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Frauen lernen von klein auf, dass sie für andere schön sein müssen.

© Imago/YAY Images/Seva Levitsky

Kritik an Schönheitsidealen bei Tik Tok: Wer sich nicht schminkt, sollte zu Make-up schweigen

Schönheitsideale in sozialen Netzwerken sind problematisch. Noch kritikwürdiger sind aber Männer, die darüber urteilen, was für Frauen gut ist.

Ein Kommentar von Hannes Soltau

Die Nutzerin auf TikTok erschrickt über sich selbst. Gerade noch hat ein digitaler Filter ihr Make-up auf das Gesicht gelegt. Die Lippen voller wirken lassen. Die Nase schmaler. Und die Wangenpartie konturierter. Doch mit einem Klick ist der Zauber vorbei. „So hässlich sehe ich also wirklich aus“, sagt sie in die Kamera.

Der kürzlich eingeführte Filter „Bold Glamour“ von TikTok ist beängstigend realistisch. Mittlerweile wimmelt es im Netz von jungen Frauen, die die Illusion von einem makellosen Aussehen demonstrieren. Und dabei vor den Folgen warnen, wenn sich solche Schönheitsstandards verfestigen.

Doch wenn es um weibliche Attraktivität geht, reden natürlich auch die Männer mit. Kommentatoren und Journalisten wundern sich über den Erfolg des Filters und halten pikiert fest, dass Frauen sowas doch nicht mehr nötig hätten. Ein von Männern geleitetes Unternehmen profitiert von der Verunsicherung junger Frauen – und andere Männer belehren diese darüber? Das ist zutiefst problematisch.

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Es erinnert an jene Typen, die sich einst unter dem Hashtag #nomakeup bemüßigt fühlten, Frauen zu erklären, dass sie auch ohne Schminke gut aussehen – aber meist ein aufwändiges, natürlich wirkendes Make-up mit Natürlichkeit verwechselten.

Das Aussehen von Frauen ist noch immer ein Politikum. Zwei Drittel der britischen Arbeitgeber räumten in Umfragen ein, Job-Aspirantinnen eher abzulehnen, wenn diese ungeschminkt zum Bewerbungsgespräch kommen. 

Gleichzeitig sprachen sie Frauen mit viel Make-up im Gesicht tendenziell geringere Führungsqualitäten zu.

Statt einen Filter zu verdammen, sollten all die schlauen Männer lieber mal über ihren Anteil an patriarchalen gesellschaftlichen Vorstellungen nachdenken.

Hannes Soltau

Der Griff zu Filtern und Mascara ist nicht genetisch mitgegeben. Frauen lernen von klein auf, dass sie für andere schön sein müssen. Viele fühlen sich also mit Hilfsmitteln sicherer und selbstbewusster. Statt einen Filter zu verdammen, sollten all die schlauen Männer lieber mal über ihren Anteil an patriarchalen gesellschaftlichen Vorstellungen nachdenken.

Frauen sind ihnen weder Attraktivität noch Authentizität schuldig. Und solange die meisten Männer nicht den Hauch einer Ahnung davon haben, was es bedeutet, jeden Morgen die Wimpern zu tuschen, einen Lidstrich zu ziehen oder das Gesicht zu konturieren, um in dieser Welt ernst genommen zu werden, sollten sie sich ihre vorschnellen Urteile einfach abschminken.

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