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Aktivist:innen der Gruppe „Students for Free Palestine“ haben an der Freien Universität Berlin am Donnerstagmorgen einen Hörsaal besetzt. Die Gruppe hatte das kurz zuvor auf Instagram angekündigt, die FU bestätigte die Besetzung auf Anfrage.

© Julius Geiler

SPD fordert härtere Linie vom Senat: Berliner Unis und Kulturorte sollen Hausrecht gegen Antisemiten durchsetzen

Antisemitische Aktivisten störten Veranstaltungen an Hochschulen und Kulturorten. SPD-Innenpolitiker finden: Wer vom Land Berlin Geld bekommt, soll sein Hausrecht konsequent nutzen.

Nach antisemitischen und antiisraelischen Vorfällen an Berliner Hochschulen und Kulturorten wie dem Hamburger Bahnhof drängt die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus den schwarz-roten Senat auf ein härteres Vorgehen. Die Hochschulen und Kulturorte, für die das Land Berlin verantwortlich ist, müssten ihr Hausrecht gegen antisemitische Störungen mithilfe der Polizei „konsequent wahrnehmen“.

Auf Antrag des Arbeitskreises Inneres fordern die Sozialdemokraten, der Senat müsse „mit den Zuschuss- und Zuwendungsempfängern und institutionell geförderten Einrichtungen in seinem Einflussbereich für eine angemessene und konsequente Ausübung des Hausrechts“ sorgen. Zugleich soll der Senat das Thema auch bei Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) für die vom Bund in Berlin geförderten Veranstaltungsorte und Institutionen ansprechen.

Die Bekenntnisse gegen Antisemitismus klingen hohl, wenn im konkreten Fall die Störung hingenommen und die Veranstaltung abgebrochen wird.

Martin Matz, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion

Als klares Ziel wird im Beschluss der Innenpolitiker der SPD-Fraktion formuliert: „Aktivistische antisemitische Gruppen müssen zügig und falls erforderlich und ebenfalls zügig mit Hilfe der Berliner Polizei, aus dem Veranstaltungsort entfernt werden. Veranstaltungen müssen fortgesetzt werden können, Straftaten müssen ermittelt und verfolgt werden.“

Tatsächlich soll es inzwischen auch bei der Polizei Verwunderung über das Agieren bestimmter Einrichtungen geben: So sei die Polizei bei einigen Aktionen im Einsatz gewesen, habe jedoch vergebens auf eine Entscheidung zum Durchgreifen gewartet. „Die Bekenntnisse gegen Antisemitismus klingen hohl, wenn im konkreten Fall die Störung hingenommen und die Veranstaltung abgebrochen wird“, sagt Martin Matz, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. „Die Leitungen der Institutionen setzen häufig auf Diskussionen statt Polizei. Das ist ein unhaltbarer Zustand.“

Martin Matz, Staatssekretär für Gesundheit, bei der Eröffnung des Impfzentrums Messe im Januar 2021.
Martin Matz war Staatssekretär für Gesundheit und ist nun innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus.

© imago images/Stefan Zeitz

Die SPD-Innenpolitiker wollen nun Worten Taten folgen lassen. Denn bislang werde von der Politik lediglich festgestellt, dass Antisemitismus in Berlin nicht akzeptiert werde und es dafür keinen Platz gebe. Doch es mangele – auch in den Augen der Juden in der Stadt – daran, dass dies auch durchgesetzt wird. „Gegen Antisemitismus wie auch gegen menschenfeindlichen Hass und Hetze muss konsequent vorgegangen werden“, heißt es daher im Beschluss.

FU-Mitarbeiter prangern „hasserfüllten, gewaltbereiten Antisemitismus“ an

An der Freien Universität Berlin (FU) wächst indes der Unmut über die propalästinensischen Proteste, die seit dem Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober anhalten. In einer öffentlichen Stellungnahme prangern Mitarbeiter eine „dramatische Tendenz zur Polarisierung“ bei Debatten im Zusammenhang mit dem Gazakrieg an.

„Diese zeigt sich insbesondere in einer inakzeptablen und gefährlichen Verschiebung von sachlich geführter Kritik an der Politik der israelischen Regierung hin zu hasserfülltem, gewaltbereitem Antisemitismus sowie an einer problematischen Gleichsetzung aller jüdischen Menschen mit der Politik der israelischen Regierung“, hieß es in dem am Freitag veröffentlichten Schreiben.

Das „schändlichste Beispiel“ dafür sei der Angriff auf den jüdischen Studenten Lahav Shapira, den die Unterzeichner „aufs Schärfste verurteilen“. Der FU-Student war vor gut zwei Wochen mit Knochenbrüchen im Gesicht ins Krankenhaus gekommen. Ein propalästinensischer Kommilitone soll ihn auf einer Straße in Mitte geschlagen und getreten haben. Die Staatsanwaltschaft geht von einem gezielten Angriff und einem antisemitischen Hintergrund aus. Die Uni hat ein Hausverbot gegen den Tatverdächtigen erlassen – zu Beginn der Semesterferien.

Solidaritätserklärung mit den Opfern antisemitischer Attacken

Als einziges Bundesland ermöglicht Berlin Hochschulen selbst bei schweren Gewalttaten nicht, Studierende deshalb zu exmatrikulieren. Das will der Senat nun ändern. Auch eine Stärkung des Ordnungsrechts ist im Gespräch. Wiederholt kam es bei Protesten an der Freien Universität zuletzt zu Auseinandersetzung zwischen propalästinensischen und jüdischen Studierenden.

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Den Unterzeichnern der Stellungnahme zufolge hat die FU den Anspruch, ein Ort zu sein, an dem Diskussionen demokratisch und mit gegenseitigem Respekt geführt würden. Das verpflichte dazu, zu differenzieren. Es sei daher inakzeptabel, wenn Andersdenkende „öffentlich niedergebrüllt“ oder bestimmte Personen aus öffentlichen Diskussionen ausgeschlossen würden. „Wir erklären uns solidarisch mit den Opfern von Hassrede, Hetze und Ausgrenzung, insbesondere mit den Opfern antisemitischer Attacken.“

Eine Universität müsse für Jüdinnen und Juden – wie für alle – ein sicherer Ort sein. „Wir fordern einen deutlich sichtbaren universitären Positionsbezug gegen die falsche Moralisierung, Radikalisierung und Instrumentalisierung der öffentlichen Debattenkultur an der Freien Universität und gegen deren Unterwanderung durch Extremismus und politische Agitation“, heißt es in dem Schreiben.

Die Stellungnahme wurde von fünf Hochschulangestellten angeregt, wie Bernhard Huss, einer der Initiatoren und Direktor des Italienzentrums an der FU, der Deutschen Presse-Agentur (DPA) sagte. Bis Samstagnachmittag hatten mehr als 180 Mitglieder der FU unterschrieben.

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