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In einem Lager eines Ladengeschäfts für Dekoartikel in Berlin liegen Feuerwerksraketen in einem Karton.

© picture alliance/dpa

Kein Böllerverbot: Was an Silvester 2022 erlaubt ist und was nicht

Zwei Jahre lang durfte Feuerwerk in Deutschland nicht verkauft werden. Dieses Jahr ist der Verkauf wieder erlaubt. Aber nicht überall darf auch geböllert werden.

Nach zwei Jahren mit Verkaufsverboten hofft die Feuerwerkbranche zu diesem Silvester wieder auf einen Lichtblick. Doch Gegner des jährlichen Licht- und Knallspektakels möchten Raketen und Böller verhindern. So fordert die Deutsche Umwelthilfe (DUH) gemeinsam mit Umwelt-, Ärzte- und Tierschutzverbänden ein sofortiges Verbot von privatem Silvesterfeuerwerk.

In den vergangenen zwei Jahren war wegen der Corona-Pandemie der Verkauf von Silvesterfeuerwerk deutschlandweit untersagt, zugleich galt ein An- und Versammlungsverbot für Silvester und Neujahr. Ziel dieser Maßnahme war es damals, die durch Corona belasteten Krankenhäuser vor Überlastung zu schützen – unter anderem, indem Verletzungen beim Abbrennen von Feuerwerk in der Silvesternacht verhindert werden.


Ist der Verkauf von Silvesterfeuerwerk 2022 grundsätzlich wieder erlaubt?

Ja. Ein zwischenzeitlich vor dem Hintergrund der Coronakrise diskutiertes grundsätzliches Feuerwerksverbot wurde nicht beschlossen. Laut Bundesamt wollen jedoch einige Städte das private Feuerwerk auch in diesem Jahr zumindest mancherorts verbieten.

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Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) drängten auf ein dauerhaftes Böllerverbot zu Silvester. „Wir fordern ein Ende der archaischen Silvesterböllerei“, erklärte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. GdP-Bundesvorsitzender Jochen Kopelke forderte ein „generelles Verbot des privaten Abbrennens von Silvesterfeuerwerk im ganzen Bundesgebiet“. Das Bundesinnenministerium hat die Forderung zurückgewiesen.

Der Bundesverband Pyrotechnik (BVPK) kritisierte Forderungen nach einem generellen Verbot. Ein Feuerwerk sei „für viele Menschen von hohem Wert“, teilte der Verbandsvorsitzende Ingo Schubert mit. Ihm zufolge zielen die Verbotsforderungen vorrangig darauf ab, eine Kulturpraktik abzuschaffen. „Nach zwei Jahren Verbot im Kontext der Corona-Pandemie sehnen sich die Menschen nach der feurigen Silvestertradition.“


Wann und wo sind Böller und Raketen erlaubt?

Die Entscheidung über ein Böllerverbot zu Silvester liegt bei den Städten und Landkreisen. Wird kein Verbot ausgesprochen, sind Böller, Raketen und anderes Feuerwerk erlaubt. Doch in ganz Deutschland gilt: In unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altersheimen sowie besonders brandempfindlichen Gebäuden darf keine Pyrotechnik abgebrannt werden.

Ein Feuerwerk ist während Deutschlands größter Silvesterparty hinter dem Brandenburger Tor zu sehen.

© dpa/Ralf Hirschberger

Außerdem gibt es für Feuerwerk und Böllerei nur ein schmales Zeitfenster. So heißt es im Sprengstoffgesetz: „Am 31. Dezember und 1. Januar dürfen pyrotechnische Gegenstände der Kategorie 2 auch von Personen abgebrannt werden, die das 18. Lebensjahr vollendet haben“. In der Zeit vom 2. Januar bis 30. Dezember gelte das nur für Inhaber einer speziellen Erlaubnis beziehungsweise eines speziellen Befähigungsscheines.

Die Lage in Berlin

In der Berliner Silvesternacht sollen aus Sicherheitsgründen in mehreren Gebieten Feuerwerk und Böller verboten werden. Es wird drei sogenannte Böllerverbotszonen geben: den Alexanderplatz, den sogenannten Steinmetzkiez in Schöneberg nahe der Pallasstraße, und einige Straßen rund um das Gefängnis in Alt-Moabit.

Als Grund für die Verbote wurde die Gefahrenabwehr genannt. An bestimmten Plätzen versammelten sich in früheren Silvesternächten häufig Gruppen junger Männer, die mit Feuerwerksraketen durch die Gegend schossen, Böller zündeten und auch mit Flaschenwürfen Polizisten und Feuerwehrleute angriffen.

2019 erließ der Senat erstmals Böllerverbotszonen, stellte Absperrgitter auf und postierte dort in der Silvesternacht hunderte Polizisten, die den Zugang kontrollierten. Diese Verbote hätten sich bewährt. In den früheren Jahren habe es dort immer wieder Verletzungen und körperliche Auseinandersetzungen gegeben.

