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Berlins Behörden sind chronisch überlastet, hier eine Szene aus dem Wartebereich eines Bürgeramtes.

© imago images/BRIGANI-ART

Exklusiv

Wegen abgelaufener Ausweise: Zahl der Bußgeldverfahren in Berlin verdoppelt sich

Termine beim Bürgeramt gibt es kaum, dafür droht bei Ablauf von Ausweisdokumenten eine Strafe. Das 14-Tage-Ziel ist vorerst vom Tisch.

Während es in Berlin weiterhin kaum möglich ist, innerhalb von 14 Tagen einen Termin beim Bürgeramt zu bekommen, steigt die Zahl der Bußgeldverfahren wegen abgelaufener Ausweisdokumente rasant. Tagesspiegel-Informationen zufolge wurden allein im laufenden Jahr bislang 3818 Verfahren verhängt, weil ein Personalausweis entweder abgelaufen war oder komplett fehlte.

Da das Jahr erstens nicht abgelaufen ist und zweitens mit Pankow sowie Charlottenburg-Wilmersdorf zwei große Bezirke keinerlei Auskunft erteilten, dürfte die berlinweite Zahl am Jahresende deutlich höher liegen. Der Vorjahreswert von 2167 Verfahren – ebenfalls ohne Pankow und Charlottenburg-Wilmersdorf – dürfte mindestens verdoppelt werden. 2020 lag die Zahl bei 2829 Fällen.

Spitzenreiter unter den Bezirken ist Friedrichshain-Kreuzberg. Dort wurden 2022 bislang 1017 Bußgeldverfahren eröffnet, im Vorjahr waren es 1007. Gefolgt wird der Bezirk von Lichtenberg, wo allein 2022 bislang 910 Bußgeldverfahren eröffnet wurden und sich der Wert von 335 aus dem Vorjahr beinahe verdreifacht hat.

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Während Reinickendorf 520 Fälle und damit ebenfalls deutlich mehr als im Vorjahr gemeldet hatte, gab Steglitz-Zehlendorf die Zahl der verhängten Verfahren mit Null an. Treptow-Köpenick meldete sechs innerhalb der vergangenen elf Monate eröffnete Verfahren. Im Bezirksvergleich variiert die Zahl der eröffneten Verfahren demnach ganz erheblich und je nach Aktivität der beiden ungemeldeten Bezirke Pankow und Charlottenburg-Wilmersdorf könnte die Zahl der verhängten Verfahren am Jahresende auch deutlich über der Marke von 5000 liegen.  

Die Verwaltung kann die Ressourcen sinnvoller einsetzen.

Stefan Ziller, Bündnis 90/Die Grünen

Erfragt hat die bislang unveröffentlichten Werte der Verwaltungsexperte Stefan Ziller (Grüne). Ziller, der die desolate Terminsituation in den Bürgerämtern der Bezirke schon in der vergangenen Legislaturperiode kritisiert hatte, sagte dem Tagesspiegel: „Wenn Verwaltung seinen Teil der Aufgaben nicht schafft, sollten beim Bußgeld alle Spielräume für eine kulante Auslegung genutzt werden. Denn am Ende ist die Ursache für fehlende Termine im Bürgeramt egal. Ohne Termin gibt es keine Chance auf einen neuen Ausweis.“

Ziller kritisierte darüber hinaus, dass die ohnehin an der Belastungsgrenze stehenden Mitarbeiter:innen der Bürgerämter Beschwerden gegen Bußgeldbescheide im Einzelfall prüfen müssen. „Das erscheint mir unnötige Bürokratie zu sein“, sagte Ziller. „Die Verwaltung kann die Ressourcen sinnvoller einsetzen.“

Beschwerden werden im Einzelfall geprüft

Tatsächlich heißt es in der Antwort des für die Verwaltungsmodernisierung zuständigen Staatssekretärs Ralf Kleindiek (SPD), im Falle eines fristgerecht eingereichten Einspruchs werde die für den Bescheid verantwortliche Behörde „gezwungen, sich erneut mit der Zulässigkeit und Rechtmäßigkeit des Bescheids auseinander zu setzen“. Solange diese Überprüfung stattfinde, müsse das Bußgeld nicht bezahlt werden, so Kleindiek weiter.

Er hatte zuletzt einräumen müssen, dass das von Regierungschefin Franziska Giffey (SPD) zu Beginn der Legislatur zur obersten Priorität erhobene 14-Tage-Ziel auf absehbare Zeit nicht zu erreichen sei. Selbst die Prognose, 60 Prozent aller Termine bis Ende 2023 binnen 14 Tagen anbieten zu können, werde „derzeit überprüft“, schrieb Kleindiek. Er befand dennoch: „Berlin ist auf einem guten Weg.“

Aktuell ächzen die ohnehin an der Belastungsgrenze arbeitenden Bürgerämter der Bezirke unter den Vorbereitungen für die Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl im Februar. Acht Standorte wurden berlinweit geschlossen, bereits vergebene Termine abgesagt oder verschoben.

Hinzu kommt: Durch die Terminierung des Volksentscheids für mehr Klimaschutz auf den 26. März könnte die Schließung noch länger anhalten. Bislang hat lediglich der im Bezirk Lichtenberg geschlossene Standort angekündigt, die Schließung zu verlängern.

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