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Und wenn sie nicht gestorben sind ... die Familie Beimer 1985.

© dpa/Fotoreport

„Lindenstraße“ kehrt zurück: Wieso man doch zweimal in denselben Fluss steigen kann

Die ARD schickt die komplette „Lindenstraße“ auf die Streaming-Reise, 1758 Folgen. Fragt sich bloß, wer dafür Geld ausgeben wird?

8. Dezember 1985. Eine vierköpfige Familie in einem Wohnzimmer. Zwei Adventskerzen auf dem Tisch, eine Krippe aus Holz dreht sich, Kaffeegedeck. Der Vater an der Gitarre schaut grundgütig in die Runde, Mutter und Tochter an der Flöte, der Sohn zupft am Bass. Weihnachtsmusik. Folge eins der „Lindenstraße“ im Ersten. Einige Zuschauer werden danach nicht mehr weitergeschaut haben. Zu spießig das alles, der televisionäre Untergang des Abendlandes. Andere, ein paar Millionen immerhin, blieben 35 Jahre dran, Sonntag für Sonntag, bis zum bitteren Ende mit der letzten Folge „Lindenstraße“ am 29. März 2020.

Alles fließt, nichts bleibt? Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen, heißt es beim griechischen Philosophen Heraklit. Vielleicht doch, glaubt die ARD und schickt auf ihrem Streamingangebot ARD Plus noch einmal alle 1758 Folgen auf Zeitreise zum Zuschauer.

Es handelt sich hier, aller Kritik zum Trotz, immerhin um ein festes Inventar des deutschen Fernsehens, das über Jahrzehnte am Sonntagvorabend im Ersten viele Millionen Zuschauer gebannt hielt. Die sich Woche für Woche auf den neuesten Stand bringen ließen, wie es Mutter Beimer und all den anderen aus dem Straßenzug in München ergangen ist.

Wir haben gerade erst angefangen.

Hans Beimer (Joachim H. Luger) zu seinem Sohn Benny auf die Frage, ob man jetzt aufhören könne (mit dem Weihnachtssingen).

Am 16. November wird der komplette erste Jahrgang, die Folgen 1 bis 52, online gestellt. An jedem Donnerstag folgt eine weitere Staffel. Schauen wir sie uns also noch mal an, diesmal im Bingewatching: die Beimers, Sarikakis, Dresslers & Co, was auch deswegen spannend ist, weil die „Lindenstraße“ ein Spiegel politischer und gesellschaftlicher Entwicklungen war, die aktuell aufgegriffen wurden.

Schade eigentlich, dass 2020 das Ende kam. Was wäre der Geißendörfer-Produktion zu den Themen Corona, Wokeness, Ampel-Koalition oder Energiekrise eingefallen? Wären die Grünen beschimpft worden? Hätte Mutter Beimer noch das Gendern angefangen?

Wir werden es nie erfahren. Bleibt die Streamingbox als Dokument jüngerer Zeitgeschichte. Nicht umsonst steht Mutter Beimers Küche im Haus der Geschichte in Bonn. Nostalgie-TV. Fragt sich bloß, warum das Ganze nicht gratis in die Mediathek gestellt wird. ARD Plus ist der kostenpflichtige Streamingdienst, mit dem die ARD Inhalte online verfügbar macht, die aus rechtlichen Gründen nicht kostenfrei in der Mediathek stehen dürfen. ARD Plus mit eigener App und Website als vollwertigen Streamingdienst gibt es für 4,99 Euro im Monat.

Moderne Zeiten, in die sich das Geißendörfer-Universum irgendwie gerettet hat. „Hören wir jetzt auf?“, fragt Benny Beimer in der ersten Weihnachts-Folge. Sagt sein Vater: „Wir haben gerade erst angefangen.“

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