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Sie könnte die nächste Bürgermeisterin werden - Franziska Giffey (SPD).

© Bernd von Jutrczenka/dpa

SPD bei Berlin-Wahl vorne: Grün war die Hoffnung, rot ist der Sieg

Bei der Berlin-Wahl zeichnet sich ab, dass die SPD unter Franziska Giffey gewinnt. In den ersten Prognosen lagen die Grünen teils voran, dann rutschten sie ab. Eine Analyse.

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Am Anfang des Abends hatte alles noch ganz anders ausgesehen. Wer würde die erste weibliche Regierende Bürgermeisterin seit Louise Schröder werden, die Ende der 1940er für rund ein Jahr Berlin regiert hatte? SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey oder doch Grünen-Frontfrau Bettina Jarasch? SPD und Grüne kamen in den ersten Hochrechnungen von ARD und ZDF auf Ergebnisse zwischen 22 und 23 Prozent, in der ARD lagen die Grünen recht klar vorn – erst am späten Abend zeichnete sich eine zunehmend klare Führung von Giffeys SPD aus. Die Grünen fielen unter 20 Prozent.

Die Sozialdemokraten hatten ein rauschendes Fest in der Station Berlin am Gleisdreieck geplant. Die letzten Umfragen hatten allen Anlass dazu gegeben. Fünf bis sechs Prozentpunkte hatte die SPD vor den Grünen gelegen, auch wenn die Grünen zuletzt etwas aufgeholt hatten.

Dass es so eng ist, hätte man vielleicht nicht so gedacht

Franziska Giffey

Giffeys Beliebtheitswerte überragten die aller anderen Kandidierenden deutlich. Am frühen Sonntagabend herrschte aber bedrückte Stimmung zwischen den mit roten Tischdecken abgedeckten Stehtischen. Applaus brandete beim Bundestagswahlergebnis auf.

Das Ergebnis der Berlinwahl führte eher zu verkniffenen Mienen. Mit 22 bis 23 Prozent der Stimmen lagen die Sozialdemokraten nur ganz leicht über dem historisch schlechten Ergebnis, das Michael Müller 2016 für die Partei geholt hatte. Die Grünen lagen plötzlich vorn. „Und das trotz Olaf und des tollen Bundestrends“, sagte ein älterer Genosse dem Tagesspiegel.

Giffey selbst kommentierte das bis dahin enttäuschende Ergebnis wie folgt: „Dass es so eng ist, hätte man vielleicht nicht so gedacht“, sagte die ehemalige Familienministerin. „Das Gefühl ist den ganzen Abend eine große Anspannung natürlich, weil wir nicht wissen, wem die Berlinerinnen und Berliner jetzt den Regierungsauftrag erteilt haben.“

Giffey hatte sich im Wahlkampf offengehalten, ob sie mit ihrer Konkurrentin Jarasch und der Linkspartei nach der Wahl zusammenarbeiten will. Sie hatte Richtung bürgerliche Mitte geblinkt: CDU und FDP hatten sich eine Koalition mit Giffeys Sozialdemokraten schon ausgemalt.

Eine Frage, die sich viele linke Sozialdemokraten schon während des Wahlkampfes gestellt hatten, beantwortete die Kandidatin am Abend im Tagesspiegel-Talk. Wie links ist sie eigentlich? Diese Verortung habe sie schon „gestört, als ich in die SPD eingetreten bin“, sagte Giffey. Man sei nicht rechts, nur weil man für die Stärke des Rechts eintrete statt für das Recht des Stärkeren.

Die SPD war nicht so überzeugend, wie vorhergesagt

Es sind Sätze wie diese, die einigen in der Partei aufstoßen. Besonders in der Parteilinken rumorte es am frühen Abend: Sie hatten Giffeys Kurs der Mitte mitgetragen – mit dem Versprechen im Hinterkopf, dass die beliebte Kandidatin die Partei wieder in fast vergessene Höhen der Wählergunst führen würde. Im Laufe des Abends zeichnete sich zumindest ab, dass die SPD doch stärkste Kraft werden würde, wenn auch längst nicht so überzeugend, wie es einige Umfragen vorhergesagt hatten – schwächer als im Bund, etwa auf dem Niveau von 2016.

