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Roger Waters

© Imago, Bearbeitung: Tagesspiegel/Imago, Bearbeitung: Tagesspiegel

Konzertabsagen für Waters wegen Antisemitismus: Oder soll man ihn lassen?

Wegen antisemitischer Äußerungen sagt die Stadt Frankfurt ein Konzert mit Roger Waters ab. Der sieht die Kunstfreiheit bedroht. Andere Städte überlegen noch. Geht ein Verbot zu weit?

Der umstrittene Pink-Floyd-Mitbegründer Roger Waters findet deutliche Worte: „Politiker haben kein Recht, Künstler und ihre Fans mit Auftrittsverboten einzuschüchtern und zu schikanieren.“ Zuvor hatte die Frankfurter Messegesellschaft auf Druck des Frankfurter Magistrats und des Landes Hessen dem Konzertveranstalter des 79-Jährigen für dessen Auftritt am 28. Mai eine Kündigung zustellen lassen.

Waters steht in der Kritik, weil er die BDS-Kampagne (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen) unterstützt, die zum Boykott des Staates Israel und seiner Güter wegen der Palästina-Politik aufruft. Bei Konzerten ließ er Ballons in Schweineform mit unter anderem einem Davidstern aufsteigen. Der Vorwurf: Antisemitismus. Andere Städte haben noch nicht entschieden, wie sie mit den Konzerten umgehen sollen. In unserer Rubrik „3 auf 1“ analysieren immer drei Experten die Lage. Diesmal: Sollen weitere Städte Roger Waters Auftritte absagen?


Freiheit durch Verbote ist widersinnig

Die Stärke einer Gesellschaft misst sich auch daran, wie viel Dissens sie aushält. Fühlt sie sich schwach, wird nach Verboten gerufen. Die sollen im Namen der Vorurteilsbekämpfung einen angeblich bedrohten Diskursraum beschützen. Keine Toleranz gegenüber den Intoleranten heißt es dann.

Was honorig klingt, gefährdet oft die Meinungsfreiheit. Denn es kennzeichnet das Wesen von Meinungen, ironisch und sarkastisch, zynisch und verletzend sein zu können – und zu dürfen. Mordaufrufe, Beleidigungen, Volksverhetzung und die Leugnung des Holocaust sind in Deutschland verboten. Doch selbst die Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts fällt, laut Bundesverfassungsgericht, „nicht automatisch unter den Schutzbereich der Meinungsfreiheit“.

Der Tendenz, die Menge dessen, was zu sagen erlaubt ist, immer weiter einzuschränken, muss widerstanden werden. Die Freiheit durch immer mehr Verbote verteidigen zu wollen, ist widersinnig. Nur wer Unerträgliches erträgt, erweist sich der Freiheit als würdig. Das gilt auch für die Ansichten eines durchgeknallten britischen Musikers.


Die Alarmzeichen sind unübersehbar

Wenn Roger Waters über der Bühne einen Ballon in Form eines riesigen, aufgeblasenen Schweins schweben lässt, auf das ein Davidstern aufgemalt ist, dann weiß der Popmusiker, was er tut.

Er kombiniert die Darstellungen des im Judentum tabuisierten Tieres mit einem Symbol, das für das Judentum steht. Der Stern tauchte in der Antike an Synagogen auf, fand im Mittelalter Verbreitung und wurde im 19. Jahrhunderts vom Zionismus angenommen. Nazis nutzten den „Judenstern“ zur Zwangsmarkierung der Gruppe, auf die sie mörderisch Jagd machten. Seit der Staatsgründung Israels 1948 steht der Stern auf dessen Flagge.

Auf keiner Plakatwand eines demokratischen Staates dürfte heute das Bild eines Schweins mit Davidstern für ein Konzert werben. Waters, der Palästinenser auffordert, sich ihr Land „vom Jordan bis zum Meer“ zurückzuholen, ist schlicht ein waschechter Antisemit.

Als der FDP-Politiker Möllemann Juden in Deutschland und Israel 2002 in einem Atemzug attackierte, galt das der großen Mehrheit als untragbar. Inzwischen kennt die Sündenbocksuche weniger Skrupel. Die Alarmzeichen dafür sind unübersehbar.


Gönnt ihm nicht die Opferrolle

Ein Starrkopf wie Roger Waters beharrt darauf, recht zu haben. Gerade hat er im Gespräch mit dem „Spiegel“ versichert, kein Antisemit zu sein. Aber er behauptet auch, dass Israel keine Demokratie sei, klagt über die „Apartheid“, die dort herrsche, und fühlt sich von einer „Israel-Lobby“ verfolgt.

Angeblich geht es dem 79-jährigen Pink Floyd-Veteran nur um Menschenrechte und Meinungsfreiheit. Längst ist er das prominenteste Aushängeschild der Kampagne „Boycott, Divestment and Sanctions“ (BDS), die den Staat Israel bekämpft und in Teilen als antisemitisch eingestuft wird.

Seine Konzerte nutzt Waters, um in langen Einlassungen für eine Bewegung zu werben, unter deren Anhängern nicht wenige sind, die Israel gerne von der Landkarte verschwinden sehen würden. Seine Auftritte, die den Musiker im Mai nach Deutschland führen, hat er als seine „erste Abschiedstour“ angekündigt. Sie abzusagen, wie es der Magistrat von Frankfurt am Main getan hat, ist falsch. Weil es Waters in seiner Opferrolle bestärkt. Am besten wäre es, wenn niemand hinginge. 

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