzugekommen. Statt den bisher weniger als 30 ermittelten nun 50 Beamte im Bereich der Darstellung von Kindesmissbrauch.

[Lesen Sie mehr: Warum der Kampf der Berliner Polizei gegen Kindesmissbrauch lange aussichtslos war (T+)]

300 ähnliche Durchsuchungen habe es im vergangenen Jahr in Berlin gegeben. „Die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, wird für die Täter beim Thema Kinderpornografie immer höher“, sagte Schürmann. In den USA würden die Netzbetreiber mit Algorithmen den Datenverkehr durchforsten und Verdachtsfälle und deren IP-Adressen dem National Center for Missing and Exploited Children (NCMEC) melden. Die IP-Adressen werden dann in andere Staaten weitergeleitet.

„Das Gros der Verdachtsfälle in Deutschland wird von NCMEC gemeldet. Es gibt inzwischen wahnsinnig viel Verfahren“, sagte Schürmann. Zehntausende Hinweise erhalte das BKA jährlich so und leite sie weiter an die Landeskriminalämter. Durch Gesetzesänderungen seien auch die deutschen Betreiber künftig zu derartigem automatisierten Scannen des Datenverkehrs verpflichtet.

Schlag gegen Darknet-Plattform „Boystown“ mit 400.000 Mitgliedern

Erst im April gelang der Polizei in Deutschland ein schwerer Schlag gegen die Verbreitung von Missbrauchsabbildungen, als Ermittler des Bundeskriminalamtes die Darknet-Plattform „Boystown“ abschalteten. Diese hatte zuletzt mehr als 400.000 Mitglieder und war in zehn Sprachen abrufbar.

Die drei Hauptbeschuldigten im „Boystown“-Komplex stammten aus Deutschland: Ein 40-Jähriger aus dem Kreis Paderborn, ein 49-Jähriger aus dem Landkreis München und ein 58-Jähriger aus Norddeutschland, der seit mehreren Jahren in Südamerika lebt, sitzen mittlerweile in Untersuchungshaft. Sie sollen als Administratoren der Seite tätig gewesen sein. Die jüngste Großrazzia steht jedoch mit der Abschaltung der Plattform „Boystown“ in keinem Zusammenhang.

Anfang dieses Monats war das Thema Kindesmissbrauch erneut in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt, als das Amtsgericht Düsseldorf den ehemaligen Fußball-Nationalspieler Christoph Metzelder für die Weitergabe von "kinder- und jugendpornografischen Dateien" zu einer zehnmonatigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilte. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig. (mit dpa)

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