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Juniorchef Emil Dreesen (Jonathan Berlin) und Schwester Ulla (Pauline Rénevier) 

© dpa / Krzysztof Wiktor ARD Degeto/SWR/WDR/Zeitsprung Film/dpa

„Das weiße Haus am Rhein“: Babylon mit Rheinblick 

Ein ARD-Zweiteiler zur Geschichte des Rheinhotels Dreesen in Bad Godesberg. In der schönsten Szenenfolge wird Charlie Chaplin neben Hitler gestellt.

Ein Grammophon wird hereingetragen, Wagners „Tannhäuser“ erfüllt den Raum. Auf der gegenüberliegenden Seite des Rheins funkelt ein Hakenkreuz auf, mit Lichtern in den Hügel gebrannt. Das hat sich Hotelier Fritz Dreesen (Benjamin Sadler) ausgedacht, als Geburtstagsüberraschung für den Führer. Adolf Hitler steht am Fenster und badet im nationalen Mythos.

Wie der Rhein werde sich auch das deutsche Volk im Drang nach Entfaltung von Grenzen nicht aufhalten lassen, schwadroniert er, und Schauspieler Max Gertsch lässt das „R“ genauso rollen, wie man es von einem Hitler-Darsteller erwarten darf. Allerdings stören andere Töne das deutschnationale Pathos. Der Führer schaut perplex, Fritz Dreesen stürmt hinaus und stoppt den Auftritt der von seinem Sohn Emil (Jonathan Berlin) aus Berlin engagierten Band um Sängerin Claire Deltour (Deleila Piasko). Babylon Bad Godesberg ist fest in brauner Hand.

„Das Weiße Haus am Rhein“ hat die ARD den Zweiteiler genannt, der sich der Geschichte des noch heute existierenden Hotels im Süden Bonns widmet („Das Weiße Haus am Rhein“, ARD, Montag, 20 Uhr 15). Der Titel spielt wohl auf den Regierungssitz des US-Präsidenten an, was etwas dick aufgetragen ist.

Immerhin war das Rheinhotel nach dem Zweiten Weltkrieg zeitweise Sitz des französischen Hochkommissars. Zuvor war es eine Art Stützpunkt von Hitler im Westen Deutschlands. 1934 werden im Rheinhotel die Morde an den ehemaligen SA-Kumpanen um Ernst Röhm vorbereitet. 1938, eine Woche vor der Konferenz in München, trifft Hitler dort den Premier Neville Chamberlain.

Weniger wäre mehr gewesen

Von der französischen Besatzung nach dem Ersten bis zum Vorabend des Zweiten Weltkriegs reicht die Handlungsspanne. Zwischentöne gibt es leider zu wenige in dem von Thorsten M. Schmidt inszenierten Epos, das kein Thema auslassen möchte. Weniger wäre mehr gewesen, auch wenn insbesondere der zweite Teil dicht geraten ist und die Ausstattung im Grand Hotel detailreich funkelt.

Rechtsnationale und Nazi-Schläger, Kommunisten und rheinische Separatisten bekämpfen einander, während im Hotel die Moderne Einzug hält. Kriegs-Heimkehrer Emil Dreesen begehrt gegen seine konservativen Eltern auf, baut um, verpflichtet Musiker- und Tänzerinnen-Gruppen aus Berlin.

Meist jedoch geht es vorhersehbar von A nach B wie in der Liebesgeschichte zwischen Ulla Dreesen (Pauline Rénevier), der freigeistigen Tochter, und dem senegalesischen Soldaten Bakary Diarra (Farba Dieng). Der steht mit einer Truppe schwarzer Soldaten in der Tür des Hotels, das die französische Besatzungsmacht im Film nach dem Ersten Weltkrieg als Kommandantur nutzt. Die Liebe ist mit einem Blick besiegelt.

Friedrich Ebert schüttelt Hände, Gustav Gründgens trinkt Kaffee

Im Zentrum steht Ullas Bruder Emil, der desillusioniert aus dem Ersten Weltkrieg heimkehrt. Er ist aufgrund eines Angriffs auf einen Offizier erpressbar, zugleich entschlossen, „sich die Welt zurückzuholen“. Die Liebesgeschichten mit der Kommunistin Elsa (Henriette Confurius) und Sängerin Claire sind säuberlich getrennt auf beide Folgen verteilt, während das Krimidrama um Emils im Krieg begangene Tat in die Länge gezogen wird.

Außerdem: Friedrich Ebert schüttelt Hände, Gustav Gründgens trinkt Kaffee, Hotel-Koch Jupp Pützer erinnert an Horst Lichter, Konrad Adenauer spricht einen rheinischen Dialekt. In der schönsten Szenenfolge erfindet Charlie Chaplin im Dreesen den legendären Brötchentanz, während Hitler im Nebenzimmer seine Rede vorm Spiegel einstudiert.

Dass sich beide im Hotel um Jahre verpasst haben, darüber klärt die anschließende Doku von Martin Herzog auf. Anderes bleibt eher unklar. Im Film spielt Nicole Heesters die jüdische Hotel-Besitzerin Adelheid Dreesen, Vater von Fritz und Großmutter von Emil. Ob Adelheid, der Hitler den Handschlag verweigert, die später mit anderen jüdischen Beschäftigten des Hauses verwiesen wird, eine Erfindung ist, das lässt die Doku offen.

Im Film wächst sich das zu einer höchst ambivalenten Darstellung aus. Hitler ist hier Antisemit und Wohltäter zugleich, der schützend die Hand über den „Halbjuden“ Dreesen hält. Seine Statthalter sind zwar alle brutal-schneidige Typen wie aus dem NS-Klischee-Bilderbuch, aber wenn jemand von den örtlichen Schergen dem Fritz an den Kragen will, retten sie dem Hotelier im Auftrag des Führers das Fell.

Da wüsste man schon gerne, ob es sich um Legendenbildung oder um eine zugespitzte, aber historischen Fakten entlehnte Drehbuch-Idee handelt.

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