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Im Februar 2018 verübten mutmaßlich Rechtsextreme einen Brandanschlag auf das Auto des Linken-Politikers Ferat Kocak.

© Die Linke Berlin/Ferat Kocak

Update

Rechte Anschlagsserie in Berlin-Neukölln: Hat ein Polizist Dienstgeheimnisse weitergegeben?

Ein früherer Kontaktbeamter steht im Verdacht, Daten an Dritte weitergegeben zu haben. Am Freitag betonte er im Untersuchungsausschuss, dass er mit Rechten nie zusammengearbeitet habe.

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Der Verdacht wiegt schwer: Hat der Polizeibeamte Norbert M. Betroffene rechter Gewalt betreut und gleichzeitig Daten an Rechte weitergegeben? Zumindest ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft gegen den Berliner Beamten wegen des Vorwurfs, Dienstgeheimnisse an eine nicht näher benannte Kontaktperson weitergegeben zu haben. Am Mittwoch wurden unter anderem seine Wohnung und Dienststelle durchsucht.

Am Freitag saß M. dann dem Untersuchungsausschuss im Abgeordnetenhaus gegenüber, der sich mit den rechten Anschlägen in Neukölln befasst. Dass er in irgendeiner Form näheren Kontakt zu Neonazis gehabt habe, schloss er kategorisch aus. Zwar schloss sein Anwalt zu Beginn der Sitzung aus, dass M. sich zu dem gegen ihn laufenden Verfahren äußern würde oder auch dürfe. Allerdings ließen seine Äußerungen im Ausschuss durchaus einige Rückschlüsse zu.

„Wenn man sich gegen den Rechtsextremismus bekennt, wenn man seinen Dienst aus Überzeugung macht, dann ist das ein doppelter Gewinn“, betonte M. gleich zu Beginn seiner Ausführungen. Er sei schon vor seiner Tätigkeit in der sogenannten Ermittlungsgruppe Rechtsextremismus (EG Rex) durch seine persönliche Einstellung gegen Rechts in der Kollegenschaft aufgefallen, sagte er.

M. Einheit sollte vor allem Präsenz zeigen

M. war seit ihrer Gründung 2007 bis zu ihrer Auflösung 2016 Teil der EG Rex und anschließend auch der Nachfolgeeinheit OG Rex (Operative Gruppe Rechtsextremismus). Beide Gruppen waren beim lokalen Abschnitt angesiedelt. Sie hatten primär die Aufgabe, Netzwerkarbeit mit den Betroffenen rechter Anschläge zu betreiben und den Rechten gegenüber Präsenz zu zeigen. Oder, wie M. es ausdrückte: „Wir haben durch unsere Anwesenheit versucht, die Nazis zu nerven und zu stören und waren natürlich nicht gerne gesehen.“

Zugleich betonte M. mehrfach, dass er und seine zuletzt zwei Kollegen nicht über Ermittlungsergebnisse informiert wurden. „Wir sind mit null Wissen zu den Betroffenen gegangen und haben um Verständnis gebeten. Selbst wenn wir etwas gewusst hätten, hätten wir es nicht erzählen dürfen. Es war so, wie die Betroffenen es beschrieben haben – dass es quasi keinen Informationsaustausch gab“, sagte M. Auch über Einsätze der parallel ermittelnden Gruppe EG Resin im Landeskriminalamt seien er und seine Kollegen nicht informiert worden.

Gab M. Daten an einen Linken weiter, der sich als Rechter ausgab?

Zugleich schien M. gar nicht zu wissen, woher überhaupt der Verdacht stammen könnte, dass er Dienstgeheimnisse weitergegeben haben soll. Laut Recherchen der „Welt“ soll M. versucht haben, einen Informanten oder eine Informantin zu werben, die sich szeneintern als rechtsextrem ausgegeben hat, aber tatsächlich eher dem linken Spektrum zuzuordnen sei.

M. selbst schloss in seinen Antworten an die Abgeordneten allerdings konkret aus, Daten weitergegeben zu haben, an rechte und an linke Kreise. Abseits der Betroffenen und Initiativen habe es keine Kontakte gegeben, sagte M. Er schloss auch aus, dass jemand sich bei der Neuköllner Neonaziszene überhaupt hätte einschleusen können.

