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Das zweigleisige Gesundheitssystem in Deutschland wird von einer großen Mehrheit als ungerecht empfunden.

© dpa/Daniel Bockwoldt

Gebührenordnungen für Privatpatienten: Union fordert „überfällige Novellierung“

Die Gebührenordnungen für die Behandlung von privat Krankenversicherten stammen aus den 80er Jahren. Ein unhaltbarer Zustand, finden CDU und CSU.

Man mag es kaum glauben: Die Gebührenordnung für Ärzte zur Abrechnung bei Privatpatienten (GOÄ) stammt aus dem Jahr 1982, die für Zahnärzte (GOZ) von 1987 – und beide wurden seither kaum verändert. Die Folge: Sie sind völlig veraltet. Medizinischer Fortschritt, neue Behandlungsmethoden, Digitalisierung? Bei alldem muss getrickst werden, was zu rechtlichen Konflikten und auch zu Belastungen des Arzt-Patienten-Verhältnisses führt. Nachdem Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) das Problem beharrlich ignoriert, drängen nun CDU und CSU im Bundestag auf eine Novellierung.

Das Parlament möge die Regierung auffordern, „ihren bisherigen Widerstand gegen die längst überfällige Novellierung der GOÄ und der GOZ aufzugeben“ und eine entsprechende Rechtsverordnung „unverzüglich vorzubereiten und auf den Weg zu bringen“, heißt es in einem Antrag der Unionsfraktion, der dem Tagesspiegel vorliegt.

Zur Begründung verweist der CSU-Abgeordnete Stephan Pilsinger auf die Antiquiertheit der bestehenden Gebührenordnungen. „Dass Ärzte und Medizinische Fachangestellte heute auf Basis dieses völlig veralteten Abrechnungssystems arbeiten müssen, ist unzumutbar und führt immer wieder zu Abrechnungsstreitigkeiten.“

Pilsinger weiß, wovon er spricht. Der 36-Jährige arbeitet neben seinem Bundestagsmandat nach wie vor als Hausarzt, Privatpatienten gehören zu seiner Kundschaft. Und er ärgert sich. Obwohl Bundesärztekammer und der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) bereits einen nahezu fertig novellierten Entwurf erarbeitet hätten, weigere sich der Minister, das Projekt endlich in Angriff zu nehmen. Dies sei „bei Lauterbach, der die PKV am liebsten sofort abschaffen würde, rein ideologisch motiviert“, sagte Pilsinger dem Tagesspiegel, es habe keine sachlich-fundierte Gründe. „Das ist eines Bundesgesundheitsministers unwürdig.“

Lauterbach: PKV ein Auslaufmodell

Tatsächlich kommt dieser Verdacht nicht von ungefähr. Bevor Lauterbach Gesundheitsminister wurde, hatte er mehrfach betont, dass es das Beste sei, die PKV „gegen die Wand fahren“ zu lassen. Noch im Jahr 2019 bezeichnete sie der SPD-Politiker, der zwei Jahrzehnte lang für eine Bürgerversicherung gekämpft hat, via Twitter als „Auslaufmodell“ und verglich sie mit der Braunkohle.

Die veralteten Gebührenordnungsziffern bildeten „weder Leistungsinhalt und -umfang noch den damit verbundenen Aufwand adäquat ab“, heißt es in dem Unionsantrag. Die Folge seien neben „massiven Abrechnungsstreitigkeiten“ auch „erhebliche Disparitäten im Bewertungsgefüge, die besonders zulasten von Gesprächsleistungen und anderen zuwendungsintensiven Leistungen gehen“. Die Digitalisierung sei in keiner Weise berücksichtigt. Und auch die abrechenbaren Honorare entsprächen „längst nicht mehr den Entwicklungen“, die Punktwerte befänden sich „meist noch auf dem Kostenniveau der zweiten Hälfte der 1980er Jahre“. Dies alles belaste „das sensible Arzt-Patienten-Verhältnis in untragbarer Weise“.

Die niedergelassenen Mediziner, die über Privatversicherte mehr als 20 Prozent ihrer Einnahmen generieren, wollen Lauterbachs „Spiel auf Zeit“ nicht länger hinnehmen. Beim Ärztetag 2022 bereits sprach Ärztepräsident Klaus Reinhardt bereits von einem „Affront“. Im Mai 2023 wurde er vor den Delegierten noch schärfer und drohte mit rechtlichen Schritten. „Als Verordnungsgeber ist es Ihre Pflicht, auch gegenüber Patientinnen und Patienten und der Ärzteschaft sowie der Kostenträger, eine transparente und rechtssichere Abrechnung privatärztlicher Leistungen auf Grundlage einer stets aktuellen Gebührenordnung sicherzustellen“, so Reinhardt direkt an den Minister.

Die GOÄ-Novelle sei „mehr als überfällig“, sagte Reinhardt dem Tagesspiegel. „Nach über zweieinhalb Jahrzehnten hat sich der Reformstillstand zu einer gravierenden Belastung für Patienten, Ärzte und Kostenträger ausgewachsen.“ Moderne Therapieverfahren seien in der geltenden Gebührenordnung nicht abgebildet – und auch die „sprechende Medizin“ sei unterbewertet. Deshalb sei es höchste Zeit, zu handeln.

Das sieht der PKV-Verband genauso. „Wir unterstützen jede Initiative, die auf der Grundlage eines zwischen Ärzteschaft, Beihilfe und PKV geeinigten Vorschlags die Reform der GOÄ vorantreibt“, so Verbandsdirektor Florian Reuther. Gleichzeitig betonte er, dass es „einen derartigen Reformstau“ wie in den vergangenen Jahrzehnten nicht mehr geben dürfe. Daher habe man sich für die neue GOÄ, so sie irgendwann kommt, auch bereits „auf einen Aktualisierungs-Mechanismus verständigt“.

Eine Forderung, die im Antrag der Unionsfraktion ebenfalls zu finden ist. Es sei „dafür zu sorgen“, heißt es darin, „dass für die Zukunft ein Mechanismus etabliert wird, der eine regelmäßige Anpassung der beiden Gebührenordnungen mit Blick auf den medizinischen Fortschritt und die Kostenentwicklung ermöglicht“.

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