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Ein Mitarbeiter eines Reinigungsgeräteherstellers nimmt in der Produktion den Bürstenkopf einer Scheuersaugmaschine von einer Ablage. Die deutschen Maschinenbauer beschäftigen mehr als eine Million Mitarbeitende.

© dpa/Marijan Murat

Die Stimmung wird besser: Maschinenbau kommt gut durch die Krise

Die größte deutsche Industriebranche hat volle Auftragsbücher, sucht weiter Arbeitskräfte und beton die Bedeutung Chinas.

In schwerer See auf Kurs: Mit diesem Bild aus der Schifffahrt beschreibt der deutsche Maschinen- und Anlagenbau seine Situation zum Jahreswechsel. Obgleich im kommenden Jahr ein Rückgang der Produktion erwartet wird, blicke man mit Zuversicht nach vorne.  „Wir rechnen für 2023 mit einem leichten realen Produktionsrückgang von zwei Prozent. Das ist weit entfernt von den Rückschlägen früherer Jahre und zeigt die Robustheit unserer Industrie“, sagte Verbandspräsident Karl Haeusgen am Dienstag auf der Jahres-Pressekonferenz des Verbands VDMA. In diesem Jahr konnte die Branche die Produktion noch um ein Prozent steigern.

Die Rahmenbedingungen bleiben schwierig. Inflation, Ukraine-Krieg, Materialengpässe und Probleme in der Lieferkette würden die Unternehmen noch lange belasten. Zudem arbeiteten immer mehr Staaten mit protektionistischen Maßnahmen. Das erschwert die Geschäfte der Maschinenbauer, die rund drei Viertel ihrer Produkte auf Auslandsmärkten verkauften. Mit rund eine Million Beschäftigte in gut 3500 Unternehmen ist der Maschinen- und Anlagenbau der größte Industriebereich hierzulande. Derzeit gibt es 14.000 offene Stellen - fast alle Betriebe suchen Personal.

Entspannung in den Lieferketten

Laut der jüngsten VDMA-Umfrage von Anfang Dezember bei mehr als 600 Firmen sehen 74 Prozent ihre Geschäftstätigkeit durch Materialengpässe beeinträchtigt. Im Juni waren es allerdings noch 87 Prozent gewesen. Von einer „merklichen Entspannung“ berichten die Unternehmen mit Blick auf Chemikalien, Kunststoffe und Metallerzeugnisse. Nach wie vor angespannt ist die Lage dagegen bei Elektronikkomponenten, wenngleich auch hier mit rückläufiger Tendenz. Diese Entwicklung kann sich nach Ansicht des VDMA positiv auf die Produktion der Schlussmonate 2022 auswirken. Der Auftragseingang blieb in den ersten zehn Monaten des Jahres real um ein Prozent unter dem Vorjahr, die Auftragsreichweite betrug im September 2022 noch 11,9 Monate und ist damit unverändert hoch.  

Karl Haeusgen von der Münchener HAWE Hydraulik führt den deutschen Maschinen- und Anlagenbau als ehrenamtlicher Präsident.

© VDMA/dpaTeichmann

2023 erwartet der Verband weiterhin schwaches Wachstum in China, hohe Energiepreise und steigende Zinsen. „Das wird die Weltwirtschaft und damit auch die Investitionsgüterindustrien auf absehbare Zeit belasten“, sagte Haeusgen. Dennoch sei die Stimmung in vielen Ländern in den vergangenen Wochen nicht mehr so negativ gewesen, wie in den ersten Monaten nach Beginn des Ukraine-Kriegs. Laut Umfrage schaut nahezu die Hälfte der Befragten (48 Prozent) optimistisch oder verhalten optimistisch ins neue Jahr. 38 Prozent sind unentschieden, lediglich 14 Prozent zeigen sich pessimistisch oder verhalten pessimistisch. Diese Zuversicht spiegelt sich auch in der Beschäftigungslage. Im September 2022 waren es 1,019 Millionen Menschen in den Stammbelegschaften (Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten) des Maschinen- und Anlagenbaus in Deutschland - ein Plus von 1,0 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Deutlich mehr als die Hälfte (54 Prozent) der Unternehmen wollen ihren Personalstand im kommenden Jahr ausbauen. Der Fachkräftemangel führt dazu, dass nahezu alle befragten Firmen (97 Prozent) Engpässe bei der Personalrekrutierung spüren. An längeren Arbeitszeiten, auch der Lebensarbeitszeit, komme man nicht vorbei, meinte VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann.