Die Lage in Brandenburg

In den Brandenburger Kommunen sind keine solchen Einschränkungen geplant. Bestätigt wurde dies von Sprecher:innen aus Potsdam, Oranienburg (Oberhavel), Wittstock (Ostprignitz-Ruppin) und Frankfurt (Oder). „Bei uns gab es in der Vergangenheit keine Böllerverbotszonen. Auch für diesen Jahreswechsel ist das nicht vorgesehen“, sagte etwa Eike-Kristin Fehlauer, Sprecherin der Stadt Oranienburg (Oberhavel).

Die Lage in Nordrhein-Westfalen

In mehreren Großstädten Nordrhein-Westfalens soll es an Silvester aus Sicherheitsgründen Verbotszonen für Feuerwerk geben. Von den zehn größten Städten des bevölkerungsreichsten Bundeslandes haben dies Köln, Düsseldorf und Bielefeld vor. So werde es etwa in Düsseldorf auch in diesem Jahr zum Jahreswechsel ein Mitführ- und Abbrennverbot für Feuerwerkskörper in der Altstadt geben, sagte eine Sprecherin der Landeshauptstadt.

Die Lage in Bayern

In München soll Feuerwerk am 31. Dezember innerhalb des Mittleren Rings verboten sein, in Nürnberg bleiben die bisherigen Verbotszonen im Bereich um den Hauptmarkt und die Kaiserburg nach Angaben der Stadt „zur Sicherheit der dort befindlichen Menschenmengen und von gesetzlich geschützten Gebäuden“ ebenfalls bestehen.

In Regensburg soll es in der Silvesternacht ein Böllerverbot in der Altstadt geben. Eine Sprecherin der Stadt erklärte, man wolle dadurch Denkmäler wie den Dom und sensible Einrichtungen wie Altenheime schützen sowie der „Gefahr der Sprengstoffe bei Menschenansammlungen in der engen Altstadt“ entgegenwirken.

Die Lage in weiteren deutschen Städten

Auch in Bremen und Hannover sollen in bestimmten Bereichen wieder Böller und Raketen verboten sein. In Hamburg und Frankfurt ist die Entscheidung noch nicht gefallen.

Chemnitz sieht keine Grundlage für ein Verbot. Für die Feinstaubbelastung gelte im Tagesmittel ein Grenzwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter, der bis zu 35 Mal pro Jahr überschritten werden dürfe, teilte die Stadt mit. Eine Überschreitung in der Silvesternacht wäre zulässig, weil es in diesem Jahr bisher keine Grenzwertüberschreitungen gegeben habe.


Wie sehr belastet das Knallen die Krankenhäuser?

Jürgen Resch von der Deutsche Umwelthilfe (DUH) betonte, dass Feuerwerk gefährlich für Menschen, Tiere und Umwelt sei. Er erklärte, dass beispielsweise das Unfallkrankenhaus Berlin zum vergangenem Jahreswechsel, als Feuerwerk coronabedingt verboten war, 70 bis 80 Prozent weniger von Knallkörpern verletzte Patienten gezählt habe.

Zum Jahreswechsel 2020 auf 2021 wurde der Kauf von Silvesterfeuerwerk in ganz Deutschland verboten, um während der Coronakrise die Krankenhäuser und Ärzte vor einer zusätzlichen Belastung durch Verletzungen beim Abbrennen von Feuerwerkskörpern zu vermeiden.

© imago images/Gottfried Czepluch

Durch die Behandlung von Patient:innen, die von Feuerwerkskörpern verletzt werden, steige auch die ohnehin bereits enorme Belastung des Krankenhauspersonals. Dr. Jörn Wegner, Pressereferent der Deutschen Krankenhausgesellschaft, bezeichnet die Silvesternacht als die „arbeitsintensivste Nacht des Jahres“. Eine Hochrechnung ergebe, dass es zum Jahreswechsel 2020/2021 zwei Drittel weniger Verletzte in den Notaufnahmen gegeben habe.

Das Böllerverbot entlastete demnach das unter anderem von der Corona-Pandemie stark beanspruchte Krankenhauspersonal.


Welche Auswirkungen hat Feuerwerk auf Tiere?

„Wer Haustiere hat, wird es kennen: Der Familienhund versteckt sich unter dem Sofa, wenn die stundenlange Knallerei losgeht“, sagt Leif Miller vom Naturschutzbund NABU. Die Belastung für die Tierwelt sei groß.

Unter den frei lebenden Tieren würden Vögel durch Feuerwerk besonders stark gestresst. Bei der Flucht könnten sie gegen Glasscheiben oder Stromleitungen prallen. Ein Problem für alle Wildtiere: Der durch den Lärm ausgelöste Fluchtreflex verbrauche viel Energie, die zum Überleben in der kalten Jahreszeit benötigt werde.

Der NABU fordert daher ein Verbot privater Silvesterknallerei und eine Beschränkung auf zentral organisierte Feuerwerke.


Welche Umwelt- und Gesundheitsbelastung verursacht die Knallerei?

Großstädte wie Berlin, Hamburg, München, Düsseldorf und Frankfurt am Main hätten etwa 70 Prozent weniger Silvestermüll gehabt.