Besonders aus der Parteilinken hieß es schon auf dem Wahlfest, Giffey würde sich am Montagnachmittag im Landesvorstand der Partei kritische Fragen anhören müssen. War das fehlende Bekenntnis zu Rot-Rot-Grün doch ein Fehler?

Für Giffeys bislang fast monolithische Position in der Partei wird viel davon abhängen als wie klar der Vorsprung vor den Grünen am Ende interpretiert wird. Dass die Grünen über Nacht unter 20 Prozent rutschten, rettet Giffey den Sieg. Aber überzeugt das maue Ergebnis auch die Partei?

Ganz anders dagegen war die Stimmung bei den Grünen am frühen Abend. Die Spitzenkandidatin strahlte vor Glück über das Wahlergebnis von mehr als 22 Prozent bei den ersten Hochrechnungen. „Es ist eine Mischung aus Glück, Dankbarkeit, auch wegen der großen Unterstützung von Gewerkschaften und Unternehmern, weil sie davon überzeugt sind, dass es jetzt Klimaschutz in der Regierung braucht“, sagt Jarasch dem Tagesspiegel.

Die Grünen gingen auf eine harte Abgrenzung zu Giffey

Auch viele Künstler hätten die Grünen dieses Mal sehr unterstützt. „Ich habe mich sehr getragen gefühlt“, sagte Jarasch. Für sie war nach dem vorläufigen Wahlergebnis völlig klar, dass es in Berlin „keine Regierung ohne Grüne geben wird“.

Die Berliner Grünen haben während der Wahl auf ihre Kernthemen gesetzt: Klimaschutz, Verkehrswende, Mieterschutz. Die Fridays-for-Future-Bewegung und die vielen Klimademos noch unmittelbar vor der Wahl hatten der Partei einen Motivationsschub gegeben – trotz des Abrutschens in den Umfragen. Und im Gegensatz zur Wahl 2016, als die Grünen mit einem Quartett angetreten waren und mit nur 15,2 Prozent auf den vierten Platz kamen, entschied sich die Parteispitze dieses Mal für eine einzige Kandidatin: Bettina Jarasch.

Am späten Abend zeichnete sich dann eine deutliche Trendwende ab: Die Grünen fielen unter 20 Prozent, der Abstand der SPD wuchs. Die Prognosen lagen daneben. War der Partei-Kurs doch weniger erfolgreich als es zu Beginn des Abends geschienen hatte? Um 23 Uhr standen die Grünen bei nur noch knapp 19 Prozent. Immerhin aber mehr als drei Punkte über dem Ergebnis von 2016 – trotz einer unbekannten Kandidatin.

Anders als Giffey wusste Jarasch die Partei immer hinter sich. Die Politikerin wirkte im Wahlkampf informiert, kam als Realpolitikerin auch gut im linken Parteiflügel an. Die historische Chance auf das Rote Rathaus, von der zumindest die Grünen gesprochen hatten, hat sie trotzdem verpasst.

Die Grünen gingen auf eine harte Abgrenzung zu Giffey, warnten vor einer Koalition aus SPD, CDU und FDP und betonten, dass sie eine rot-rot-grüne Koalition weiterführen möchten. Am Wahlabend ergaben Umfragen des „rbb“, dass 44 Prozent der befragten Wähler Rot-Rot-Grün und 40 Prozent auch Rot-Grün bevorzugen. Für letzteres reicht es nun nicht. Bettina Jarasch prophezeite früh, dass eine lange Wahlnacht bevorstehe. Den Ausgang hatte sie sich wohl anders vorgestellt.

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