Wenn man ein wirksames Instrument schaffen will, dann muss es einfach sein.

Karl Haeusgen, VDMA-Präsident, zur Energiepreisbremse

Haeusgen begrüßte die von der Bundesregierung geplanten Preisbremsen für Strom, Gas und Fernwärme. Doch insbesondere durch die europäischen Beihilferegelungen seien die Regelungen zu komplex. Erste Unternehmen wollten trotz hoher Kosten davon absehen, die Hilfen in Anspruch zu nehmen. „Wenn man ein wirksames Instrument schaffen will, das nicht nur einen Rettungsschirm darstellt, dann muss es einfach und unbürokratisch sein“, sagte der VDMA-Präsident.

Chinesische Markt sei nicht ersetzbar

Zu der Diskussion über die Zusammenarbeit mit China und die Chinastrategie der Bundesregierung betonte Haeusgen die Bedeutung des chinesischen Marktes. „Die Volksrepublik ist der zweitwichtigste Exportmarkt, doch die aggressive Wirtschaftspolitik der chinesischen Regierung stellt die mittelständische Industrie vor Herausforderungen.“ Deshalb sei es richtig, dass die Bundesregierung eine Neubewertung des Verhältnisses zu China vornehme und eine entsprechende Strategie erarbeite.

„Der Markt China ist aber kurz- und mittelfristig nicht ersetzbar und deshalb sollten die Exportförderinstrumente nicht abgebaut werden. Die Exporte nach China sorgen in Deutschland für gut bezahlte und hoch qualifizierte Arbeitsplätze“, mahnte der VDMA-Präsident. „Natürlich funktioniert Wandel durch Handel, aber derzeit nicht in China“, sagte Haeusgen zur aktuellen Wirtschaftspolitik in Peking. Dabei habe „wirtschaftliche Offenheit die Menschen in China aus der Armut geführt“. Sein Unternehmen HAWE Hydraulik beschäftige rund 200 Personen in China. „Die Chinesen arbeiten gerne bei ausländischen Unternehmen, weil es gute Arbeitsplätze sind“, sagte der Unternehmer und Verbandspräsident.

Kritik an den USA

Auch die aktuellen Belastungen im Verhältnis der EU zu ihrem wichtigsten Handelspartner USA bereiten der Branche Sorgen. „Wir erleben eine intensive Debatte zum amerikanischen Inflation Reduction Act (IRA) und damit zur Frage, ob Europa eine Verlagerung von Industriewertschöpfung und Arbeitsplätzen in die USA droht“, sagte der VDMA-Präsident. Im Maschinen- und Anlagenbau sei damit nicht zu rechnen. Die neuen amerikanischen Steuergutschriften stünden ausschließlich für Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien zur Verfügung.

Andere wichtige Branchen wie Verpackungsmaschinen, Baumaschinen, Landtechnik oder Robotik seien allenfalls indirekt betroffen. „In bestimmten Bereichen wie Windenergie oder Wasserstoff könnten Investoren amerikanische Projekte den europäischen vorziehen“, sagte Haeusgen. Grundsätzlich bedeute der Inflation Reduction Act einen Bruch mit den Regeln der Welthandelsorganisation WTO. „Er ist damit ein bedauerlicher weiterer Schritt der USA weg vom Freihandel.“

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Zum „Jahrestag“ der Ampel-Koalition in Berlin forderte Haeusgen, „den notwendigen Transformationsturbo zu zünden, für Investitionen in Klimaschutz, Effizienz und Digitalisierung“. Derzeit komme zum Beispiel der Ausbau der Windenergie nicht in Gang, weil Schwerlasttransporte auf der Straße nicht genehmigt würden. Ferne hinke Deutschland in der Forschungsförderung anderen Ländern hinterher: Nur gut drei Prozent der Forschungs- und Entwicklungsausgaben der Unternehmen kommen hierzulande vom Staat, während in Großbritannien und Frankreich sieben Prozent und mehr erreicht werden. „Die Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung war richtig, und sie ist wichtiger denn je. Sie sollte deshalb ausgeweitet und die Industrielle Gemeinschaftsforschung gestärkt werden“, sagte der VDMA-Präsident.

Haeusgen verteidigte gleichzeitig die Schuldenbremse und forderte die Staatsquote perspektivisch auf maximal 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu deckeln. „Wir brauche eine zukunftsorientierte Umschichtung der Staatsausgaben: Weniger konsumtive und dafür mehr investive Ausgaben, etwa in Verkehrswege, Digitalisierung und Bildung“, meinte der Maschinenbauer.   

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