Rund 2050 Tonnen Feinstaub werden nach Angaben des Umweltbundesamts jährlich durch das Abbrennen von Feuerwerkskörpern freigesetzt – der größte Teil davon in der Silvesternacht. Die Menge entspricht etwa einem Prozent der insgesamt in Deutschland freigesetzten Feinstaubmenge pro Jahr. Das Einatmen von Feinstaub gefährde die Gesundheit und beeinträchtige beispielsweise die Atemwege, warnt das Amt.

In den ersten beiden Wochen nach Neujahr habe ich doppelt so viele Atemwegserkrankungen in meiner Praxis.

Norbert K. Mülleneisen, Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde

Norbert K. Mülleneisen, Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde und Umweltmediziner, sagte, dass insbesondere Kinder von der akuten Luftverschmutzung durch Silvesterkracher und Feuerwerksraketen betroffen seien. Sie würden schneller atmen und so mehr inhalieren. Seine Beobachtung über alle Altersgrenzen hinweg: „In den ersten beiden Wochen nach Neujahr habe ich dann doppelt so viele Atemwegserkrankungen in meiner Praxis.“


Der Bundesverband Pyrotechnik hält dagegen

Der Bundesverband Pyrotechnik (BVPK) wehrt sich. Die erhöhte Feinstaubkonzentration in Folge von Feuerwerken würde nur räumlich begrenzt und für wenige Stunden auftreten, erklärte Vorsitzender Ingo Schubert. „Die Forderungen nach Feuerwerksverboten sind umweltpolitische Nebelkerzen, mit denen vom Versagen in den zentralen Bereichen des Klimaschutzes abgelenkt wird.“

Schubert betonte, dass Umwelt- und Klimaschutz ein Anliegen der Branche seien. Es müsse dringend daran gearbeitet werden, die Produkte nachhaltiger zu gestalten. „Feuerwerksreste sind bereits jetzt zu 90 Prozent biologisch abbaubar – wir wollen, dass es 100 Prozent werden“, versicherte Schubert.

Der Verband der pyrotechnischen Industrie (VPI) teilte kürzlich mit, in Zukunft vollständig auf Kunststoff verzichten zu wollen. Neben dem Verpackungsmaterial werde auch daran gearbeitet, die Menge an Feinstaub, die beim Abbrennen freigesetzt werde, zur reduzieren.

Jürgen Resch von der Deutsche Umwelthilfe bezeichnet die Verbesserungsbestrebungen der Pyrotechnik-Industrie als „substanzlos“. „Für mich ist es eine besonders dreiste Form des Greenwashings“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Auch als nachhaltig deklarierte Feuerwerkskörper beinhalteten umwelt- und gesundheitsschädigende Schadstoffe wie Schwarzpulver und Chemikalien, die bei der Verbrennung entstünden oder austräten.


Wie haben sich die Verkaufsverbote auf die Branche ausgewirkt?

Im Zuge des Verkaufsverbots der letzten Jahre mussten dem Bundesverband Pyrotechnik (BVPK) zufolge viele pyrotechnische Betriebe schließen und Personal entlassen. Ob sich die Branche von dem „Schock“ erholen könne, hänge von den Umsätzen zum Jahreswechsel ab. Der Verband der pyrotechnischen Industrie (VPI) rechnet in diesem Jahr beim Verkauf von Raketen und Böllern mit einem Umsatz wie vor der Corona-Pandemie. Dieser habe etwa bei 120 Millionen Euro gelegen.

Die Importe von Feuerwerkskörpern lagen jedoch zuletzt deutlich unter dem Vor-Corona-Niveau. Von Januar bis September 2022 wurden rund 81 Prozent weniger Feuerwerkskörper nach Deutschland importiert als im gleichen Zeitraum des Vor-Corona-Jahres 2019, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte. Damals wurden noch 29.800 Tonnen eingeführt. Fast alle importierten Feuerwerkskörper kommen aus China.

Die Exporte hingegen nahmen deutlich zu. Während in den ersten drei Quartalen 2019 rund 2200 Tonnen exportiert wurden, stiegen die Ausfuhren in diesem Jahr bereits auf 2700 Tonnen an.

Die Verkaufsverbote in der Corona-Zeit hätten die Feuerwerksbranche mit rund 3000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hart getroffen, sagte VPI-Geschäftsführer Klaus Gotzen. „Mehr als 90 Prozent unseres Jahresumsatzes werden an nur drei Tagen vor Silvester generiert. Fehlt dieser Umsatz, fehlt die existenzielle Basis. Lange war das wirtschaftliche Überleben unserer Branche in Frage gestellt“, erklärte Gotzen.


Wollen die Menschen überhaupt noch knallen?

Laut einer repräsentativen Umfrage des Instituts Insa Consulere im Auftrag der Verbraucherzentrale Brandenburg ist eine Mehrheit der Menschen in Deutschland für ein sogenanntes Böllerverbot: 53 Prozent sprachen sich für ein Verbot von privatem Feuerwerk zu Silvester aus, nur 39 Prozent waren gegen das Verbot. (mit dpa, AFP)

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