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Bushaltestelle auf dem Land (Archivbild).

© IMAGO/Jochen Tack

Als Berliner auf dem Land: Warum ich trotz meines Deutschlandtickets wieder Auto fahren musste

Als Großstädter und Öffi-Fan habe ich eine Urlaubswoche in einem baden-württembergischen Dorf verbracht. Plötzlich saß ich wieder hinterm Steuer. Es ging nicht anders.

Ein Kommentar von Tobias Mayer

Halloween 2023, kurz nach 23 Uhr in einem Dorf bei Pforzheim. Alle Nachbarskinder sind längst mit Süßigkeiten versorgt, ich habe viele gruselige Kostüme gesehen an diesem Abend. Doch für mich beginnt der Horror erst jetzt. Denn ich sitze in einem Auto, zum ersten Mal seit … acht Jahren?

So ganz genau weiß ich gar nicht mehr, wann ich das letzte Mal selbst mit einem Auto gefahren bin. Als innerstädtischer Berliner brauche ich keins, ich fahre Fahrrad oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Dank Deutschlandticket könnte ich das auch in Baden-Württemberg tun, ohne extra zahlen zu müssen oder vor einem der Ticketautomaten am komplizierten regionalen Tarifsystem zu verzweifeln.

An besagtem Halloweenabend jedoch verzweifle ich erst mal an der Gangschaltung eines fremden Autos.

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93 Minuten warten auf den Bus – nachts in der Kälte

Ich bin spontan in den Familienwagen der urlaubenden Eltern gestiegen, auf deren Haus und Hund meine Freundin und ich eine Woche lang aufpassen. Meine Freundin wird nach einem Tagesausflug gleich am Bahnhof von Pforzheim ankommen, mit mehrstündiger Verspätung. Sie könnte mit ihrem Deutschlandticket in den letzten Bus des Tages steigen, der von der Innenstadt ins Dorf fährt. Sie müsste vorher allerdings 93 Minuten warten.

Also sitze ich im Auto und kämpfe gegen die Gangschaltung, bis ich den Dreh wieder raus habe und mit mulmigem Gefühl durch die Nacht fahre, die bewaldete, kurvige Bergstraße hinunter zum Bahnhof. Das Deutschlandticket in der Tasche und jede Menge Benzin im Tank, das sinnlos als Abgas in die frische Dorfluft geblasen wird.

Ein paar Tage später haben meine Freundin und ich eine kleine Wanderung durch den Schwarzwald gemacht, wir sind mit der Regionalbahn hingefahren. Der Zug war so kurz, dass ich ihn bei der Einfahrt in den Bahnhof für eine Lok auf der Suche nach Waggons gehalten habe. Aber längere Züge braucht man hier offenbar nicht, denn offenbar fahren eh fast alle mit dem Auto durch die schöne Landschaft – zumindest war der „Zug“ relativ leer. Wir sind übrigens selbst mit dem Auto zum Bahnhof gefahren. Der Bus vom Dorf wäre erst ewig durch die Stadt gegurkt.

Bitte keine Missverständnisse: Ich halte das Deutschlandticket grundsätzlich für eine hervorragende Idee. Dass sich Bund und Länder auch beim jüngsten Gipfeltreffen nicht auf eine langfristige Finanzierung geeinigt haben, ist peinlich. Doch klar ist auch: Mit dem 49 Euro teuren All-inclusive-Ticket allein werden wir in Deutschland nicht genug Menschen aus den Autos in die Busse und Bahnen bekommen.

Dafür braucht es ein besseres ÖPNV-Angebot, auch abseits der großen Städte. Die miserable Verfügbarkeit umweltfreundlicher Verkehrsmittel auf dem Land ist dabei kein Naturgesetz, sondern das Ergebnis einer fehlgeleiteten Verkehrspolitik, die in Deutschland seit Jahrzehnten das Auto in den Mittelpunkt stellt.

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