Der Mann, der den Keller renovierte, kannte auch Neonazis

Einen anderen Hinweis lieferte M. allerdings auch selbst: Er sei 2021 aus der OG Rex heraus versetzt worden, obwohl er gerne weitergearbeitet hätte. Die Hintergründe schilderte M. wie folgt: 2018 habe der Pflegevater der Schwester seines Pflegekindes seinen Keller renoviert.

Später habe er auf Fotos entdeckt, dass derselbe Mann auch den Keller des in der Tatserie hauptverdächtigen Neonazis Sebastian T. renoviert habe. „Ach du Kacke“, sei seine Reaktion gewesen, er habe das sofort gemeldet. Er habe sonst keinen Kontakt zu dem Mann gehabt und mit diesem nicht über die Arbeit geredet, auch aus Sicht seiner Vorgesetzten habe er in dem Vorfall „alles richtig gemacht“.

Die Rudower Szene ist sehr speziell: Die sind alle zusammen in den Kindergarten und zur Schule gegangen. Da ist man nicht rangekommen, weil die sich alle kannten.

Norbert M. über Zugänge zur rechten Szene in Süd-Neukölln

„Die Rudower Szene ist sehr speziell: Die sind alle zusammen in den Kindergarten und zur Schule gegangen. Da ist man nicht rangekommen, weil die sich alle kannten“, sagte M. Ähnlich hatten sich bei anderen Sitzungen des Ausschusses auch bereits Ermittler geäußert: Der Leiter des Landeskriminalamtes, Christof Steiof, erklärte etwa, dass das LKA keine V-Personen im Rudower Kreis gehabt hätte. „Nicht, dass wir es nicht versucht hätten – aber wir sind schlicht nicht an die rangekommen“, sagte Steiof.

Norbert M. äußerte sich auch zu den Vorwürfen gegen seine früheren Kollegen Stefan K. Dieser war ab 2008 bis zu ihrer Auflösung 2016 ebenfalls Mitglied der EG Rex. In der Nachfolgeeinheit OG Rex war K. nicht mehr tätig. K. ist mittlerweile rechtskräftig wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Er hatte 2017 einen afghanischen Geflüchteten aus rassistischer Motivation heraus verprügelt.

Als er von dem Vorfall gehört hatte, habe ihn das „schockiert“, sagte M. „Dass bei uns ein rechter Schläger dabei war, hat unsere Arbeit mit den Betroffenen sehr erschwert“, schilderte er. „Das war einfach nicht erklärbar oder zu entschuldigen.“ Er habe allerdings zuvor nie einen Verdacht gehabt, dass K. rassistisches Gedankengut habe. K. sollte eigentlich auch am Freitag angehört haben, hatte sich aber krank gemeldet.

Im Anschluss an die Befragung äußerten die Sprecher:innen der Fraktionen gegenüber der Presse. Es gebe – auch mit Blick auf die im Raum stehenden Vorwürfe gegen M. – zunächst keinen Grund, an M.s Glaubwürdigkeit zu zweifeln, betonten alle unisono. Allerdings fanden mehrere den Zeitpunkt der Durchsuchung bei M. „bemerkenswert“. Es bestehe aber auch die Möglichkeit, dass die Generalstaatsanwaltschaft „ohne konkreten Verdacht agiert“ habe, sagte der CDU-Abgeordnete Stefan Standfuß. Sollte dem so gewesen sein, wäre auch dies ein Vorgang, den der Ausschuss beleuchten müsse.

Die Sprecher:innen von Grünen und SPD, André Schulze und Wiebke Neumann, wiesen darauf hin, dass die Aussagen von M. vor allem eines zeigen würden: „Es gab im lokalen Abschnitt durchaus sehr viel Szenekunde und Wissen über die Rechtsextremen.“ Dass dieses Wissen aber offenbar nicht bei den Ermittler:innen vom LKA angekommen sei, verwundere doch sehr, so Schulze.

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