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US Opernsänger Jeremy Osborne posiert für ein Bild in Berlin am 22. Mai 2023. Jeremy Osborne *** US opera singer Jeremy Osborne poses for a picture in Berlin on May 22, 2023 Jeremy Osborne

© IMAGO/Emmanuele Contini

Update

Von Kontrolleuren rassistisch beleidigt: BVG muss Berliner Opernsänger 1000 Euro Schmerzensgeld zahlen

Im Oktober 2020 war der Schwarze Opernsänger Jeremy Osborne bei einer Ticketkontrolle in der U-Bahn rassistisch beleidigt worden. Nun fiel ein Urteil.

| Update:

Weil er von Ticketkontrolleuren rassistisch beleidigt wurde, müssen die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) dem Schwarzen Opernsänger Jeremy Osborne Schmerzensgeld in Höhe von 1000 Euro zahlen. Zuerst berichtete darüber die „Berliner Zeitung“. Der 36-Jährige, der im Chor der Deutschen Oper singt, äußerte sich am Dienstag zufrieden: „Dass das Gericht bestätigt, dass die Kontrolleure und Kontrolleurinnen sich mir gegenüber rassistisch verhalten haben und das jetzt abgestraft wird, ist unfassbar wichtig und genugtuend“.

Osborne war nach Angaben des Gerichts von den Kontrolleuren und Kontrolleurinnen als „Schwarzkopf“ bezeichnet worden. Er solle aufgefordert worden sein, „sich in Deutschland zu benehmen“. Zudem sei ihm vorgehalten worden, dass er „Black Lives Matter als Ausrede“ nutze. Der Opernsänger forderte ursprünglich eine Entschädigung in Höhe von 2000 Euro. Das Gericht hielt jedoch 1000 Euro für angemessen und ausreichend, wie eine Sprecherin dem Tagesspiegel mitteilte.

Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) bestätigte das Urteil am Dienstag und sagte hierzu auf Tagesspiegel-Anfrage: „Ich begrüße, dass das Gericht die rassistische Diskriminierung von Herrn Osborne und die daraus resultierende schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung klar benannt und verurteilt hat.“ Der Vorfall hatte sich bereits im Oktober 2020 ereignet.

Osborne hatte der BVG vorgeworfen, von den vier Mitarbeitern am U-Bahnhof Alexanderplatz diskriminiert und angegriffen worden zu sein, nachdem er in der U-Bahn seinen Fahrschein vorzeigen sollte. Die Kontrolleure in Zivil waren am Bahnhof Spittelmarkt (Linie U2) in Richtung Alexanderplatz zugestiegen.

Das Gericht hat hier sehr eindeutige und klare Worte gefunden – die BVG hat rassistisch diskriminiert.

Anwältin von Jeremy Osborne, Claire Lops

Der 36-Jährige, der die deutsche und US-amerikanische Staatsbürgerschaft besitzt, hatte die Mitarbeiter im Anschluss aufgefordert, einen Dienstausweis vorzuzeigen. Daraufhin eskalierte die Situation.

Nach Darstellung des Gerichts brach die Auseinandersetzung am U-Bahnhof Alexanderplatz aus, nachdem Osborne und die vier Kontrolleure ausgestiegen waren. Einer von ihnen soll den Opernsänger seiner Darstellung nach auf eine Metallbank gestoßen haben, wobei er Schrammen an Unterarm und Oberschenkel erlitten habe, die im Krankenhaus behandelt werden mussten.

Kontrolleure bei Subunternehmen beschäftigt

Was im vorliegenden Fall wichtig ist: Die im Auftrag der BVG tätigen Ticketkontrolleure waren nicht bei den Verkehrsbetrieben selber, sondern beim Subunternehmen B.O.S. beschäftigt gewesen. Laut deren Aussagen habe Osborne sie wegen ihres türkischen Migrationshintergrundes beschimpft und sei auch handgreiflich geworden.

Das Amtsgericht Mitte wies diese Schilderung mit ihrem Urteil zurück. Claire Lops, die Anwältin Osbornes, sagte dazu: „Das Gericht hat hier sehr eindeutige und klare Worte gefunden – die BVG hat rassistisch diskriminiert.“ Zur Strafe von 1000 Euro erkärte sie, dass es „dahingestellt sei, ob sie tatsächlich eine strafende und präventive Wirkung hat“.

Im Vorlauf des Urteils hatte es eine rechtliche Auseinandersetzung darüber gegeben, ob das Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) in dem Fall angewendet werden kann oder nicht. Berlin ist das einzige Bundesland, das seit 2020 über eine Rechtsgrundlage verfügt, gegen Diskriminierung durch öffentliche Stellen und Behördenmitarbeiter vorzugehen. 

Cansel Kiziltepe (SPD), Berliner Sozialsenatorin, äußerte sich am Dienstag zu dem Urteil: „Ich begrüße, dass das Gericht die rassistische Diskriminierung von Herrn Osborne und die daraus resultierende schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung klar benannt und verurteilt hat.“
Cansel Kiziltepe (SPD), Berliner Sozialsenatorin, äußerte sich am Dienstag zu dem Urteil: „Ich begrüße, dass das Gericht die rassistische Diskriminierung von Herrn Osborne und die daraus resultierende schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung klar benannt und verurteilt hat.“

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Osborne verklagte die BVG. Diese argumentierte jedoch, dass es sich bei den mit Fahrgästen abgeschlossenen Beförderungsverträgen um solche privatrechtlicher Art handle. Dieser Auffassung folgte auch das Amtsgericht Mitte – und entschied, dass der Schmerzensgeldanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches erfolge, und nicht nach dem LADG.

Die Senatssozialverwaltung, in der auch die Ombudsstelle des Berliner LADG angesiedelt ist, wies diese Interpretation zurück. Sprecher Stefan Strauß sagte am Dienstag auf Anfrage: „Entscheidend ist, ob das Land Berlin ‘öffentlich-rechtlich’ handelt, wenn Fahrausweise kontrolliert werden“. Sinn und Zweck des LADG sei es, einen umfassenden Schutz vor Diskriminierung durch öffentliche Stellen wie die BVG zu gewährleisten, so Strauß. Dies gelte auch im vorliegenden Fall.

BVG setzt auf Dienstkleidung bei externem Kontrollpersonal

Zu den bei Subunternehmen angestellten Mitarbeitern teilte Strauß mit, dass die Ombudsstelle in der Vergangenheit die Empfehlung ausgesprochen habe, eigenes Kontrollpersonal der BVG einzusetzen.

Im ersten Halbjahr 2023 seien insgesamt 34 Beschwerden im Zusammenhang mit dem Handeln der BVG bei der Ombudsstelle eingegangen, so Strauß. Das ist ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum Vorjahr. 2022 waren es noch 23 gewesen – von Januar bis Dezember.

Die BVG wollte sich am Dienstag nicht zum Gerichtsurteil äußern, sagte jedoch, dass „Vorwürfe von Diskriminierung in allen Fällen schwer wiegen und im Haus sehr ernst genommen“ würden. Das externe Kontrollpersonal sei in der U-Bahn seit einiger Zeit durch blaue Westen oder Dienstkleidung direkt als solches zu erkennen, was deeskalierend wirke, so ein BVG-Sprecher.

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